„Ja?" Ich war enttäuscht, weil ich mich von Taylor hintergangen fühlte, aber ich war auch wütend auf Austin. Wieso wusste ich nicht. Es war nicht, weil er mich nach dem Kuss im Krankenhaus einfach hatte stehen lassen. Nein, heute Vormittag hatte ich viel darüber nachgedacht und war zum Schluss gekommen, dass es einfach passiert war. Ewig konnte ich ja nicht auf ihn sauer sein. Als ich ihm in die Augen blickte, wusste ich plötzlich, wieso ich jetzt wütend auf ihn war, auch wenn es im Nachhinein völlig kindisch ist: Er besaß die Frechheit, so endlos traurig auszusehen, wo ich gerade erfahren hatte, dass meine Lieblingssängerin, zu der ich immer aufgesehen hatte – sowohl in Hinsicht Musik, also auch beim Verhalten –, mich hintergangen hatte. Was bildete er sich nur ein?!

Etwa eine halbe Stunde später würde ich anders darüber denken. Schließlich war es bei ihm das Gleiche gewesen, nur dass es – und das war im Grunde genommen noch viel schlimmer – seine Schwester gewesen war. Aber in diesem Moment war ich den Tränen des Zorns nahe. Ja, ich hatte ihn immer toll gefunden, aber das war nun vorbei. Er hätte ja einfach nicht bei dem Plan mitspielen müssen, hätte im Badezimmer bleiben und warten können, bis ich wieder weg war. Klar, er hatte nichts von Taylors Vorhaben gewusst, aber trotzdem! Ich war unendlich wütend. Aus Angst, ich könnte Melody erdrücken, setzte ich sie auf der Flickendecke in ihrer Gehschule ab, wo sie vergnügt herumrobbte.

Nun meldete sich Ed wieder zu Wort: „Ich weiß, Hanna und Austin, ihr seid setzt sauer auf Taylor, aber sie hat es, glaube ich, nur gut mit euch gemeint ... Ich verstehe euch aber nur zu gut, das könnt ihr mir glauben."

Damit nahm er Taylor am Arm und zog sie vom Sofa hoch.

„Ich glaube, wir lassen die beiden jetzt mal allein, wenn wir schon bei klärenden Gesprächen sind", meinte er an seine Kollegin gewandt. Zu uns Sitzenden sagte er: „Und ihr müsst uns versprechen, dass ihr endlich mal über das redet, was zwischen euch vorgefallen ist. Wenn man Taylor glauben darf, habt ihr euch ja anfangs ... ähm ... sagen wir mal, gut verstanden habt."

„Kann ich dich was fragen? Du musst mir aber ehrlich antworten"

„Natürlich!"

„Wieso bist du weggerannt?

„Wieso bist du weggerannt? Damals im Krankenhaus ..."

„Das war jetzt keine Antwort"

Wir verstummten für eine Weile. Als ich es nicht mehr aushielt, brach ich das Schweigen: „Ich hatte nicht mir dir gerechnet." Schon gar nicht halb nackt!

„Ich mit dir auch nicht ..."

„Du hast nicht mit mir gerechnet, als du mich geküsst hast?!"

„Doch nicht da! Gestern!"

Ich wurde rot. Wahrscheinlich würde er sich jetzt über mich lustig machen. Ich war ja wohl wirklich dumm. Aber es kam nichts, wofür ich ihm sehr dankbar war.

Um meine Verlegenheit zu überspielen, fragte ich wieder: „Wieso bist du weggerannt?"

Ich konnte sowohl sehen, als auf hören, dass er hart schluckte. Irgendwie tat er mir leid. Ich hätte ihn nicht fragen sollen. Es war ja auch egal. Ich war schließlich deswegen nicht mehr böse auf ihn. Und außerdem war ich über ihn hinweg. Hoffte ich zumindest.

Als er nichts sagte, stand ich auf und murmelte: „Ich sehe mal nach den Kindern ..."

Austin erhob sich ebenfalls und ich dachte schon, er würde gehen, doch er folgte mir ins Spielzimmer. Naja, auch gut. Dann würde ich ihn eben später noch einmal fragen. Vielleicht antwortete er mir ja dann endlich einmal.

Zoe und Nick spielten ganz versunken und schienen uns gar nicht zu bemerken. Deshalb beschloss ich, wieder zurück ins Wohnzimmer zu gehen. Austin folgte mir wie ein Schatten. Stalker!, dachte ich genervt.

Mir war klar, dass auch ich seine Frage nicht richtig beantwortet hatte, aber er sollte anfangen. Wenn auch er so dachte, hatte er eben Pech. Ich konnte stur sein, wenn ich etwas wirklich wollte, oder in diesem Fall nicht wollte.

„Wir sollten uns nicht anschweigen, Hanna."

Ich hob auffordernd eine Augenbraue. „Dann fang du eben an, mir meine Frage zu beantworten!"

„Ich will dich echt nicht sauer machen, aber ich weiß echt nicht, wie ich dir darauf antworten soll ..." Austins Tonfall klang schon fast kläglich.

„Wieso das?", erkundigte ich mich und schaute ihm fest in die Augen. Bloß keine Schwäche zeigen!

„Kennst du das nicht? Du hast etwas getan und weiß eigentlich überhaupt nicht, wieso eigentlich. Oder du weißt nicht, wie du etwas einer anderen Person beibringen sollst. Das ist wie damals, als ich meinen zweiten Auftrag als Fotograf bei einer Taufe hatte und die Hälfte der Bilder verloren hatte, weil ich meine Speicherkarte plötzlich weg war."

Von einem Moment auf den anderen verstummte er, als würde er denken „Wieso habe ich ihr das erzählt?!" Ich war jedoch nicht klüger, als vorher auch schon. Er konnte nicht darüber reden. Ja, das ging mir genauso. Ich hatte auch keine Ahnung, warum ich weggerannt war. War die Überraschung zu viel gewesen? Oder hatte mein Unterbewusstsein ihm zeigen wollen, wie es war, stehen gelassen zu werden?

Ich seufzte. Wieso war es auf einmal so schwer, mit ihm zu reden? Am Anfang war es doch so leicht gewesen. Ich gab es nicht gern zu, aber Taylor hatte Recht. Als ich meinen Kopf auf meine angezogenen Knie legte und meine Augen schloss, spürte ich plötzlich wie sich eine Hand auf meinen Rücken legte. Ich fuhr zusammen und sprang auf. Dabei drehte ich mich um 180 Grad. Vor mir stand Austin. Wie war der nur so schnell hinter mich gekommen?

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken ...", meinte er zerknirscht.

„Schon gut!"

Nach kurzer Pause, in der wir beide stehen blieben und uns einfach verlegen anschauten, brach er das Schweigen: „Ich weiß, du bist wütend auf mich. Das kann ich auch gut verstehen, aber kannst du mir bitte verzeihen? Es tut mir so furchtbar leid."

So sah er auch aus. Seine Augen glänzten verdächtig und seine Stimme war ganz rau. Wieder tat er mir leid. Deshalb lächelte ich ihn leicht an und hoffte, dass es auch wie ein Lächeln aussah.

„Das habe ich schon", sagte ich dann ernst, „Was aber nicht heißt, dass du es noch einmal tun kannst. Weißt du, wie es sich anfühlt? Geküsst und dann in der Verwirrung alleingelassen zu werden?" Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sich Wasser in meinen Augen gesammelt hatte, aber nun lief mir eine Träne an der linken Wange hinab. Peinlich berührt hob ich die Hand, um sie wegzuwischen, aber Austin war schneller. Er umarmte mich so fest, dass sich mein Gesicht an seinen Pullover drückte und die Träne aufgetunkt wurde. Erst machte ich mich steif, aber nach ein paar Sekunden erwiderte ich die Umarmung.

Als Austin nach einer Weile einen Schritt zurückging und meinen Kopf in seine Hände nahm und mich so dazu zwang, ihn anzusehen, fragte er: „Können wir noch einmal neu anfangen?"

Wie aus der Pistole geschossen und ohne nachzudenken, antwortete ich: „Okay!" Mein Herz klopfte wie verrückt und ich spürte, wie meine Wangen rot wurden.

Austin ließ meinen Kopf los und streckte mir seine Hand hin.

„Hi, ich bin Austin Swift, Fotografiestudent. Du siehst total süß aus, wenn du rot wirst."

I'm only me when I'm with you (Taylor Swift)Where stories live. Discover now