Kapitel 2

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Die nächsten Tage versuchte meine Mutter immer wieder mit mir zu sprechen. Zuerst bat sie um ein Treffen, was ich natürlich ablehnte. Dann schrieb sie mir unzählige Nachrichten, bis ich sie irgendwann blockierte. Darauf schrieb sie über das Handy meiner Schwester unzählige Nachrichten, bis meine Schwester mich irgendwann wütend anrief und mir in unzähligen Formen drohte, sollte ich nicht bald mit meiner Mutter reden. Ihre Impulsivität konnte ich ihr nicht verdenken. Zum einen war unsere Mutter anstrengend und zum anderen war meine Schwester gerade ins Teenageralter gekommen und litt genauso wie ich unter der Trennung unserer Eltern, nur auf andere Weiße eben. Ich ignorierte meine Mutter jedoch weiterhin und nach knapp einer Woche gab sie es Gott sei Dank auf.

Dann stand ich vor dem nächsten Problem. Der Montag, an dem die Polizisten kommen sollten. Ich hatte das ganze Wochenende Kapuzen genäht und an ein paar alte T-Shirts befestigt, die ich ebenso mit ein paar zusätzlichen Nähten verziert hatte. An die Armschützer wollte ich mich noch nicht wagen, doch auch die würden bald fällig werden.

Der Tag fing schon schrecklich an, indem mein Wecker nicht klingelte, wobei ich das schon als Zeichen deutete. Mein Vater weckte mich schließlich kurz vor knapp und ich hatte nur kurz Zeit, um festzustellen, dass mein Wecker neue Batterien brauchte. Dann hetzte ich durch das ganze Haus und versuchte mehrere Dinge gleichzeitig zu machen. Mein Frühstück aß ich auf dem Weg in die Schule, sodass ich es gerade noch pünktlich zum Klingeln schaffte. Schnell huschte ich ins Klassenzimmer und auf meinen Platz.

Meine Mitschüler schienen mich heute gar nicht zu bemerken, denn sie alle redeten aufgeregt über die kommenden Polizisten. Ich zog mir meine Kapuze tief ins Gesicht und holte meine Zeichensachen heraus. Wenige Minuten später ging die Tür auf. Meine Klasse wurde so schnell still, wie es noch nie an einem Montagmorgen vorgekommen war. Auch ich legte schweren Herzens meinen Stift weg und zog meine Kapuze etwas zurück.

Ins Zimmer kamen Frau Holzfink und vier Polizisten. Zwei Männer und zwei Frauen. Am liebsten hätte ich meinen Kopf auf die Tischplatte gedonnert. Bei allen unmöglichen Dingen der Unmöglichkeiten, wie groß war bitte die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet ER hier auftauchte. Aber bei meinem Glück war es ja klar gewesen. Dort vorne stand der neue Freund meiner Mutter und blickte lächelnd durch die Klasse. Sein Blick streifte mich und ich schaute schnell aus dem Fenster. Einfach ignorieren, dann ließ er mich auch in Ruhe.

„So, liebe Klasse. Wie bereits angekündigt sind hier die lieben Polizisten, die uns heute ihre Arbeit näher bringen werden. Wir haben zusammen ein tolles Programm vorbereitet und ich hoffe ihr werdet alle viel Spaß haben. Vielleicht wollen Sie sich erst einmal vorstellen“, sprach Frau Holzfink und ich drehte meinen Kopf wieder nach vorne. Ein etwas korpulenterer Schwarzhaariger mit einem breiten Grinsen trat einen Schritt nach vorne. „Ja, ich bin der Paul Richter, aber ihr dürft gerne Paul sagen.“ Dann kam eine junge Blondine. „Ich bin Hannah Becker, ihr könnt gerne Hannah sagen.“ Danach eine etwas ältere Schwarzhaarige. „Mein Name ist Ilka Fischer. Freut mich, hier zu sein.“ „Mein Name ist Stephan Sindera. Ich bin schon gespannt auf heute.“ Und ich erst. Wenn Blicke töten könnten, dann hätten mich Stephans Kollegen jetzt wegen Mord festnehmen können. Frau Holzfink übergab den vieren die Leitung und setzte sich nach hinten – ein Glück nicht neben mich.

Während die Polizisten also verschiedene Gegenstände auspackten und dies und jenes über ihren Beruf und ihre Erfahrung erzählten, hörte ich nur mit einem Ohr zu und begann wieder zu zeichnen. Zwischendurch warfen meine Mitschüler Fragen in den Raum, die unser Besuch brav beantwortete. „Hatten Sie denn schon einmal mit gefährlichen Tieren zu tun?“, fragte Alexandra, eine der wenigen Mädchen, die Max, Moritz und Tom nicht anhimmelten. „Oh ja, wir hatten einmal eine Giftschlange auf der Wache“, begann Stephan. Ich legte meinen Stift beiseite und blickte interessiert auf. Die Story wollte ich jetzt aber auch wissen. Stephan jedoch schien mein Interesse bemerkt zu haben. Sein Grinsen wurde eine Spur breiter und es schien mir, als würde er sich leicht mir zuwenden. Lautlos schnaubend stützte ich meinen Kopf auf meiner Hand ab und blickte demonstrativ in die andere Richtung, hörte aber weiterhin zu. „Jemand hatte einen Pappkarton vorbei gebracht und ihn draußen in den Flur gestellt. Dann ist er in unser Büro gekommen und meinte, dass dort eine Schlange drin sei.“ „Wir sind natürlich sofort raus“, übernahm Paul das Erzählen, „und wollten nach der Schlange sehen. Aber als wir den Karton vorsichtig aufgemacht haben, war da gar nichts drin.“ Ein Raunen ging durch die Klasse und Charlotte eine Reihe vor mir quietschte leise auf. Ich musste mir ein lautes Schnauben unterdrücken. „Natürlich haben wir sofort alle Menschen aus der Etage nach draußen gebracht, da der Mann meinte, dass es eine Giftschlange sein könnte. Dann mussten wir auf den Spezialisten warten, der zusammen mit einem Team nach drinnen gegangen ist und die Schlange gesucht hat. Zum Glück hat er sie relativ schnell wieder gefunden und eingefangen. Aber seitdem erwarten wir in jedem Karton eine entlaufene Schlange“, witzelte Paul und ein paar begannen zu lachen. Ich blickte kurz zu Stephan und verdrehte die Augen, als er direkt in meine Richtung grinste. Dieses Dauergrinsen musste mit der Zeit doch anstrengend werden.

Auf diese spannende Erzählung – man bemerke die Ironie dahinter – folgten weitere Fragen zu erlebten Einsätzen. Manche waren spannend, andere waren komisch und wieder andere waren einfach nur langweilig, wenn auch nur in meinen Augen. So gingen die ersten zwei Stunden relativ schnell vorbei und es klingelte zur großen Pause.

Erleichtert sprang ich auf und war eine der ersten draußen auf dem Gang. Dabei wich ich gekonnt Stephan aus, der einen Schritt auf mich zu gemacht hatte. Mein Glück endete dann aber in den überfüllten Fluren. Schon immer hatte ich solche Menschenmengen gehasst und es deswegen vermieden, ganz am Anfang und ganz am Ende der Pause durch die Schulflure zu laufen, wenn es mir Au nicht immer möglich war. Schnell drückte ich mich in eine Fensternische und wartete, bis der Großteil der Schüler an mir vorbei war. Erst dann lief ich weiter in Richtung Pausenhof. Auf halbem Weg die Treppe hinunter hielt mich eine Hand am linken Handgelenk fest und ich drehte mich blitzschnell um. Dabei rutschte mir meine Kapuze vom Kopf. Ruckartig riss ich mein Handgelenk aus Stephans Griff und funkelte ihn an. „Hey, Jette. Wollen wir nicht mal in Ruhe zusammen reden. Uns ein bisschen besser kennenlernen?“ „Warum sollte ich?“, zischte ich. „Naja, ich bin der Freund deiner Mutter und…“ „Reden Sie nicht mit mir, als würden Sie mich kennen. Und machen Sie sich nicht wichtiger, als Sie sind. Meine Mutter ist mir so egal, also sind Sie es auch. Was glauben Sie, was das für ein Albtraum ist, dass Sie heute hier aufgetaucht sind?“ Meine schulterlangen Haare wehten mir ins Gesicht als ich mich erneut schwungvoll umdrehte. Kurz sah ich nur blond. Genervt strich ich mir alle Haare wieder in meinen Nacken und zog meine Kapuze wieder über meinen Kopf.

Am Fuß der Treppe standen Max und Moritz, als hätten sie nur auf mich gewartet. „Na, kommst du jetzt ins Gefängnis?“, lachten sie mir entgegen. Ich ignorierte sie und machte einen großen Bogen. Kurz blickte ich über meine Schulter zurück. Paul war an der Seite seines Kollegen aufgetaucht und redete auf ihn ein, während Stephan nur mir nachblickte. Ich wandte mich dem Pausenhof zu und stieß die Tür auf. Die Pause verbrachte ich in meiner Ecke und alle ließen mich in Ruhe. Sowohl die Polizisten als auch meine Mitschüler.

So, der große Polizisten-in-der-Schule-Tag hat begonnen. Na, seid ihr schon gespannt auf den weiteren Verlauf?

Der neue Freund meiner Mutter (AS FF)Where stories live. Discover now