25. Kapitel - Überlegungen

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Das Hauptquartier des Bundes der Zeitreisenden – jenseits von Zeit und Raum

Aufmerksam las Robert die Nachricht, die sein Serviettenbrieffreund ihm gemeinsam mit seinem Mittagessen überbracht hatte.

Deine Freunde aus der Vergangenheit hier einzuschleusen wird der leichteste Teil – wir haben Verbündete, die uns helfen können. Wir müssen es nur irgendwie alle ins Büro des Timekeepers schaffen.

Robert dachte nach. Er war froh, dass seine Verbündeten ihn in ihre Pläne, den Timekeeper zu stürzen und ihn selbst zu befreien, eingeweiht hatten. Die beiden Agenten des Bundes brauchten einen guten Vorwand, um die Musiker und seinen Sohn dem Timekeeper vorzuführen. Er entschied sich dafür, dem jungen Mann die erste Idee vorzuschlagen, die ihm in den Sinn gekommen war.

Ihr könntet vorgeben, sie gefangen genommen zu haben.

Er faltete die Serviette zusammen und aß sein Mittagessen auf. Es dauerte nicht lange, bis der Mann mit den blonden Haaren wieder auftauchte, um das schmutzige Geschirr abzuholen. Robert war sich nicht sicher, ob er es sich nur eingebildet hatte, doch er meinte, den Anflug eines kleinen Lächelns im Gesicht des Mannes aufblitzen zu sehen.

Paul lieferte das schmutzige Geschirr wie immer in der Küche ab. Bevor er das Tablett jedoch der Küchenhilfe übergab, ließ er die Serviette in seiner Hosentasche verschwinden. Er beeilte sich, um sich auf den Weg zu Oskar zu machen, der bereits an ihrem Treffpunkt in einer der Abstellkammern auf ihn wartete.

„Und? Was sagt er?", wollte der Dunkelhaarige wissen, kaum dass Paul die Tür hinter sich zugezogen hatte. „Das werden wir gleich erfahren", murmelte Paul, während er die Serviette aus seiner Hosentasche holte. Er las sich Roberts Nachricht durch, bevor er zu Oskar aufblickte. „Und?", fragte dieser erneut mit erwartungsvoller Stimme. „Er schlägt vor, dass wir vorgeben, seine Freunde gefangen genommen zu haben", berichtete Paul. Oskar schwieg für einen Moment, bevor er langsam begann, zu nicken. „Die Idee ist gar nicht schlecht", meinte er schließlich. „Wir könnten die Wachen vor dem Büro des Timekeepers durch Mitglieder des Widerstandsbundes austauschen."

„Und dann?", fragte Paul, der noch nicht völlig überzeugt wirkte. „Wie geht es dann weiter? Wir müssen ihn irgendwie überwältigen." Oskar begann, in dem kleinen Raum zwischen Besen und anderen Putzutensilien auf und abzugehen, während Paul nachdenklich zu Boden blickte. „Wir müssen es schaffen, ihn irgendwie von seinem Thron zu stoßen", murmelte Paul. „Hä? Was für ein Thron? Er sitzt doch auf einem ganz normalen Schreibtischsessel, oder?", fragte Oskar und kratzte sich verwirrt am Kopf. Paul seufzte. „Ich meine im übertragenen Sinne", erläuterte er. „Wir müssen den Timekeeper dazu bringen, zurückzutreten. Die Frage ist nur, wie wir das anstellen – freiwillig wird er seinen Posten nicht abtreten."

Als ihnen nach einer weiteren halben Stunde des reichlichen Überlegens noch immer keine glorreiche Idee gekommen war, entschieden sie sich dazu, die Überlegungen zu verschieben. Oskar klopfte Paul auf die Schulter. „Uns wird schon etwas einfallen, keine Sorge", versicherte er seinem Kollegen und Freund. „Ich werde Robert fragen, vielleicht hat er ja noch einen Einfall", entschied Paul. „Gute Idee! Und ich werde mit den Mitgliedern des Widerstandsbundes sprechen, die brauchen wir ja sowieso", erklärte Oskar. Mit diesen Worten trennten sich die beiden voneinander.

Paul war äußerst überrascht, als er nur kurze Zeit später von einem Sekretär aufgesucht wurde, der ihm mitteilte, dass der Timekeeper ihn sprechen wollte. Um nicht verdächtig zu wirken und ihn warten zu lassen, machte Paul sich sofort auf den Weg zum Büro seines Vorgesetzten.

„Komm herein. Ich habe dich bereits erwartet", wurde der Blondhaarige vom Timekeeper begrüßt, sobald er die Tür zu dessen Büro geöffnet hatte. „Du hast nach mir verlangt", wandte sich Paul an den älteren Mann, dessen brünette Haare bereits Spuren von grau aufwiesen. Dieser nickte. „Ich wollte hören, wie es mit eurer Mission vorangeht", erklärte er. „Bis jetzt hattet ihr ja noch keine großen Erfolge zu vermelden, oder?" Paul nickte. „Wir sind allerdings auf eine neue Spur gekommen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis-", begann er, zu erzählen, wurde jedoch schon bald ungehalten von dem Mann hinter dem Schreibtisch unterbrochen: „Ich habe eure Ausreden satt! Ständig höre ich von dir, dass ihr kurz davor seid, diesen zeitreisenden Musikern ihre Uhr abzunehmen, aber ich habe diesen Versprechungen noch keine Taten folgen sehen!"

Paul verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und zog eingeschüchtert seine Schultern hoch. Plötzlich fühlte er sich wieder wie der kleine Junge, der von seinem Vater ausgeschimpft wurde, weil er nicht stark genug war. Der Timekeeper erhob sich und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Mit bedrohlich langsamen Schritten ging er auf Paul zu, bis er nur noch eine Handbreite von ihm entfernt stand. „Was würde deine Mutter nur sagen, wenn sie dein Zögern sehen könnte?", fragte er mit leiser Stimme. „Du willst deine Eltern doch stolz machen, oder?" Paul schluckte. „Ja", krächzte er. Ein Lächeln machte sich auf dem Gesicht des Timekeepers breit und er entfernte sich ein paar Schritte von dem jungen Mann. „Dann beweise es!", rief er und breitete seine Arme aus.

Mit einem Mal erinnerte Paul sich an die Worte, mit denen seine Mutter ihn stets aufgeheitert hatte, nachdem sein Vater ihn für seine Schwäche geschimpft hatte. „Du kannst auch stark sein, nur eben auf eine andere Art. Du musst diese Stärke nur erkennen." Und das hatte er bereits getan. Er musste es nur beweisen. Er wusste auch, dass seine Mutter die Taten, zu denen der Timekeeper ihn anstiftete, alles andere als gutheißen würde. Im Gegenteil; er war sich sicher, dass sie enttäuscht von ihm wäre. Ein Grund mehr, um den Timekeeper zu stürzen. Paul nahm eine straffere Körperhaltung an, bevor er sich mit fester Stimme an den Timekeeper wandte: „Das werde ich!"


Time Is FleetingWhere stories live. Discover now