Kapitel 5 - Sheila

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Sheila wachte am nächsten Morgen von Jonathans Wecker auf und obwohl seine Decke raschelte, brauchte er eine Ewigkeit, bis er ihn endlich ausstellte. Er ließ sich wieder in die Kissen sinken, anstatt aufzustehen. Sheila stupste ihn am Rücken an, doch als Antwort bekam sie nur ein Grummeln. Offensichtlich war er noch müde, aber sie würde gleich aufstehen. 

Sie hatte heute zwar Abenddienst, also musste sie erst um 17 Uhr arbeiten, doch sie wollte vorher noch einiges erledigen. Außerdem könnte sie ihren Vater noch einmal besuchen.

Als sie an ihren Vater dachte, bekam sie ein schlechtes Gewissen. Normalerweise erzählte sie ihm alles, doch dass es mit dem schwanger werden nicht klappte, wusste er nicht. Beziehungsweise, sie hatte noch nicht mit ihm darüber gesprochen. Sie glaubte, dass er es schon irgendwie ahnte. Eigentlich musste sie ihm davon auch nicht wirklich etwas erzählen, immerhin war es sehr privat, doch gleichzeitig dachte sie, dass sie ihn so aus ihrem Leben ausschloss, was sie eigentlich nie tat. 

Motiviert und vorfreudig auf den Tag schlug sie die Decke zurück und stand auf. Jonathan gab ein leises Stöhnen von sich, erhob sich allerdings auch. Er blieb jedoch auf der Bettkante sitzen, die Hände neben sich abgestützt und warf ihr einen verschlafenen Blick zu. 

„Gut geschlafen?", fragte sie ihn und erwiderte seinen Blick. Sheila wurde wieder bewusst, wie süß er doch so verschlafen aussah. 

„Geht so", antwortete er nur, dann stand er mit einer schnellen Bewegung auf und kam die paar Schritte zu ihr an den Kleiderschrank. Sie spürte, wie er die Arme um sie schlang und den Kopf an ihrer Schulter vergrub. Sie erwiderte die Umarmung und drückte ihm einen Kuss auf Wange, doch dann machte sie sich von ihm los. 

„Hast du Lust, was frühstücken zu gehen?", fragte er und ein wenig verwundert sah sie ihn an. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie fragte, ob sie heute irgendetwas Schönes zusammen machen sollten. Vor allem nicht nach ihrem kleinen Streit gestern Abend. Doch sie hatte es ihm einfach sagen müssen, dass er sich albern benahm. 

Kurz überlegte sie, ob sie ihm absagen sollte, allerdings würde sie sich damit genau so albern benehmen wie er. Sie setzte ein Lächeln auf und nickte. 

„Okay, wieso nicht", antwortete sie und augenblicklich hellte sich seine Miene ein wenig auf. 

„Tut mir leid, dass ich in den letzten Tagen so schlecht gelaunt war", nuschelte er und verschränkte seine Fingern mit ihren. Offensichtlich hatte er wirklich ein schlechtes Gewissen und er wollte es wieder gut machen, was ihr Herz höher schlagen ließ. 

„Schon okay. Solange du nicht wieder Panikanfälle bekommst, ich würde dich verlassen", erwiderte sie und stupste ihn leicht gegen die Brust. Jonathan lachte leise, denn sicherlich war ihm klar, dass das nicht ganz ernst gemeint war. 

„Ich strenge mich an", gab er zurück, dann ließ er ihre Hand los und kramte im Schrank herum.

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Eine halbe Stunde später saßen sie frisch geduscht in seinem Auto. Wie meistens, wenn sie irgendwo zusammen hinfuhren, chauffierte er sie. Sheila mochte es, denn obwohl es ihr nichts ausmachte, selbst zu fahren, genoss sie die Aufmerksamkeit. 

Sie fuhren zu einem kleinen Café in der Nähe, wo sie schon ein paar Mal gefrühstückt hatten. Noch bevor sie die Tür öffnen konnte griff Jonathan nach der Klinke und hielt sie ihr auf. Sie lächelte ihn an, glücklich darüber, dass es ihm offensichtlich besser ging als gestern Abend. 

Sie setzten sich an den kleinen Tisch am Fenster, an dem sie meistens saßen, wenn sie hier waren. Jonathan streckte die Hand über dem Tisch nach ihr aus und schnell verschränkte sie ihre Finger mit seinen. Für eine Sekunde sah er ihr in die Augen, doch dann senkte er den Blick auf den Tisch. 

„An was denkst du?", fragte sie, obwohl sie es eigentlich schon wusste. In den letzten Wochen gab es nur ein Thema, das ihn zu beschäftigen schien. Anstatt zu antworten seufzte er und winkte ab. Sheila legte den Kopf schief. Obwohl sie ihrer Meinung nach schon mehr als einmal alles geklärt hatten, wollte sie ihm nicht das Gefühl geben, dass sie sich nicht dafür interessierte, wie es ihm ging. 

„Nun sag schon", forderte sie ihn auf und beinahe verlegen hob er wieder den Blick. Seine blauen Augen wirkten glasig und auf seiner Stirn hatte sich eine tiefe Falte gebildet. 

„Ich muss nur die ganze Zeit daran denken, was ist, wenn das Ergebnis beim Arzt nicht gut ausfällt", bestätigte er ihre Vermutung. Sheila strich in sanften Kreisen über seinen Handrücken. Eine Geste, die normalerweise er bei ihr machte, denn eigentlich musste er sie viel öfter beruhigen als sie ihn. 

„Ich glaube nicht, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und selbst wenn, dann bleibt es eben so, wie es jetzt ist. Zumindest ich bin auch mit uns beiden zu zweit ganz zufrieden", versuchte sie ihn aufzumuntern, doch er zuckte nur die Schultern. Keine Sekunde später schien er jedoch selbst zu bemerken, dass er schon wieder Trübsal blies und er zwang sich zu einem Lächeln. 

„Du hast ja recht. Beeinflussen kann ich es sowieso nicht. Ich stelle es mir nur so schön vor als richtige kleine Familie", sagte er, doch bevor sie noch etwas erwidern konnte, wurde ihnen von einer blonden Kellnerin ihr Frühstück gebracht. Sheila wartete, bis sie wieder verschwunden war, dann sah sie ihm tief in die Augen. 

„Ich fände es auch schön. Aber mach dich nicht verrückt, wenn es nicht klappt. Das ist nicht das Ende der Welt", sagte sie ernst, woraufhin er nickte. 

„Na gut. Lass uns über etwas anderes reden", lenkte er dann ab, während er sich ein Brötchen aus dem Korb zwischen ihnen nahm. 

„Okay. Zum Beispiel deinen Geburtstag?", schlug sie vor und ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen. Jonathan würde in etwas mehr als zwei Wochen einunddreißig werden und vor ein paar Tagen hatte er vorgeschlagen, dass sie ein paar Freunde zu sich einladen könnten. Obwohl er erst Mitte März war, heizte die Sonne schon kräftig ein und sie würden sogar im Garten sitzen können, wenn es so blieb. 

„Ich bin so alt", lachte er, dann biss er genüsslich in sein Brötchen. Sheila kicherte. 

„Haben normalerweise nicht nur Frauen ein Problem damit, älter als 29 zu werden?", fragte sie und wenn sie ehrlich war, fühlte es sich doch etwas komisch an, dass sie selbst schon Anfang des Monats dreißig geworden war. 

„Ich habe kein Problem", widersprach er und erwiderte ihr Grinsen. 

„Na gut. Aber hast du dir inzwischen Gedanken gemacht, ob du nicht ein paar Leute einladen willst?", fragte sie weiter. An seinem Blick sah sie, dass er sich nach seiner Idee noch nicht weiter damit beschäftigt hatte. 

„Ja, wieso eigentlich nicht. Wir könnten vielleicht grillen, wenn das Wetter so bleibt", schlug er vor und Sheila nickte. 

„Klingt gut. Du könntest dir in den nächsten Tagen überlegen, wen du so alles einladen willst", fuhr sie fort und nun war er es, der nickte. 

„Mach ich", versicherte er und sie hoffte, dass er sich so ein wenig von seinem Arzttermin ablenken konnte. 

Slice of Life - A New Life (in Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt