15. Kapitel

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Als ich vor der Haustür der Bakers stand, atmete ich ein paarmal die kühle Nachtluft ein. Das beruhigte mich soweit, dass ich ins Haus gehen konnte, ohne die Tür hinter mir zuzuschmeißen. Ich wollte ja schließlich die Kinder nicht aufwecken. Als ich meinem Zimmer angelangt war, schnappte ich mir mein Schreibheft, einen Stift und setzte mich an den Tisch. Mein Bein brachte mich fast vor Schmerzen ums Bewusstsein, aber ich kämpfte dagegen an. Wenn ich innerlich kochte, brauchte ich es oft einfach nur niederzuschreiben, um mich wieder abzuregen und ein bisschen Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Auch dieses Mal half es ein wenig, aber als ich fertig war, war ich immer noch zu wütend, um schlafen zu gehen. Deswegen ging ich in mein Badezimmer und ließ mir ein Bad ein. Für mein Bein war es zwar nicht gut, aber ich würde es einfach nicht ins heiße Wasser legen. Bevor ich in die Wanne stieg, holte ich mir noch meinen MP3-Player. Im Moment wollte ich nichts außer der Musik hören, also stöpselte ich die Kopfhörer in meine Ohren und schaltete die Musik ein. Ich achtete nicht mal darauf, was ich hörte, was sehr ungewöhnlich für mich war.

Nach ein paar Minuten fing ich an zu weinen. Wieso, wusste ich selbst nicht. Vielleicht, weil ich meine Eltern und Simon vermisste. Vielleicht, weil ich hier keinen hatte, mit dem ich über das reden konnte, was gerade passiert war. Vielleicht aber auch, weil ich gedacht hatte, dass Taylor meine Freundin war, mir nun aber sicher war, dass sie nur gewollt hatte, dass ich dortblieb, weil auch Austin da war und sie uns beide verkuppeln wollte. Ich war momentan mit der ganzen Situation überfordert und zusätzlich schmerzte mein Bein furchtbar.

Plötzlich wusste ich, wen ich anrufen würde, sobald ich aus der Wanne draußen war – was sich mit meinem wehen Bein als gar nicht so einfach entpuppte: Alison Evans, die Krankenschwester. Wir hatten schließlich ausgemacht, dass wir uns einmal treffen würden. Vielleicht konnte ich mit ihr reden.

Als ich mich schließlich abtrocknete, war es halb 12 und somit zu spät, um Alison anzurufen. Aus diesem Grund beschloss ich, ihr einfach eine SMS zu schicken. Vorher musste ich aber erst noch mein Handy finden. Wo hatte ich es nur hingetan? Da ich keinen Plan hatte, wo es sein könnte, zog ich erst einmal meinen weißen mit roten Tupfen übersäten Bademantel an. Alice hatte ihn mir geschenkt, weil ich meinen zu Hause vergessen hatte.

In meinem Zimmer traute ich mich wegen Melody nicht das große Licht anzuschalten, schon aber die Lichter bei meinem Bett und Tisch. Doch wo ich auch suchte, ich konnte es nicht finden.

Ich werde es doch nicht bei Taylor vergessen haben, schoss es mir durch den Kopf. Nein, ich war mir ziemlich sicher, dass ich es mit nach draußen genommen hatte, immerhin hatte ich es ja davor in der Hand gehabt und nicht weggelegt. Es musste also irgendwo hier sein. Ich ließ noch einmal Revue passieren, wie ich hereingekommen war, doch ich konnte mich immer noch nicht erinnern, wohin ich es gelegt hatte.

Nicht aufregen, Hanna, ermahnte ich mich selbst, du gehst jetzt einfach noch einmal ins Badezimmer und schaust noch einmal in deinen Hosentaschen, wo du es doch normalerweise hinein gibst.

Verzweifelt setzte ich mich an den Rand der Badewanne, stützte meine Ellbogen auf meine Knie und legte mein Gesicht in meine Hände. Was sollte ich nur tun?

Als erstes nimmst du jetzt ein Schmerzmittel. Danach kannst du dich sicher besser konzentrieren.

Ich wusste, dass ich mindestens 20 Minuten warten musste, bis das Medikament zu wirken anfing. Bis dahin würde ich mich wohl besser ins Bett legen und abwarten. Es gab ja sowieso nichts, was ich jetzt tun konnte. Und mein Bein würde mir sicher dankbar sein. Also stand ich langsam auf – mein Gewicht auf das linke Bein konzentriert – und wankte zur Tür.

Ich ließ mich auf mein Bett plumpsen und starrte an die Decke. Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen – meiner Ansicht nach kurz darauf – öffnete, war mein Zimmer in helles Morgenlicht getaucht.

Melody lag noch schlafend in ihrem Bettchen, was total süß aussah. Als ich auf meine Armbanduhr blickte, sah ich, dass es erst halb sechs war. Da ich aus Erfahrung wusste, dass es nichts bringen würde zu versuchen, noch einmal einzuschlafen, schnappte ich mir meinen Laptop und tat, was ich mir gestern vorgenommen hatte: Ich las meine E-Mails.

Na gut, nicht alle, denn die meisten waren einfach Werbung. Aber wenigstens konnte ich so auf alle richtigen Nachrichten antworten.

Als ich das erledigt hatte, schlich ich auf Zehenspitzen aus meinem Zimmer. Ich brauchte schleunigst etwas zu essen, sonst würde ich verhungern. Auf jeden Fall fühlte es sich so an. Außerdem sollte ich besser wieder ein Schmerzmittel schlucken. In der Küche angelangt, hörte ich ein Maunzen. Meredith! Sie war schon wieder hereingekommen? Wie fand sie nur immer einen Weg in dieses Haus?

Nachdem ich gefrühstückt hatte und wieder in meinem Zimmer angelangte, war Melody bereits wach. Sie hatte ein blutverkrustete, blaue Beule an der Stirn und etwas vertrocknetes Blut unter ihrer Nase. Ansonsten sah sie normal aus. Aus ihren babyblauen Augen blickte sie mich fröhlich an und streckte mir ihre Ärmchen entgegen. Sie war einfach zu süß!

Ich hob sie aus ihrem Gitterbett und trug sie die Treppe hinunter und in die Küche, wo ich sie auf ihren Hochstuhl setzte. Inzwischen war ich schon Meisterin im Fläschchen kochen. Ich sollte dafür wirklich einen Preis gewinnen. Überhaupt fand ich mittlerweile, dass viele Tätigkeiten von Müttern und Vätern mehr geachtet werden sollten. Als ich die Milch fertig erwärmt hatte, hob ich das Baby wieder aus dem Hochstuhl und setzte mich auf das Sofa im Wohnzimmer, um die Kleine zu füttern. Gierig saugte sie, anscheinend war sie sehr hungrig.

Geistesabwesend fuhr ich mir durch die Haare. Was war gestern doch für ein aufregender Tag gewesen. Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass mein Idol Taylor Swift mich anscheinend nur zu ihrer Party eingeladen hatte, um mich mit ihrem Bruder zu verkuppeln. Es tat weh, das zu denken.

Irgendwie tat mir Austin ein bisschen leid, auch wenn ich es nicht zugeben wollte. Er war scheinbar auch nicht in den Plan seiner Schwester eingeweiht gewesen, sonst wäre er nicht so überrascht gewesen, mich dort anzutreffen.

Er braucht dir nicht leid zu tun, immerhin hat er mit dir gespielt! Denk an was anderes!

Tja, so einfach war das leider nicht, das musste auch meine innere Stimme einsehen. Plötzlich fiel mir siedend heiß wieder ein, dass ich mein Handy gestern Abend nicht mehr gefunden hatte.

„Verdammt!", murmelte ich halblaut, „Wie konnte ich das nur vergessen?!"

Jetzt konnte ich nicht losziehen und danach suchen, schließlich trank Melody noch ihre Flasche und selbst halten konnte sie sie noch nicht. Alice hatte gemeint, dass das Baby das erst in den nächsten paar Monaten lernen würde.

Um mich zu beruhigen, atmete ich ein paar Mal tief ein und aus. Das wirkte immer. Des Weiteren zwang ich mich dazu, alle meine Schritte, die ich seit ich Taylors Haus verlassen hatte, gemacht hatte, noch einmal vor meinen Augen zu gehen. Schließlich konnte sich das Handy ja nicht in Luft aufgelöst haben.

Ich war aus dem Haus gestürmt, wobei gut sein konnte, dass ich es dabei verloren hatte, da, war auf dem Kielplatz vor der Haustür der Bakers stehen geblieben und hatte mich beruhigt. Es war eher unwahrscheinlich, dass mir mein Mobiltelefon dabei abhanden gekommen war. Im Haus war ich gleich in mein Zimmer gegangen. Den Weg dorthin war heute ich bereits zweimal gegangen und auch dort drinnen hatte ich schon durchsucht. Wenn es mir nicht wer geklaut hatte – was ziemlich unwahrscheinlich war, schließlich hatte ich kein wertvolles Handy –, dann musste es also draußen sein.

Bei dem Gedanken schnellte mein Kopf reflexartig nach oben. Als ich aufgewacht war, hatte die Sonne geschienen, aber jetzt schien sich das schöne Wetter verflüchtigt zu haben, denn es sah aus, als ob es niesel würde. Na toll!

Positiv denken! Immerhin schüttet es nicht.

Als Melody ihre Flasche nach einer weiteren viertel Stunde endlich ausgetrunken hatte, stand ich sofort auf – ich hatte sogar das Fläschchen noch in der Hand – und lief – im Pyjama – so schnell es ging hinaus. Wie eine Verrückte suchte ich jeden Zentimeter des Platzes ab, wobei sowohl ich, als auch Melody vollkommen durchnässt wurden. Aber es lohnte sich, denn am Ende hielt ich mein ebenfalls nasses Handy in der Hand. Schon auf dem Weg ins Haus versuchte ich es einzuschalten, aber der Bildschirm blieb schwarz.

I'm only me when I'm with you (Taylor Swift)Место, где живут истории. Откройте их для себя