16. Letzte Vorbereitungen

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Der Tag der großen Parade steht an, und es kommt, wie es ja irgendwann mal kommen musste: Mama hat einen Hexenschuss.

Ich bin mir nicht ganz sicher was das ist, aber es hat wohl etwas mit Schlafen in Sesseln und am Küchentisch zu tun. Und geheilt werden kann es anscheinend durch lange Aufenthalte in der warmen Badewanne, jedenfalls hat Mama sich gebückt und humpelnd dorthin begeben. Und mich mal wieder unter der gewissenhaften Aufsicht meiner Brüder gelassen.

Natürlich unter strengsten Auflagen: Man möge mich warm einpacken, mir keine Süßigkeiten geben, und mich auf der Parade aus dem dichtesten Gedränge heraushalten. Am besten solle ich den Buggy nie verlassen.

Wie ich meine Brüder kenne, werden sie diese Auflagen auf den Punkt genau befolgen.

Oder so ähnlich.

Tatsächlich kommt es für mich gar nicht so ungelegen, dass Mama nicht dabei ist. Es würde die Dinge nur unnötig kompliziert machen. Auch wenn es mir natürlich leid tut, dass sie die Parade verpasst -- und auch nicht Zeugin werden kann, wie ihre Tochter ihre Söhne verdrischt. Denn genau das habe ich vor: den Dreien ein bisschen Demut eintrichtern.

Sie wäre sicher stolz auf mich.

Natürlich habe ich heimlich vorgesorgt. Mein Buggy ist noch vom Vortag gut bestückt, ich habe noch zusätzlich Munition aufgestockt und darauf bestanden, meine drei neuen Kuscheltiere wieder mitzunehmen.

~Die Kuscheltiere. Nein, nicht den Ball. Ku-schel-tie-re. Nein, das daneben. Nein. Neeeinn! Ach Mensch, sprech ich klingonisch??~

Bis meine Brüder endlich gecheckt hatten, was ich ihnen mit meinem Gebrabbel und den spitzen Protestschreien sagen wollte, war ich schon beinahe heiser.

Jetzt befinden wir uns aber endlich auf dem Weg zur Parade, ich in meinem vollbeladenen Buggy und die Jungs mit vollgepackten Rucksäcken. Immerhin müssen sie ja noch irgendwo unterwegs in ihre Kostüme schlüpfen.

Die Zwillinge haben aus gestern Abend offensichtlich gelernt: Auf öffentlichen Toiletten kann man sich schlecht umziehen, weil man die ganze Zeit damit beschäftigt ist, mit Nichts in Berührung zu kommen, was potentiell tödliche Krankheiten oder zumindest einen ausgeprägten Ekelfaktor hervorrufen könnte.

Also schlagen sie sich in einem eher leeren Bereich des Parks ins Gebüsch, dicht gefolgt von Clark. Ich sitze mal wieder in meinem Buggy und warte.

Und warte.

Scheint mein neuer Lebensinhalt zu sein.

~Wird das heute noch was? Mensch, ihr braucht ja länger als ich zum Umziehen, und dabei heißt es immer, Mädchen brauchen lange im Bad!~ Geduld ist heute nicht meine Stärke.

~Kommt schon, sonst fängt die Parade noch ohne uns an!~

Endlich stehen die Zwillinge umgezogen vor mir und stellen sich anscheinend zum ersten Mal die Frage: "Was machen wir denn jetzt mit der kleinen Pupskanone, wir können sie ja schlecht mitnehmen?!"

Clark als der ältere, vernünftige Bruder hat sich natürlich schon früher Gedanken darüber gemacht und ist offenbar zu einer für ihn guten Lösung gekommen. "Geht schon mal vor, ich bring sie schnell an einen sicheren Ort und hol euch dann ein."

~Sicherer Ort? Clark?~, werde ich hellhörig. ~Kann ich denn von dort aus auch etwas sehen?~

Sonst wäre ja mein ganzer schöner Plan dahin.

Wie immer antwortet Clark mir nicht, sondern schnappt sich einfach meinen Buggy und schiebt mich einen schmalen Weg entlang, ungeachtet meiner Proteste und Nachfragen. Dieses passive Geschobenwerden geht mir so langsam richtig auf den Keks, man hat einfach keinerlei Mitspracherecht.

Nach einer Weile, wir befinden uns mittlerweile ganz nah bei Irgendwo im Nirgendwo, bleibt Clark kurz stehen, hantiert an den Griffen meines Buggys und dann ...

~Clark, aaah, was machst du, Hilfe!~, sprudelt es aus mir heraus, als der Buggy leicht nach vorne kippt und sich dann in die Lüfte erhebt. ~Verdampft, fliegst du etwa mit mir? Bist du verrückt?~

Leicht panisch beobachte ich, wie die Welt unter mir kleiner wird und wir plötzlich auf Höhe der Baumwipfel schweben, bevor wir in einer weiten Rechtskurve in Richtung Rummelplatz abbiegen. Mama sei Dank bin ich in meinem Buggy gut angeschnallt, sonst wär's das jetzt gewesen.

Nach einer Weile ebbt die erste Panik ab und ich kann die Aussicht genießen. Faszinierend, dieser Perspektivwechsel, ich habe mir bisher noch nie überlegt, wie Bäume von oben aussehen. Dunkel erkenne ich den Teich, nur Enten kann ich von hier oben leider nicht ausmachen.

Schwankend und mit leichten Auf- und Abbewegungen in der Flugbahn, anscheinend hat Clark mein Gewicht unterschätzt, nähern wir uns schließlich dem Ort, den ich als Clarks Ziel identifiziere: dem Riesenrad.

Majestätisch ragt es vor uns in den Himmel, die vielen Gondeln starr und unbewegt, das Gestell mit den vielen Lampen unbeleuchtet wie der ganze Rest des Rummelplatzes. Anscheinend wollen die Angestellten die Parade auch besuchen.

Clark steuert die oberste Gondel an und setzt meinen Buggy dort nicht eben sanft ab.

~Hey, kannst du nicht aufpassen?~, protestiere ich sofort, beinahe wäre mir ein Teil meiner Munition heruntergefallen.

"Ups. Sorry, Kleine, war keine Absicht." Da hat er wohl selbst gemerkt, dass die Landung etwas holprig war.

Clark schaut sich um und nickt dann zufrieden. "Okay, hier bist du sicher, warm eingepackt, nicht im dichtesten Getümmel, kannst deinen Buggy nicht verlassen und kommst auch nicht an Süßigkeiten."

~Moment, was ...~

"Ich hol dich später wieder ab. Kuck mal, da unten kannst du die Parade sehen", zeigt Clark mit dem Arm über die Reling, dreht sich dann um, hebt ab und fliegt davon.

Ich versuche ihn zurückzurufen: ~Clark, warte! Clark! Findest du das eine gute Idee, ein Baby auf einem verlassenen Riesenrad zurückzulassen?~

Anscheinend schon. Dreizehnjähriges Spatzenhirn.



~

Ich dachte mir, ich mache eine Lesenacht. Einfach weil ich schon immer mal eine Lesenacht machen wollte und nicht etwa, weil ich so sonderlich weit mit dem Schreiben gekommen wäre. Und da meine Protagonisten ja noch nicht so alt sind und daher früh ins Bettchen müssen, wird es auch eher ein Lesenachmittag.

Morgen um 15 Uhr geht es los, insgesamt drei Kapitel wird es geben. Viel Spaß!

Call me Super, Baby!Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora