61; Teil 3: Frühling 2010

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Christian

Dieses Mal wohnen wir nicht in Brooklyn, sondern ganz zentral am Central Park. Meine Eltern haben Mark, Mia, Marie und mir die Reise gezahlt, obwohl wir das alle nicht wollten. Aber Vater hat darauf bestanden und er ist in solchen Angelegenheiten sehr resolut. Er hat uns ein sehr schönes Hotel herausgesucht, das modern und schlicht, aber edel ist. Genau nach meinem Geschmack. Marie gefällt es auch sehr gut.

Mark wirkt eher unzufrieden, aber dass er ein mangelndes Ästhetikempfinden hat und Luxus nicht schätzen kann, wusste ich bereits. Er hat noch nie Wert daraufgelegt. Wahrscheinlich hätte es ihm auch nichts ausgemacht, irgendwo in New Jersey in einer billigen Absteige zu hausen.

Zum Glück war es aber nicht er, der die Entscheidung getroffen hat, welche Unterkunft wir nehmen. Möglicherweise wäre dann auch seine Beziehung zu Mia ganz schnell vorbei gewesen. Es war faszinierend mit anzusehen, was für große Augen sie bei dem Anblick unserer Hotels bekam.

Sie kommt aus gewöhnlichen Verhältnissen und ist an solchen Luxus, wie er für uns Alltag ist, noch nicht gewöhnt. Bei Marie war das genauso. Auch sie ist am Anfang nicht aus dem Staunen herausgekommen.

„Ich fühle mich bei dir wie eine Prinzessin!", hat sie immer gesagt und ich gab und gebe mir nach wie vor alle Mühe, ihr ein sorgenfreies Leben zu bieten. Mittlerweile hat sie sich an den Luxus gewöhnt, aber manchmal staunt selbst sie noch, wenn ich ihr etwas kaufe, von dem sie weiß, wie kostbar es ist. Dieses hübsche, erstaunte Gesicht ist nach wie vor eines der schönsten Anblicke, die ich mir in meinem Leben häufig zu sehen erhoffe.

Nachdem wir im Hotel eingecheckt und uns kurz frisch gemacht haben, sind wir zu viert durch den Central Park spaziert. Es war schön für mich zu sehen, wie wenig sich all die Jahre hier verändert hatte. Obwohl es noch zu frisch war, um lange auf eine der vielen Bänke zu verweilen, setzten wir uns dennoch auf eine in der Nähe des Jaqueline Kennedy Onassis Reservoirs und schauen den Enten zu.

„Wow, und in dieser Wahnsinnsstadt hast du ein Jahr gewohnt. Das ist echt beneidenswert!", Mia lächelte in die Runde und ließ ihren glückseligen Blick über den Park und die umliegenden Hochhäuser wandern.

„Ja, es war wirklich eine tolle Zeit und die New Yorker sind ganz besondere Menschen!", ich legte meinen Arm um Marie und lächelte Mia an.

„Ich könnte hier nicht wohnen. Viel zu viele Menschen, zu viele Autos, zu viel Lärm und wahrscheinlich ist das hier das einzige Grün in der ganzen Stadt", Mark schaute niemanden an, als er diese völlig unnötigen Worte sagte. Aber ich wusste, dass er mich damit indirekt angreifen wollte. Schon immer hatte er mich um alles, was ich habe, beneidet. Nach wie vor nutzt er jede Gelegenheit, mein sonniges Leben zu beschatten.

„Wirklich? Ich finde es hier total genial. Am liebsten würde ich mir sofort eine Wohnung nehmen. Hier pulsiert so richtig das Leben!", Mias Augen strahlten und ich warf Mark einen belustigten Blick zu, dem er nur einen kurzen Augenblick standhielt.

„Ich könnte hier auch nicht auf Dauer Leben. Ich finde Berlin schon so furchtbar anstrengend und hier in New York potenziert sich das alles."

Ich blickte Marie überrascht an, die bisher sehr wenig gesagt hatte und nun solch eine Aussage traf. Ich habe immer gedacht, sie mochte New York und auch Berlin. Ich habe angenommen, unser Umzug nach Potsdam hätte nur etwas mit den Kindern zu tun, die wir beide bald haben wollten, und wäre nicht einer generellen Abneigung gegenüber Berlin geschuldet.

„Hm, vielleicht sind diese Städte eben eher etwas für junge Leute, die noch Belastungen und Anstrengungen aushalten", Mia lächelte Marie unbekümmert an.

„Was redest du denn da? Das ist doch keine Frage des Alters, sondern der Lebensauffassung!", Mark funkelte Mia böse an. Erneut war ich verblüfft. Zwar kannte ich auch Marks aufbrausende und jähzornige Art, unter der ich vor allem als Kind oft gelitten hatte, aber ich verstand nicht, weswegen er Mia wegen dieser einen Aussage so anfuhr.

Stille WasserWhere stories live. Discover now