Epilog - Slice of Life - A New Life

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Epilog

Obwohl Sheila der festen Überzeugung war, dass nichts mehr in ihr drin sein konnte, musste sie noch immer würgen. Jonathan hielt ihr Haar in ihrem Nacken zusammen und strich ihr sanft über den Rücken. Sie fühlte sich eklig und wünschte sich gleichzeitig, dass er wegging und bei ihr blieb. Sie würgte noch einmal, doch es kam nur noch Galle. Sie spülte das Ganze hinunter, stand mit wackligen Knien auf und ging zum Waschbecken, um sich den Mund auszuspülen. Seit vier Tagen ging das nun schon so, dass sie sich jeden Morgen die Seele aus dem Leib kotzte. Jonathan schien es noch schlimmer zu finden als sie selbst, denn er sah sie immer so hilfesuchend an, dass sie ihn am liebsten in den Arm genommen und getröstet hätte. „Geht es wieder?", fragte er und sie nickte. Sie fühlte sich zwar noch ein wenig wacklig, doch die Übelkeit hatte sich auf ein erträgliches Maß reduziert. „Ja, geht wieder", sagte sie, stellte den Wasserhahn ab und drehte sich zu ihm um. „Schon aufgeregt wegen heute Abend?", fragte er dann und sie nickte. Heute Abend war die Mitarbeiter-Vorführung, für die sie in der letzten Woche jeden Tag geprobt hatten. Auch ihr Bauch war gewachsen, doch wenn man nicht wusste, dass sie schwanger war, könnte man auch meinen, dass sie einfach so ein wenig zugenommen hatte. „Ich würde nur ganz gerne duschen gehen", sagte sie dann und sah ihn entschuldigend an. Er nickte und strich ihr das Haar hinters Ohr. „Gut, ich mache in der Zeit Frühstück", sagte er und ließ sie allein. Sheila wartete, bis seine Schritte nicht mehr zu hören waren, dann zog sie ihren Schlafanzug aus und ließ ihn achtlos auf den Boden fallen. Dann betrachtete sie sich im Spiegel. Nicht nur ihr Bauch war gewachsen, sondern auch ihre Brüste. Auch wenn Jonathan meinte, dass sie sich das nur einbildete und selbst wenn es so sein sollte, wäre das ganz normal, fühlte sie sich ein wenig unwohl. Seit sie als Kind mit dem Ballett angefangen hatte, war sie immer darauf bedacht gewesen, wie ihr Körper aussah. Doch nun veränderte er sich, ohne dass sie es beeinflussen konnte. Dieser Kontrollverlust machte ihr Angst, auch wenn es schwachsinnig war. Jede Frau veränderte sich durch eine Schwangerschaft, das war ganz normal. Und Jonathan war nicht so oberflächlich, dass es ihn stören würde. Sie löste ihren Blick von ihrem Spiegelbild und stieg unter die Dusche. Sie ließ das heiße Wasser auf ihre Haut prasseln, und versuchte, sich zu entspannen. Doch immer wieder wanderten ihre Gedanken an heute Abend. Es würde sicher toll werden und sie hatten so viel geprobt, dass gar nichts schief gehen konnte. Trotzdem war es ein aufregendes Gefühl, vor so vielen Leuten auf einer hell erleuchteten Bühne zu stehen. Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus, denn sie hatte Jonathan und ihrer restlichen Familie wieder Plätze ganz vorn organisiert, sodass sie Jonathan sehen konnte. Ihr Vater, Lisa, Jonas, Johnny und Oskar würden auch kommen, nur Matthias konnte nicht. Er war noch immer in der Klinik und obwohl heute ein Feiertag war, durfte er nicht in der Woche über Nacht woanders hin. Doch es war wichtiger, dass er die Therapie zu Ende machte und von seiner Sucht loskam. Nächste Woche war sie von seiner Ärztin zu einem Gespräch eingeladen worden, genau so wie Jonas und ihr Vater. Matthias meinte, dass er ihnen etwas Wichtiges sagen musste und Sheila zerbrach sich schon lange den Kopf darüber, was es sein könnte. Jonathan glaubte, dass er ihnen sagen wollte, dass er eine Veränderung brauchte. Vielleicht wollte er einen Neustart mit einem neuen Job oder so etwas. Immerhin würde er bei seiner Arbeit bei der Caritas oft mit Alkohol- und Drogenabhängigen zu tun haben. Doch Sheila versuchte, nicht zu viel darüber nachzudenken und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Sie duschte sich noch ein letztes Mal ab, dann stellte sie das Wasser ab, wickelte sich in ein Handtuch und kämmte ihre Haare. Inzwischen war ihr Ansatz schon mehr als deutlich zu sehen, doch Jonathan meinte, dass schwarze Haare ihr auch stehen würden. Allerdings waren sie nun eher eine Mischung aus pink und schwarz und das sah bescheuert aus. Doch abschneiden wollte sie sie auch nicht, denn dann würden sie ganz schön kurz werden. Sie wusste, dass Jonathan ihre langen Haare mochte und auch sie war daran gewöhnt. Sie trocknete sich ab und zog sich an, dann ging sie zu Jonathan ins Wohnzimmer, der gerade den Korb mit den Brötchen auf den Esstisch stellte. Als er sie bemerkte, lächelte er und zog ihr den Stuhl zurück. Sie setzte sich und griff nach einem Brötchen. Sie hatte unglaublichen Hunger und futterte in der letzten Zeit Unmengen. Doch es schmeckte ihr einfach zu gut und Jonathan meinte immer, dass sie ja jetzt für zwei essen müsste. „Hast du noch Lust, dich vor der Aufführung ein wenig abzulenken?", fragte er nach einer Weile und neugierig sah sie ihn an. „Klingt, als hättest du etwas vor?", fragte sie und er grinste. „Wir waren schon ewig nicht mehr Minigolf spielen", sagte er und sie lachte, denn damit hatte sie nicht gerechnet. Normalerweise wollte er immer nur Filme gucken oder Essen gehen. Doch sie hatten schon öfter Minigolf gespielt, eine der wenigen Dinge, in denen sie besser war als er. „Wenn du unbedingt verlieren willst", scherzte sie und er zog eine Schnute. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich beim letzten Mal gewonnen habe", sagte er, doch Sheila schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein", gab sie zurück, doch er wollte sie nur ärgern. „Und? Hast du Lust?", fragte er und sie nickte. „Ja, wieso eigentlich nicht?", antwortete sie schulterzuckend und biss genüsslich in ihr Brötchen.

Slice of Life - A New Life (in Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt