Kapitel 124 - Slice of Life - A New Life

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Jonathan fühlte sich seit Langem wieder richtig zufrieden mit sich. Wie viel zwei Tage bei seinen Eltern und ein Gespräch mit Laura doch bringen konnten. Er hatte schon am Vormittag viel geschafft, doch sein selbst auferlegter Zeitplan war stramm. Doch das machte ihm nichts aus. Vor seiner Krise hatte er immer viel gearbeitet und in den letzten Jahren hatte es sich doch ausgezahlt. Zwar war er gerade an einer Art Wendepunkt, an der er sich von den Covern abwandte, die zwar gutes Geld einbrachten, ihn aber innerlich verkümmern ließen. Allerdings war ihm klar geworden, dass er nicht gänzlich darauf verzichten konnte, vor allem nicht jetzt, da Sheila schwanger war. Bei dem Gedanken daran wurde ihm warm ums Herz. Er freute sich schon darauf, ihren Bauch wachsen zu sehen und er würde ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Zumindest würde er es versuchen. Er beendete seine Aufnahme so weit, dass er eine kurze Pause einlegen konnte und machte sich auf den Weg nach Hause, um mit Sheila zu Mittag zu essen. Obwohl es eher alltäglich war, erfüllte es ihn mit Glück, denn vor ein paar Wochen hatten sie diesen Alltag verloren. Ihm war klar, dass es nur an ihm gelegen hatte, doch er war froh, dass wieder alles so war wie bisher. Er beeilte sich, nach Hause zu kommen und gerade als er die Tür aufschließen wollte, öffnete Sheila sie und strahlte ihn an. Ihre Wangen waren gerötet und über ihrer Schulter hing ein Küchenhandtuch, doch ihre Augen funkelten. „Hey", sagte er und ging an ihr vorbei ins Haus. „Mein Bruder hat angerufen", sagte sie dann und sofort wurde er hellhörig. Immerhin war er genau so wie er selbst etwas neben der Spur gewesen. „Und?", fragte er nach und musterte sie, doch sie schien ziemlich gut gelaunt zu sein. „Es geht ihm soweit gut und er kann am Sonntag zu Maxims Geburtstag kommen", berichtete sie und Jonathan streckte den Daumen nach oben. „Das sind doch gute Neuigkeiten. War er wieder etwas netter zu dir?", wollte er wissen und folgte Sheila dann ins die Küche, wo es köstlich duftete. „Ja, er hat sich entschuldigt, dass er sich wie ein Trottel benommen hat", fuhr sie fort und Jonathan nickte. „Wurde auch mal Zeit", sagte er, doch er musste an sich selbst denken und wie fies er zu ihr gewesen war. Sheila rührte noch einmal im Topf auf dem Herd herum, dann nahm sie den Topf und balancierte ihn zum Tisch. Jonathan setzte sich und griff nach einem Stück Fladenbrot, das schon auf dem Tisch stand und biss hinein. Sheila setzte sich ihm gegenüber und hielt ihm die Kelle hin, damit er sich auftat. Er gehorchte, doch dann streckte er die Hand nach ihrem Teller aus. Verwundert reichte sie ihn, doch die kleine Aufmerksamkeit schien sie zu freuen. „Ich habe versucht es so hinzubekommen wie meine Oma, aber ich glaube es hat nicht ganz geklappt", sagte sie, doch Jonathan winkte ab. „Wenn es so gut schmeckt wie es riecht hast du alles richtig gemacht", sagte er und probierte einen Löffel. Wie erwartet schmeckte es wirklich gut. „Schmeckt gut", sagte er und sie senkte verlegen den Blick. „Ich wollte dich da noch was fragen", sagte sie dann und sah ihn vorsichtig an. Fragend erwiderte er den Blick und wartete, bis sie weitersprach. Sie wand sich ein wenig, doch dann straffte sie die Schultern. „Bist du glücklich, wo wie es jetzt zwischen uns ist?", fragte sie und schien es vollkommen ernst zu meinen. Er suchte nach irgendeiner Fangfrage, doch sie schien einfach nur wissen zu wollen, wie es ihm ging. „Ja, sehr sogar", antwortete er ehrlich, woraufhin ihre Mundwinkel zuckten. Sie wandte sich wieder dem Essen zu, doch sie schien über etwas nachzudenken. „An was denkst du?", wollte er wissen, doch sie grinste nur verlegen. Sie schien nicht so recht mit der Sprache herausrücken zu wollen, doch dann schluckte sie und schob sich das Haar hinters Ohr. „Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich viel zu sehr an meine Gefühle denke und dabei vergesse, wie es dir geht", sagte sie dann, doch sofort schüttelte er den Kopf. Wollte sie damit sagen, dass sie sich selbst egoistisch fand? Denn das war sie auf keinen Fall. „Das ist Blödsinn. Du machst schon alles genau richtig", erwiderte er, doch sie lachte. „Niemand macht alles richtig", widersprach sie und klang traurig dabei. Er streckte die Hand über dem Tisch nach ihrer aus. Zögerlich schob sie ihre Hand unter seine und er drückte sie sanft. „Stimmt. Du hast mir viel zu schnell alles vergeben. Nicht, dass ich mich beschweren will... aber stell dich schon mal auf jede Menge Wiedergutmachungen ein", versuchte er sie wieder aufzumuntern und tatsächlich kicherte sie. „Klingt wie etwas, wo man sich drauf freuen kann", gab sie zurück, doch er zuckte nur verschwörerisch die Schultern. „Das habe ich vermisst", sagte sie dann, doch er wusste nicht so recht, was sie meinte und sah sie verwirrt an. „Deine lockere Art. Dass du so gut gelaunt bist und mich zum Lachen bringst", erklärte sie, grinste und schob sich dann einen weiteren Bissen Essen in den Mund. Jonathan spürte, wie ihm die Brust eng wurde, denn wenn er ehrlich war, hatte er auch genau das vermisst. Dass sie wieder so locker und unbesorgt miteinander umgehen konnten. Dass jeder das sagen konnte, was ihm gerade in den Sinn kam, ohne befürchten zu müssen, dass der Andere ausflippte. „Ich verspreche dir, dass es so bleibt", sagte er vollkommen ernst und sie nickte. „Das hoffe ich", gab sie zurück, doch dann lachte sie. „Weißt du, was mir da gerade einfällt?", fragte sie, doch er schüttelte den Kopf. „Was denn?", wollte er wissen, doch sie grinste noch eine Weile in sich hinein. „Was hat der Arzt eigentlich dazu gesagt, dass dein Gips so schlimm aussah?", fragte sie und er lachte nun ebenfalls. „Du meinst, warum er so aussah als wäre man mitten in der Nacht mit seiner ziemlich heißen Frau in die Nordsee spaziert?", lachte er und Sheila nickte. „Genau", gab sie zurück, dann kicherten sie beide und er wusste, dass auch ihr bei dem Gedanken an ihren Ausflug ins Ferienhaus warm ums Herz wurde.

Nach dem Essen verabschiedete er sich von ihr und machte sich wieder auf den Weg ins Studio. Sheila wollte vor der Arbeit noch ein wenig aufräumen und putzen und da wäre er ihr sowieso nur im Weg. Zumindest sagte sie das immer. Doch er war gar nicht böse darum, denn ihm fielen auf Anhieb zehn Dinge ein, die er lieber machte als Putzen. Gemütlich schlenderte er die Straße entlang bis zu seinem Studio und wollte gerade die Tür aufschließen, als ihm ein Zettel auffiel. Jemand hatte ihn zwischen Tür und Rahmen geklemmt und er flatterte im Wind. Er zog ihn aus dem Spalt, ging ins Studio und setzte sich auf die graue Couch. Von Sheila konnte der Zettel nicht sein, denn als er vorhin nach Hause gegangen war, hatte er ziemlich sicher noch nicht an der Tür geklemmt. Neugierig und doch auch etwas beunruhigt faltete er ihn auseinander und las den kurzen Text. Die krakelige Handschrift war kaum zu entziffern. „Tut mir leid, dass ich es so umständlich mache, aber so erfährt Sheila es nicht. Ich weiß ja nicht, ob sie dein Handy durchsucht oder so. Ville kommt heute Nachmittag um drei Uhr mit seinem Bewährungshelfer zu mir. Vielleicht lenkst du Sheila in der Zeit etwas ab, damit sie ihn nicht zufällig sieht", stand da und es war klar, dass der Zettel von Oskar war. Jonathan schluckte und war ihm dankbar für diese Warnung, doch es war auch ein wenig albern. Es machte Sheila doch nichts mehr aus, ihn zu sehen, oder? Schnell warf er einen Blick auf die Uhr und stellte erleichtert fest, dass es erst kurz nach zwei war. Er mochte diese Geheimniskrämerei nicht, mit der Oskar sich anscheinend ganz gerne umgab und er entschied sich, Sheila einfach Bescheid zu geben. Obwohl er gerade erst gekommen war, machte er sich wieder auf den Weg nach Hause. Als er die Tür öffnete hörte er den Staubsauger und er folgte dem Geräusch ins Wohnzimmer. Sheila bemerkte ihn erst nicht und als er winkte, um auf sich aufmerksam zu machen, zuckte sie zusammen. Sie schaltete den Staubsauger aus und sah ihn überrascht an. „Was vergessen?", fragte sie, doch er schüttelte den Kopf und hielt ihr den Zettel hin. Sie zog verwirrt die Augenbrauen zusammen, doch sie legte das Staubsaugerrohr auf dem Boden ab und nahm ihn entgegen. „Was ist das?", fragte sie ihn, während sie das Blatt auseinander faltete. „Klemmte an der Tür vom Studio", antwortete und beobachtete, wie ihre Augen über die Zeilen flogen. Nachdem sie es gelesen hatte, ließ sie die Arme langsam sinken und sah ihn hilfesuchend an. Obwohl er sich eben noch sicher gewesen war, dass es ihr nichts ausmachte, wenn Ville neben an bei Oskar zu Besuch war, ließ ihr Blick ihn doch zweifeln. „Was denkst du darüber? Sollen wir...", setzte er an, doch sie hob die Hand und unterbrach ihn so. „Nein, es ist schon okay. Ich weiß nicht, warum Oskar immer noch denkt, dass ich es nicht ertragen kann, ihn zu sehen. Falls ich ihn überhaupt sehe. Ich bleibe einfach hier drin und mache nicht dir Tür auf, sollte er klingeln", sagte sie schulterzuckend und hielt ihm den Zettel wieder hin. Er nahm ihn und warf ihn auf den Esstisch neben sich. „Ich könnte auch bei dir bleiben, bis du zur Arbeit fährst", schlug er vor, doch sie schüttelte vehement den Kopf. „Nein, du musst doch arbeiten. Geh schon, es ist okay", sagte sie, trat einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange. Er suchte in ihrem Blick nach irgendetwas, das sie als Lügnerin entlarvte, doch er fand nichts. „Na gut, aber wenn etwas ist, ruf mich sofort an", sagte er ernst, doch sie verdrehte die Augen. „Oskar denkt, ich bin noch nicht über ihn hinweg und bekomme einen Nervenzusammenbruch, wenn ich ihn sehe. Aber das wird nicht passieren. Er interessiert mich nicht mehr", sagte sie, strich ihm noch einmal über die Wange und hob dann wieder das Staubsaugerrohr auf. Obwohl er sich Sorgen um sie machte, wirkte sie nicht, als wäre es angebracht. Es schien ihr überhaupt nichts auszumachen. Jonathan wusste, dass er etwas überempfindlich reagierte, wenn es um Ville ging, doch er musste ihr da vertrauen. „Gut, dann pass auf dich auf. Wir sehen uns nachher", sagte er noch, warf ihr eine Kusshand zu und verschwand wieder. 

Slice of Life - A New Life (in Überarbeitung)Where stories live. Discover now