45; Teil 2: Sommer 2006

12 7 22
                                    

Marie

Wie konnte ich nur glauben, dass ich nicht die Richtige für Mark bin und er nicht der Richtige für mich ist? Obwohl ein großer Altersunterschied zwischen uns liegt, muss das doch nichts zu bedeuten haben! Wieso sollten immer nur Männer zehn Jahre jüngere Frauen haben?

Auch ich als Frau kann doch mit einem viel jüngeren Mann zusammen sein. Ich habe immer noch genug Zeit, um mit Mark irgendwann Kinder zu bekommen, wenn er sein Medizinstudium abgeschlossen hat. So kann ich mich jetzt auch vorrangig auf meine Arbeit konzentrieren. Immerhin wollte ich schon immer zuerst Journalistin und dann nach einigen Berufsjahren Mutter werden.

Christian hingegen glaubt, dass ich bald mit ihm Kinder bekommen und zuhause bleiben will. Gerade er, dem Karriere ungemein wichtig ist, sieht es als völlig selbstverständlich an, dass ich meine Arbeit zugunsten unserer Kleinfamilie aufgeben werde. Mark hat Recht, wenn er sagt, dass Christian eine Familie und keine Frau, die Karriere macht, haben will.

Ich hätte es selbst wissen müssen, dass Christian mich mit der Arbeit bei der Berliner Zeitung nur nach Berlin locken möchte, um mich dann zu schwängern. Es interessiert ihn überhaupt nicht, ob die Arbeit bei der Berliner Zeitung das richtige für mich ist und ob ich schon Kinder haben möchte oder nicht.

Anstatt mich zuerst zu fragen, wie ich mir meine und unsere Zukunft vorstelle, macht er einfach Nägel mit Köpfen. Das ist respektlos mir gegenüber und zeigt, wie wenig es ihm eigentlich um mich als Person geht.

Deswegen habe ich auch den Arbeitsvertrag von der Berliner Zeitung zerrissen, der mir vor einigen Tagen zugestellt wurde, und habe stattdessen die Stelle bei der Süddeutschen Zeitung angenommen. Ich bin schließlich alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen und ich wollte nie in Berlin leben.

Bestimmt wird Christian mich bald danach fragen, was mit dem Vertrag ist. Mark meint, ich solle reinen Tisch und mit Christian Schluss machen. Natürlich wäre das die konsequenteste Entscheidung. Aber Mark ist noch so jung, er denkt, dass das alles so einfach geht. Aber das ist nicht der Fall. Ich kann Christian nicht am Telefon den Laufpass geben. Das wäre nicht fair ihm gegenüber und was würde das auch für ein Bild von mir vermitteln?

Nein, ich muss es irgendwie anders anstellen. Am besten sage ich ihm, dass ich eine Beziehungspause brauche, um mich beruflich ohne Druck orientieren zu können. Da Christian bald Kinder möchte und bestimmt noch den ein oder anderen Kontakt zu einer Ex-Geliebten hat, wird es ihm sicherlich zu dumm mit mir werden und er wird aus der Pause ein Ende machen. Dann hätte sich die Sache von alleine erledigt. Das wäre perfekt. Ich bräuchte mir keine Sorgen und Gedanken mehr machen, sondern könnte mein Leben hier in München voll und ganz genießen.

In dieser wundervollen Stadt, wo es bei der Arbeit besser läuft als je zuvor und ich mich wieder jung und unbeschwert fühlen kann und wo ich mit Mark, dem lustigsten und sanftesten Menschen der Welt, endlich ohne Gewissensbisse für immer zusammen sein kann.

Stille WasserOnde as histórias ganham vida. Descobre agora