Kapitel 51 - Sheila

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Obwohl Sheila es wirklich versuchte zu lassen, dachte sie die ganze Zeit an Ville. Komischerweise sah sie nicht mehr wie noch vor einiger Zeit den wütenden Ville vor sich, der seine Hände um ihren Hals legte, sondern auf einmal musste sie an den glücklichen Ville denken. 

Auch wenn es ihr lange nicht so vorgekommen war, hatten sie auch gute Zeiten in ihrer Beziehung gehabt. Nicht immer war er drogenabhängig und gewalttätig gewesen. Sie drängte den Gedanken an seine braunen Augen und sein Lächeln beiseite, doch immer wieder schlich er sich in ihr Hirn.

Als sie gestern von Oskar erfahren hatte, dass er ihn bei sich übernachten lassen wollte, hatte sie zunächst alles andere als positive Gefühle dabei gehabt. Doch je mehr Zeit verging, desto mehr wollte sie ihm eine Chance geben, dass sie zumindest einigermaßen miteinander auskamen. Dass sie sich nett Hallo sagen konnten, wenn sie sich beim Müll rausbringen trafen und so etwas. Denn sie wusste, dass er nicht wegziehen würde. Er konnte nicht dauerhaft bei Oskar und Johnny einziehen, doch er würde sich sicherlich eine Wohnung in der Nähe suchen. 

Sheila zwang sich zur Konzentration, bevor sie noch einen Unfall baute. Dennoch war ihr klar, dass sie Jonathan nicht sagen würde, dass sie versuchen wollte, ein gutes Verhältnis zu Ville aufzubauen, anstatt ständig Streit mit ihm zu haben. Denn sie wusste, wie er war. Wenn er spürte, dass es sie ärgerte, würde er mit Absicht weitermachen. Auch wenn sie ihm am Telefon deutlich gesagt hatte, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, war sie sich da auf einmal gar nicht mehr so sicher. 

Er war Teil ihres Lebens, seit sie mit sechs Jahren nach Deutschland gekommen war und auch wenn es mit einer Beziehung zwischen ihnen nicht klappte, musste man doch nicht direkt den Kontakt abbrechen. 

Sheila schüttelte den Kopf und schaffte es, den restlichen Weg zum Varieté ohne Gedanken an Ville zu fahren. Trotzdem schrieb sie eine kurze Nachricht an Oskar. Wenn einer ihr bei ihrer Verwirrung helfen konnte, dann war er es. Sie beschloss ihn zu fragen, ob sie nach der Arbeit noch kurz vorbeikommen konnte. Jonathan würde sie nachher Bescheid sagen, er würde mit Sicherheit nichts dagegen haben. Noch bevor sie eine Antwort von Oskar bekommen hatte, schob sie ihr Handy zurück in ihre Handtasche und stieg aus. 

„Sheila!", riss sie eine Stimme aus ihren Gedanken und beinahe erschrocken wandte sie sich um. Einige Meter von ihr entfernt kam Miriam auf sie zu. Sie winkte und Sheila blieb stehen, um auf sie zu warten. 

„Hi", sagte Sheila, als Miriam zu ihr aufgeschlossen hatte und gemeinsam gingen sie den roten Teppich entlang zum Eingang des Varieté. 

„Wie geht es dir?", fragte Miriam sie und Sheila nickte. 

„Ganz gut", sagte sie und lächelte. 

„Und dir?", fügte sie dann noch hinzu, doch Miriam seufzte. 

„Ach, ich kann mich nicht beschweren. Ich wollte dich nur etwas fragen", sagte sie und senkte den Blick auf ihre Hände. 

„Klar, was gibt es denn?", hakte Sheila nach, während sie den Eingangsbereich des Varieté betraten. 

„Es geht um die Mitarbeiter-Vorführung. Ich glaube, ich pack das mit dem Tanzen nicht. Karim und Daniel sind viel besser als ich", seufzte sie. Sheila war klar, dass Miriam sich durchaus bewusst war, dass zumindest der Tanz professioneller aussehen würde, wenn sie anstelle von Miriam tanzen würde. Doch das würde sie ihr nicht noch unter die Nase reiben. Sie veranstalteten diese Vorführung nicht, um eine professionelle Tanznummer auf die Beine zu stellen, sondern um Spaß zu haben. 

„Das macht doch nichts. Wir haben ja noch Zeit zum Üben", versuchte Sheila sie aufzumuntern, doch Miriam winkte ab. 

„Nein, ich will, dass du mich ersetzt. Ich halte euch so nur auf", sagte sie bestimmt und sah Sheila so eindringlich in die Augen, dass sie sich ein wenig unbehaglich fühlte. 

Slice of Life - A New Life (in Überarbeitung)Where stories live. Discover now