13. Kapitel - Tellerwäscher

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Am nächsten Morgen waren die WG-Bewohner immer noch nicht schlauer, was den eigenartigen Besuch am Vortag anging. Zwar hatten sie die Hälfte der Nacht mit Grübeln verbracht, waren jedoch zu keinem Schluss gekommen. Völlig übermüdet hatte Brian schließlich alle ins Bett geschickt.

Dass er viel zu spät schlafen gegangen war, merkte Max spätestens, als sein Wecker ihn um 06:00 Uhr morgens aus dem deutlich zu kurzem Schlaf riss. Warum musste er auch weiterhin in die Schule gehen, wenn in seinem Leben ständig so viele spannende Dinge passierten? War das Auftauchen von mittlerweile längst verstorbenen oder doppelt so alten Musikern aus der Vergangenheit nicht Grund genug, um dem Unterricht fernzubleiben? Doch so sehr er sich auch darüber ärgerte, schließlich entschied Max sich doch dazu, aufzustehen und sich für die Schule fertigzumachen.

Allerdings war der Teenager an diesem Tag nicht der Einzige, der früh aus dem Bett musste. David, Roger und Jimi hatten es tatsächlich geschafft, sich bei einem Restaurant als Aushilfskräfte einstellen zu lassen, und da sie an ihrem ersten Arbeitstag nicht zu spät kommen wollten, waren sie ebenfalls früh aufgestanden. So kam es, dass Max mit den drei Musikern am Frühstückstisch saß und jeder von ihnen seinen Gedanken nachhing und in seine Kaffeetasse starrte. Sogar David trank an diesem Tag Kaffee. „Warum zum Teufel habe ich nochmal zugestimmt, dass ich arbeiten gehen würde?", fragte Roger gähnend. „Weil du sonst sowieso allen auf die Nerven gehst", erwiderte Jimi trocken. „Das sagt der Richtige!", empörte sich Roger sofort. Bevor sich eine Diskussion entwickeln konnte, wandte David ein: „Hört auf damit! Es ist viel zu früh für solche Diskussionen!" Daraufhin herrschte wieder Stille.

Max verabschiedete sich als erster, um sich auf den Weg zur U-Bahnstation zu machen. David, Roger und Jimi hatten noch ein wenig Zeit, bis sie sich auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz machen mussten – einem kleinen Café. Roger wollte es sich gerade wieder auf der Couch gemütlich machen, als David ihn auch schon ins Badezimmer scheuchte, damit sie auch ja nicht zu spät kommen würden. Etwa eine halbe Stunde später hatten die drei es endlich geschafft, sich fertigzumachen. Die nächste Schwierigkeit bestand darin, die Adresse des kleinen Lokals zu finden. Keiner der Musiker kannte sich gut genug in Wien aus, um genau zu wissen, wo sich die Seitengasse befand.

„Wir hätten Falco wecken sollen", maulte Roger, als sie schon zum dritten Mal um dieselbe Kurve bogen. David, der gerade mit dem Stadtplan in seinen Händen kämpfte, schnaubte. „Das bringt uns jetzt auch nicht weiter", brummte er. „Ich glaube du hältst ihn verkehrt herum", bemerkte Jimi auf einmal. Verständnislos blickte David ihn an. „Was?", fragte er verwirrt. „Der Plan. Er ist verkehrt herum", erklärte Jimi erneut. Der Brite warf einen schnellen Blick auf die Karte und stutzte. „Stimmt", murmelte er. Roger schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. So würden sie ihren neuen Arbeitsplatz nie finden!

Anders als sonst konnte Max dem Unterricht an diesem Tag nicht besonders gut folgen. Ständig schweiften seine Gedanken zu den beiden eigenartigen Besuchern ab, die am Vortag vor ihrer Wohnungstür gestanden waren. Er war sich sicher, dass sie etwas über den Aufenthaltsort und das Verschwinden seines Vaters wussten. Er musste nur noch herausfinden, wie genau die beiden Männer in die ganze Sache verwickelt waren.

Die Zeitreise-Sache hatte Max an seinen Großvater erinnert, der ihm früher immer Geschichten von magischen Uhren erzählt hatte. Er wusste, dass sein Vater ein wenig von dem Uhrmacher-Handwerk von seinem Opa gelernt hatte, außerdem hatten seine zeitreisenden Mitbewohner ihm erzählt, dass sein Vater ihnen geholfen hatte, ihre Zeitreise-Uhr zu reparieren. Wenn sein Vater also von den Zeitreisen wusste, warum sollte sein Großvater das nicht auch getan haben? Vielleicht hatte sein Opa sich die Geschichten, die er Max in seiner Kindheit immer erzählt hatte, nicht immer ausgedacht. In seiner alten Werkstatt waren doch bestimmt Aufzeichnungen zu finden, die ihnen weiterhelfen konnten...

Als Roger zufällig eine Telefonzelle erblickte, kam ihm eine Idee. „Hat jemand von euch Kleingeld dabei?", fragte er in die Runde, woraufhin David in den Taschen seiner Jacke kramte und schließlich nickte. „Zwei Euro", antwortete er. „Ich glaube ich müsste noch drei dabeihaben", meinte Jimi und durchsuchte die Taschen seiner Schlaghose nach Geld. Schlussendlich hatten sie fünf Euro zur Verfügung, um einen Anruf zu tätigen. „Perfekt! Jetzt können wir Ellie anrufen und sie fragen, wo genau wir hinmüssen!", rief Roger, der äußerst stolz auf seine glorreiche Idee war. Die Musiker versuchten fieberhaft, sich an Ellies Telefonnummer zu erinnern, was sich als nicht so einfach wie gedacht herausstellte. Glücklicherweise schaffte David es schließlich, sich die Nummer ins Gedächtnis zu rufen.

Ellie wurde durch das laute Klingeln ihres Handys jäh aus dem Schlaf gerissen. Sie musste am Vorabend wohl vergessen haben, es stumm zu stellen. „Ja?", meldete sie sich müde. „Ellie! Gut, dass du rangehst! Wir brauchen deine Hilfe!", ertönte Rogers aufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung. Sofort war Ellie hellwach. Was hatten die drei nun wieder angestellt? Im Hintergrund konnte sie Davids Stimme hören. „Nein, ich habe alles unter Kontrolle! Lass mich reden!", schimpfte Roger. Ein Rauschen ertönte. Wahrscheinlich stritten David und Roger sich gerade um den Telefonhörer. Ellie seufzte.

Jimi riss Roger den Hörer aus der Hand und wandte sich an Ellie: „Wir finden die Adresse von dem Café, in dem wir..." – er warf einen schnellen Blick auf die Kirchturmuhr in der Nähe – „...in fünfzehn Minuten anfangen sollen, zu arbeiten, nicht." Er konnte sie lachen hören. „Warum hatte ich das erwartet?", fragte sie immer noch lachend, was Jimi zum Grinsen brachte. „Sag mir die Straße durch, in der ihr gerade seid, und dann nochmal die Adresse von dem Café", wies Ellie ihn an. Gesagt, getan. Wenig später war das Telefonat beendet und die drei Musiker befanden sich auf dem Weg zum Café. Tatsächlich lag es näher an der Telefonzelle als gedacht und so hatten sie es in fünf Minuten erreicht.

Der Besitzer des Cafés empfing sie freundlich und stellte sich den dreien als Herr Rogner vor, bevor er ihnen ihren Arbeitsbereich zeigte. „Vorerst brauchen wir hauptsächlich Küchenhilfen. Später können Sie auch ab und zu unsere anderen Kellner vertreten", erklärte er auf dem Weg in die Küche. „Na toll. Das heißt dann wohl Tellerwaschen", raunte Roger David zu. „Ach sei doch still", zischte dieser zurück. „Wir brauchen das Geld." Jimi runzelte die Stirn. „Seid doch froh, dass wir nichts Schwierigeres zu tun haben", brummte er. „Oder wollt ihr etwa voll beladene Tabletts hin und her schleppen?" Diese Frage konnten die beiden anderen nur mit einem „Nein" beantworten. Roger nahm sich vor, jedes Mal, wenn er ein besonders schmutziges Teller abwaschen müssen würde, an voll beladene Tabletts zu denken, die er glücklicherweise nicht hin und her schleppen musste.


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