Kapitel 12

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Der erste Schultag nach den Ferien war ertragbar gewesen. Meine Mitschüler waren zu beschäftigt, sich gegenseitig von ihren tollen Ferien vorzuschwärmen und so wurde ich in Ruhe gelassen. Meine Armschützer taten auch ihren Dienst und zusätzlich fiel mal wieder die Mittagsschule aus, was ich echt klasse fand. Zu Hause tat ich eine Tiefkühlpizza in den Ofen und schaute dann auf mein Handy. Ich zog eine Augenbraue nach oben. Ich hatte eine Nachricht von Paolo. Schnell entsperrte ich mein Handy und las mir die Nachricht durch. Der Frettchenjunge lud mich zu einem Nachmittag hinter den Kulissen des Zirkus‘ ein. Ich konnte nach der Mittagsvorstellung kommen, dann würde er jede Menge Zeit für mich haben. Leicht schmunzelnd stimmte ich seinem Vorschlag zu und wünschte ihm alles Gute für seinen Auftritt. Schnell aß ich mein Mittagessen und suchte nebenher nach einer Busverbindung zum Zirkuszelt. Relativ schnell fand ich einen Bus und machte mich eine halbe Stunde später auf den Weg.

Hibbelig wippten meine Beine auf und ab und ich konnte es kaum erwarten, dass der Bus endlich hielt. Von der Haltestelle musste ich noch ein kleines Stückchen laufen, konnte das Zirkuszelt aber schon sehen. Unkontrolliert schlich sich ein Grinsen auf meine Lippen und es wurde immer breiter, je näher ich dem Zirkus kam. Nun kamen mir auch schon die ersten Leute entgegen, vermutlich war die Mittagsvorstellung gerade zu Ende gegangen. Wie schon gestern lief ich am Zirkuszelt vorbei und suchte mir einen Weg durch die Wohnwagen. „Hey, da bist du ja“, kam es von hinten. Ich schrie leise auf und drehte mich blitzschnell um. „Paolo, erschreck mich doch nicht so!“, keuchte ich und legte mir eine Hand auf mein schnell schlagendes Herz. „Tut mir leid, aber es hat gerade so gut gepasst“, lachte der Junge vor mir. „Na komm! Ich will dir alles hier zeigen und alle vorstellen!“, rief er dann enthusiastisch. Meine Augenbrauen schossen in die Höhe.

„Sind gar nicht so viele, wie du denkst, keine Sorge. Also, da hinten haben wir Teddy.“ „Was?“, fragte ich, halb lachend halb verwirrt und ließ mich von Paolo mitziehen. Wir steuerten auf einen Käfigwagen zu. „Warte. Euer Bär heißt Teddy?“, lachte ich. „Ja. Wir haben ihn bekommen, als meine kleine Schwester gerade drei Jahre alt war. Sie hat ihn gesehen und sofort gesagt: Das ist Teddy. Deswegen heißt der Bär Teddy.“ „Ja, Teddy!“, ertönte es hinter uns und erneut an diesem Tag zuckte ich zusammen. Warum musste mich diese Familie denn die ganze Zeit erschrecken? Ich drehte mich um und sah das kleine Mädchen, was gestern auf dem Bär geritten war. „Na komm her, Große.“ Das ließ sich das Mädchen nicht zweimal sagen. Paolo ging in die Knie, sie warf sich ihm in die Arme und er stand mit ihr auf der Hüfte wieder auf. „Das ist meine kleine Schwester Misha. Misha, erinnerst du dich noch an unseren besonderen Menschen gestern? Das ist Jette.“ „Hallo!“, rief das kleine Mädchen und grinste mich breit an. „Hey. Ich fand das richtig beeindruckend, wie du da auf dem Bären geritten bist“, lächelte ich sie an. „Ach was, Teddy ist ganz nett. Du kannst auch auf ihm reiten, wenn du willst.“ „Lieber nicht, das überlasse ich dir.“ Paolo lachte auf. „Ich wollte Jette allen vorstellen und ihr alles zeigen. Willst du mir helfen“, wandte er sich an seine Schwester, die eifrig nickte.

Paolo ließ sie wieder runter, sie griff sich blitzschnell meinen Arm und zog mich hinter sich her. Paolo folgte uns lachend. „Das da vorne ist meine Mama, sie schaut, dass hier alles richtig funktioniert und sie bestimmt, wo wir hinfahren. Aber manchmal darf ich mir auch wünschen, wo wir als nächstes hingehen. Hallo Mama, das ist Jette! Paolos neue Freundin!“ Paolo räusperte sich und auch meine Wangen wurde warm. Die ältere Frau lächelte uns gutmütig an und winkte uns. „Das ist schön, mein Schatz. Geht doch zu eurem Vater, der hat noch Kuchen übrig.“ „Au ja, Kuchen!“ Und schon zog Misha mich weiter. „Dort wohnen meine Eltern. Papa ist unser Clown.“ Die Kleine riss die Tür des Wohnwagens auf. „Papa! Das ist Jette, Paolos neue Freundin. Mama sagt, du hast noch Kuchen.“ Der Mann sah Paolo unglaublich ähnlich und auch er lächelte uns gutmütig zu. „Freut mir, Jette. Da hinten ist noch etwas Kuchen, ihr könnt ihn gerne mitnehmen.“ „Da sagen wir nicht nein“, grinste Paolo und nahm sich den Pappteller. Zu dritt aßen wir den Rest Kuchen, während wir weiter durch die Wohnwagen spazierten.

An diesem Tag lernte ich wirklich alle Schausteller des Zirkus‘ kennen und weil Misha darauf bestand, freundete ich mich mit Teddy an. Das hieß soviel wie dass ich ihm sein Abendessen servierte. Danach waren wir die besten Freunde. Die nächsten Tage verbrachte ich fast ausschließlich beim Zirkus. Ich ging nach dem Mittagessen hin und blieb bis zur Abendvorstellung. Manchmal wartete ich die auch noch ab und manchmal ging ich schon vorher nach Hause. Es war wirklich eine tolle Zeit, die mir nicht einmal meine Mitschüler mit ihren Sticheleien verderben konnten.

Ich hab es nicht mehr ausgehalten und (hoffentlich) alles eingepackt, was ich für meine Klassenfahrt brauche. Und noch bin ich nicht am Durchdrehen (hab noch gar nicht richtig realisiert, dass ich morgen nach Berlin fahre), also kommt jetzt ein Kapitel.
LG Ronja

Der neue Freund meiner Mutter (AS FF)Where stories live. Discover now