25; Teil 2: Sommer 2005

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Christian

Während Maries Besuch bei mir, ist nicht alles so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hatte mehr Termine, als ich eigentlich haben wollte und Marie war mehr allein, als sie es hätte sein sollen. Aber ich konnte die Termine einfach nicht absagen oder verschieben, so sehr ich es auch gewollt hätte. Trotzdem oder gerade deswegen, habe ich versucht, die Zeit, die ich mit Marie verbringen konnte, so gut wie möglich zu nutzen. Immerhin hatten wir uns zwei Monate nicht gesehen und da ist es selbstverständlich, dass man sich besonders Mühe gibt. Also habe ich sie in wirklich gute Restaurants geführt und habe ihr beim Stadtbummel das ein und andere geschenkt. Marie war ganz fasziniert von Berlin, viel mehr als beim ersten Mal, als wir gemeinsam mit dem Umzugswagen hierher gefahren sind. Immer wenn ich nach Hause kam, wollte sie etwas unternehmen und die Stadt sehen. Ich habe mich sehr gefreut, dass auch ihr die Stadt so gut gefällt. Als ich einmal erwähnte, dass sie in knapp zwei Jahren auch endlich hier mit mir leben würde, da ist ihr Blick ganz weich geworden und sie hat als Antwort glücklich gelächelt. Solche Momente zeigen mir, wie tief wir verbunden sind und dass wir uns mittlerweile so gut verstehen, dass wir nicht mehr viel zu sagen brauchen, da bereits kleine Gesten und Mimiken ausreichen, um miteinander zu kommunizieren.

Wahrscheinlich liegt es auch an dieser Vertrautheit, dass wir nur zweimal miteinander geschlafen haben, obwohl wir uns früher sogar mehrmals am Tag geliebt haben. Vor allem, wenn wir uns längere Zeit nicht gesehen hatten. Ein bisschen überrascht hat mich Maries Bedürfnislosigkeit schon und wenn ich nicht wüsste, dass sie mit Mark zusammen wohnt, hätte es mich vielleicht sogar beunruhigt.

Es war wirklich eine gute Idee, Mark und Marie eine WG gründen zu lassen. Nicht nur, weil er ein Auge auf Marie hat, sondern auch weil mein kleiner Bruder sichtlich von Maries Disziplin und Ehrgeiz profitiert. Denn wie Papa mir erzählt hat, will Mark jetzt Arzt werden. Ich glaube, ohne Maries Einfluss hätte sich dieser von Mama verwöhnte Schönling nicht dazu aufraffen können, so einen prestigeträchtigen Beruf zu ergreifen. Anscheinend hat er auch die Noten dazu, um direkt nach seinem Zivildienst das Studium zu beginnen. Das freut mich für ihn, vor allem, weil er dann begreifen wird, dass man viel lernen und hart dafür arbeiten muss, um sein Ziel zu erreichen. Dann wird er sich nicht mehr über mich lustig machen und mich einen „karrieregeilen Affen" nennen.

Mark ist einfach ein Spätzünder, der jetzt erst begreift, was es bedeutet, einen Traum zu verfolgen und verwirklichen zu wollen. Denn das ist keine einfache Sache und gerade das Medizin-Studium hat es in sich. Ich wünsche ihm, dass er sich nicht ablenken lässt, fokussiert und zielstrebig bleibt. Die ersten zwei Semester wird ihm dabei sicherlich noch Marie helfen, denn Mark möchte in München studieren, sodass die WG der beiden noch ein Jahr länger Bestand hat. Aber dann wird er auf sich gestellt sein und muss beweisen, dass er die Disziplin und die Lernbereitschaft verinnerlicht hat. Ich bin wirklich gespannt, ob er das Studium schafft. Ich wünsche es ihm jedenfalls. Und ich denke, er könnte es auch schaffen. Immerhin hat Papa auch sein Jurastudium mit Auszeichnung geschafft und ich mache meinen Doktor in Politik. Mark hat also die besten genetischen Voraussetzungen, um sein Medizin-Studium erfolgreich abzuschließen. Was er dann nur noch braucht, ist eine Frau, die hinter ihm steht, so wie Papa Mama hat und ich Marie habe. Denn an dem Spruch „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau" ist wirklich etwas dran. Ich weiß noch, wie oft Marie mir gut zugeredet hat, wenn ich im Prüfungsstress war und wie sie mir bei den Vorbereitungen zu meinem Amerika-Aufenthalt geholfen hat, obwohl es für sie nicht leicht gewesen war, mich so lange gehen zu lassen. Dieses Verhalten ist nicht selbstverständlich und viele andere Frauen hätten sicherlich gesagt, dass sie auf eine Fernbeziehung keine Lust haben. Doch Marie ist anders. Sie hat die richtige Mischung aus unterstützender Ehefrau und engagierter Karrierefrau gefunden. Dazu hat sie noch einen Beruf gewählt, den sie auch von zuhause aus machen kann. Es ist ein Glück, dass ich eine Frau wie Marie gefunden habe.



Stille WasserWhere stories live. Discover now