Kapitel 82 - Slice of Life - A New Life

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Jonathan lag auf dem Bett, die Decke über dem Kopf und fühlte sich wie betäubt. Er konnte sich sein Verhalten ja selbst nicht so wirklich erklären. Doch Sheilas Geständnis, dass sie eifersüchtig war, hatte ihn mehr verletzt, als er ihr gesagt hatte. Seit sie ein Paar waren hatte er noch nicht einmal einen Gedanken an eine andere Frau verschwendet. Ganz anders als sie offensichtlich, wenn er so an das dachte, was sie heimlich aufschrieb. Es ärgerte ihn, dass sie noch immer an ihn dachte. Vor allem dass sie sich noch... romantische Dinge mit ihm vorstellen konnte. Hatte sie vergessen, was er ihr alles angetan hatte? Jonathan spürte, wie neue Wut in ihm aufkochte. Sie erzählte ihm etwas von Eifersucht, dabei war er immer ehrlich zu ihr gewesen und hatte niemals auch nur eine Andeutung gemacht. Sie hingegen hatte Ville geküsst, als sie schon zusammen gewesen waren. Wütend boxte er in ihr Kissen, doch es brachte nicht wirklich etwas. Er spürte den Drang, irgendetwas kaputt zu machen, denn sonst drehte er noch durch. Er wusste doch eigentlich, dass Sheila ihm treu war und er wusste auch, dass sie ihn wirklich liebte, doch irgendetwas schien zwischen ihnen zu stehen. Vielleicht lag es auch an ihm, denn er musste zugeben, dass er wirklich oft wütend wurde. Doch es lief doch im Moment wirklich beschissen. Seine Arbeit stagnierte, auch ohne seine Zwangspause. Zwar hatte Darrens Werbung einiges gebracht, doch es fühlte sich nicht so an, als wäre es sein eigener Erfolg. Auch das war auf Sheilas Mist gewachsen. Es nervte ihn einfach so viel im Moment, diese Sache mit ihrem Bruder und dass sie ständig mit jemandem über ihre Probleme reden wollte. Er war sich sicher, dass sie Johnny alles erzählt hatte. Es ärgerte ihn, dass er nicht derjenige war, mit dem sie sprach. Doch das Schlimmste für ihn war, dass Sheila wirklich glaubte, dass er sie sitzen lassen würde und sie mit ihrem Kind allein lassen würde. Wie kam sie nur auf diesen Gedanken? Irgendwie hatte er das Gefühl, dass es sie nicht beruhigte auch wenn er ihr hundert Mal versicherte, dass er es nicht tun würde. Doch es schien egal zu sein, was er sagte, sie machte sich weiterhin die gleichen Sorgen und das war frustrierend. Sicher, er sollte es nicht so an ihr auslassen, doch sie war nun mal diejenige, die da war. Und da fragte sie ihn noch allen Ernstes, ob er sie durch sein Verhalten dazu bringen wollte, Schluss mit ihm zu machen. Jonathan biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. Er fühlte sich missverstanden und gleichzeitig wusste er nicht, wie er seinen Frust abbauen sollte, ohne ihr wehzutun. Denn das hatte er eindeutig, in ihren Augen war der Schmerz unübersehbar gewesen. Frustriert schleuderte er die Decke weg und stand auf. Er hielt es nicht mehr aus, hier herum zu liegen. Sheila war zu ihrem Vater gegangen und sie war schon lange genug weg, dass er sicher sein konnte, dass sich nicht mehr zurückkam. Er ging nach unten und beschloss, in sein Studio zu gehen. Sheila hatte sich gar nicht alle Mails von Karima angesehen und er selbst hatte es auch nicht vor, aber er wollte sie zumindest löschen und ihre neue Mailadresse ebenfalls blockieren. Jonathan marschierte zum Studio und setzte sie wieder an seinen Computer. Schon als er das Mailprogramm öffnete sah er, dass Karima ihm noch mehr geschrieben hatte. Er verschob alles in den Papierkorb, ohne es zu lesen, dann löschte er es endgültig, indem er den Papierkorb leerte. Sheila würde das mit Sicherheit nicht gefallen, das das war ihm egal. Er versuchte, noch ein wenig zu arbeiten, doch es gelang ihm nicht, sich zu konzentrieren. Immer wieder dachte er an Sheila und hörte ihre Stimme, wie sie ihn fragte, ob er wollte, dass sie Schluss machte. Er legte die Stirn auf den Tisch und schloss die Augen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Er sollte sich freuen und sie wie eine Königin behandeln, immerhin trug sie sein Kind in sich. Stattdessen beschimpfte er sie. Doch in diesem Moment waren das seine Gefühle gewesen und sie wollte doch immer wissen, wie er sich fühlte und was er dachte. Ein Surren in seinem Kopf ließ ihn zusammenzucken, doch es war nur sein Handy, das vibrierte. Er hatte es auf den Tisch gelegt und schnell warf er einen Blick darauf. Er hatte eine Nachricht erhalten und kurz glaubte er, dass es Sheila sein musste, doch er irrte sich. Sie war von Leonard. „Hey, wie geht es euch? Hast du nicht Lust, noch einmal vorbeizukommen, wenn Sheila arbeitet? Ich könnte auch zu dir kommen", schrieb er, doch Jonathan zögerte. Aus Erfahrung wusste er, dass es half, jemand Unbeteiligtem sein Herz auszuschütten, doch gleichzeitig wollte er sich nicht ausgerechnet Leonard anvertrauen. Er war einfach nicht der Typ, mit dem man über ernste Themen sprechen konnte. Jonathan warf noch einen Blick auf seinen Computer und zumindest in den letzten Minuten war keine neue Mail von Karima eingetroffen. Vielleicht hatte sie eingesehen, dass es sinnlos war, ihm weiter zu schreiben. Er seufzte, doch dann antwortete er Leonard, dass er zu ihm kommen würde. Es wäre besser, wenn er nicht da war, wenn Sheila von ihrem Vater nach Hause kam. Denn mit Sicherheit würde sie reden wollen und heute hatte er keine Lust mehr darauf. Keine Minute später kam eine Nachricht von Leonard. „Ich bin noch auf der Arbeit, aber ich kann gegen zwei Uhr Feierabend machen, dann wäre ich gegen halb drei zu Hause", schrieb er. Jonathan warf einen Blick auf die Uhr. Es war erst kurz nach eins. Trotzdem stand er auf und wollte sich auf den Weg machen. Ganz in der Nähe von Leonards Wohnung war ein Einkaufszentrum und vielleicht könnte er ein bisschen durch die Läden schlendern und sich so ablenken. Eigentlich machte er so etwas immer nur mit Sheila zusammen, doch er hatte im Moment nichts besseres zu tun. Er lief zurück nach Hause, schnappte sich seine Autoschlüssel und setzte sich in sein Auto. Obwohl seine Hand noch nicht ganz verheilt war, fuhr er los. Es würde schon nicht so schlimm sein und außerdem war er viel zu aufgebracht, um nur herum zu sitzen. Jonathan schaltete die Musik ein und drehte sie auf volle Lautstärke, dann fuhr er viel zu schnell in Richtung seiner alten Wohnung, in der nun Leonard wohnte. Er parkte seinen Wagen vor Leonards Wohnung und ging zu Fuß zurück zum Einkaufszentrum. Die Bewegung tat ihm gut und er beschleunigte die Schritte, bis er ein wenig außer Atem war. Er erreichte das Einkaufszentrum und ging hinein. Es war noch recht leer, immerhin arbeiteten die meisten Leute um diese Zeit und er lief alle Gänge entlang und sah sich die Schaufenster an. Ziemlich häufig wurde er daran erinnert, wie er hier etwas für Sheila gekauft hatte oder dort mit ihr gemeinsam einkaufen war. Es war schrecklich, ständig an sie erinnert zu werden, wo er sich doch in diesem Moment von ihr ablenken wollte. Nachdem er alles einmal abgegangen war, holte er sich in einer Bäckerei einen Kaffee und setzte sich damit auf einer der Bänke im Gang. Er beobachtete eine Weile die vorbeilaufenden Leute, doch nach einer Weile spürte er, wie sein Handy in seiner Hosentasche summte. Er zog es heraus und warf einen Blick auf das Display. Sheila rief ihn an, doch er entschied sich, den Anruf nicht entgegen zu nehmen. Genau davor war er doch geflohen, er wollte nicht mehr ihr sprechen. Er wartete, bis sie auflegte, doch er hielt sein Handy weiter in der Hand und wartete auf die Nachricht, die sie ihm einhundert prozentig schreiben würde. Keine halbe Minute später traf sie ein. Obwohl er sich verraten würde, wenn er die Nachricht las, klickte er sie an. Sie würde sehen, dass er sie gelesen hatte und dafür ihren Anruf ignoriert hatte. Doch es war ihm egal. Er würde ja heute Nacht, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, wieder da sein. „Wo bist du?", schrieb sie nur, doch er entschied sich, ihr heute nicht mehr zu antworten. Sollte sie sich nur schlecht fühlen dafür, dass sie ihn gefragt hatte, ob er wollte, dass sie Schluss mit ihm machte. Er stellte sein Handy auf lautlos und schob es zurück in seine Hosentasche, dann trank er den letzten Schluck Kaffee aus seinem Pappbecher und warf ihn in den Mülleimer neben der Bank. Dann stand er auf und schlenderte in Richtung Leonards Wohnung. Zwar würde er einige Minuten zu früh sein, doch dann würde er eben warten und Sheilas Nachrichten lesen. Irgendwie spürte er, dass sie ihm noch mehr Nachrichten geschrieben hatte. Jonathan beschloss, sich in sein Auto zu setzen und dort zu warten, bis Leonard nach Hause kam. Er zog sein Handy aus seiner Hosentasche und klickte auf ihre Nachrichten. Wie erwartet hatte sie ihm noch zwei geschrieben. Obwohl sein Herzschlag sich beschleunigte, würde er ihr nicht antworten. „Geht es dir gut oder muss ich mir Sorgen machen? Ich meine es ernst, du könntest mir wenigstens Bescheid sagen, wo du bist", schrieb sie und er wusste, dass sie sauer auf ihn war. Er scrollte weiter nach unten zu ihrer nächsten Nachricht. „Okay, anscheinend willst du mich ignorieren. Ich bin ja auch eine Idiotin und eine Heuchlerin, dann ist das wohl in Ordnung schätze ich", schrieb sie weiter. Sie war auf jeden Fall sauer auf ihn, doch irgendwie fühlte sich das gut an. Er war nämlich auch sauer, zwar nicht direkt auf sie, sondern auf alles und jeden. Er legte sein Handy neben sich auf den Beifahrersitz und starrte ins Leere, bis er Leonard vorbeikommen sah. Offensichtlich hatte er ihn nicht bemerkt, denn er marschierte zu seiner Haustür. Jonathan beeilte sich auszusteigen und lief ihm hinterher. „Hey", rief er und erschrocken drehte Leonard sich um. „Wo kommst du denn auf einmal her?", begrüßte er ihn, doch dann hielt er ihm die Hand hin. Jonathan schlug ein, dann folgte er ihm nach oben. „Wie geht es deiner Hand?", fragte Leonard und machte eine Kopfbewegung auf seinen Gips. „Es nervt eigentlich nur noch", gab er zurück und ließ sich mit einem Seufzen aufs Sofa fallen. Leonard verschwand im Schlafzimmer und als er zurückkam, hatte er sein Hemd gegen ein einfaches T-Shirt getauscht. „Willst du was trinken?", fragte er, doch Jonathan schüttelte den Kopf. Erst da bemerkte er, dass er heute bis auf das Frühstück noch nichts gegessen hatte. „Wir könnten was zu Essen bestellen", schlug er vor und Leonard nickte. „Klar, wieso nicht", erwiderte er, doch dann lehnte er sich mit einem Seufzen in die Kissen zurück. „Was ist?", wollte Jonathan wissen und erst als er es ausgesprochen hatte bemerkte er, wie verbittert er klang. Leonard warf ihm einen argwöhnischen Blick zu und zog eine Augenbraue hoch. „Ich dachte, ich erzähle dir von dem Date mit Esra, aber anscheinend brauchst du mal jemanden zum Reden", erwiderte er und erst da fiel Jonathan wieder ein, dass Leonard sich im Moment mit Esra traf. Er war so unaufmerksam in letzter Zeit. „Nein, erzähl ruhig", forderte er ihn auf, doch Leonard betrachtete ihn noch eine Weile. Schließlich seufzte er wieder, kratzte sich an der Stirn und senkte dann den Blick. „Es war nicht so, dass wir uns nicht gut verstanden hätten, aber sie meint, dass es nichts Ernstes werden wird", berichtete er und sah wirklich geknickt aus. „Das tut mir leid. Hat sie gesagt, warum nicht?", hakte er nach, doch Leonard zog die Schultern hoch. „Das Übliche. Ich wäre ein guter Kumpel, aber mehr nicht. Dabei... naja, ich weiß nicht, wie viel Sheila dir erzählt hat, denn ich weiß, dass Esra es ihr erzählt hat. Was ich sagen will: Bei unserem Treffen davor hat sie ganz andere Signale geschickt. Wir waren im Bett und sie hat wirklich glücklich gewirkt und dann hat sie es sich anscheinend anders überlegt", erklärte er dann und Leonard tat ihm ein wenig Leid. Er hatte schon oft Dates gehabt, doch nie war etwas Ernstes daraus geworden. „Tut mir leid", sagte er, doch Leonard lachte tonlos. „Mir auch", gab er zurück, doch dann sah er ihn eindringlich an. „Aber ich sehe dir an, dass dir auch etwas leid tut. Was ist schon wieder los bei euch?", fragte er und Jonathan sah ihn entsetzt an. „Was heißt denn schon wieder?", hakte er nach, doch Leonard sah verwirrt aus. „Naja, du machst in den letzten Wochen nicht gerade den Eindruck, als ob alles in Ordnung wäre", sagte er, doch Jonathan schnaubte nur. „Keine Ahnung. Ist auch egal", winkte er ab, denn er wollte nicht mit Leonard darüber reden. Er konnte es sich selbst ja noch nicht einmal richtig erklären. „Trennt ihr euch?", fragte Leonard dann, was Jonathan erschrocken den Kopf herumreißen ließ. „Nein, wie kommst du darauf?", empörte er sich, denn er hatte nie wirklich darüber nachgedacht, Sheila zu verlassen. Er war zwar frustriert, doch er wollte mit ihr zusammenbleiben. „Anscheinend bist du unglücklich und ihr streitet euch viel. Ich will dir zu nichts raten, aber...", sagte Leonard und beendete den Satz mit einem Schulterzucken. Jonathan fühlte sich, als hätte ihm jemand einen eiskalten Eimer Wasser über den Kopf geschüttet. Wenn sogar schon Außenstehende den Eindruck hatten, dass etwas zwischen ihnen nicht in Ordnung war, musste es doch wirklich ernst sein, oder? „Ich bin nur frustriert und die reizt mich. Das ist alles. Ich weiß, sie meint es nicht so, aber sie sagt ständig Dinge, die mich nerven oder mich verletzen und ich reagiere nicht immer fair ihr gegenüber. Ich bin eigentlich ziemlich gemein", gab er dann doch zu und musste an ihre letzte Nachricht denken. Er verletzte sie und ihm war klar, dass es so nicht ewig weiter gehen konnte. „Warum sagst du gemeine Dinge zu ihr?", fragte Leonard, doch Jonathan warf ihm einen genervten Blick zu. „Keine Ahnung. Es kommt einfach aus meinem Mund", fuhr er ihn an, woraufhin Leonard abwehrend die Hände hob. „Ist ja gut. Ich glaube es wird Zeit für eine Pizza. Oder besser ein Snickers", sagte Leonard, dann lachte er leise über seinen eigenen Witz. Jonathan klatschte sich die Hand gegen die Stirn, doch dann musste auch er lachen. „Aber mal im Ernst. Reiß dich zusammen. Sheila ist eine tolle Frau und ich weiß, dass sie dich liebt. Versau es nicht, nur weil du frustriert bist. Nimm die dann lieber ein paar Tage Auszeit", riet Leonard ihm, dann schnappte er sich sein Handy und wählte die Nummer des Lieferdienstes. „Du nimmst Hawaii?", fragte er und Jonathan nickte. Dann zog er sein Handy wieder aus der Hosentasche, denn irgendwie konnte er es auch nicht lassen, nachzusehen, ob sie ihm noch einmal geschrieben hatte. Er hatte einen verpassten Anruf und eine weitere Nachricht, die er anklickte. „Bitte melde dich kurz. Ich muss wissen, was du zu meiner Frage von vorhin sagst. Ob du willst, dass ich Schluss mache. Denn wenn du willst, dass es vorbei ist, dann sag es mir", schrieb sie. Jonathan schluckte schwer. „Schreibt sie dir?", fragte Leonard und warf einen neugierigen Blick auf Jonathans Handy. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er die Pizza schon bestellt hatte, doch seufzend hielt er ihr das Handy hin. „Autsch. Wenn du ihr nicht antwortest, wird sie es so verstehen, dass du dich wirklich trennen willst. Antworte ihr", sagte Leonard ernst. Jonathan zögerte. „Wenn du es nicht machst, dann tu ich es. Du hast mir eben gesagt, du willst dich nicht trennen und du solltest sie nicht in dem Glauben lassen, dass du es willst. Das hat sie nicht verdient", sagte Leonard, woraufhin Jonathan das Textfeld anklickte. Wahrscheinlich sah er es als Chance, sich an sie heranzumachen, wo es mit Esra nicht geklappt hatte. „Okay, ich antworte ihr. Aber dann will ich über etwas anderes reden", sagte er streng, rutschte dann aber ein Stück von Leonard weg, damit er nicht mitlas. „Ich will nicht, dass Schluss zwischen uns ist. Aber vielleicht brauche ich mal eine Auszeit. Ich bin nur noch frustriert und lasse das an dir aus und das ist falsch. Lass und doch morgen oder heute Abend nach deiner Arbeit darüber reden", schrieb er, obwohl er eigentlich gar keine Lust hatte, mit ihr noch einmal über Gefühle und den ganzen Kram zu reden. Er sah, dass sie noch eine Antwort tippte, doch er legte sein Handy auf den kleinen Couchtisch vor sich. Hoffentlich konnte sie ihn verstehen und machte kein Drama daraus. 

Slice of Life - A New Life (in Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt