Kapitel 4

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Zurück im Klassenzimmer hatte die nächste Stunde schon begonnen und ich verstaute meine Sportsachen schnell in meinem Rucksack. Es klopfte an der Tür und die Klasse wurde ruhig. „Das ist unser letzter Gast für heute, er konnte leider nicht früher kommen. Er heißt Roby Hagen und seine Begleitung ist die Luna“, meinte Frau Holzfink und öffnete die Tür. Ein Quietschen ging durch die Mädchen der ersten Reihe. Ich runzelte meine Stirn, als ich zwar den Mann sah, seine Begleitung aber nicht. Als dieser aber in die Mitte und somit auf den Gang zwischen den Tischen trat, kannte ich den Grund für das Quietschen. Roby führte eine schneeweiße Hündin mit sich.

„Hallo alle zusammen“, begrüßte der Hundeführer uns und befreite Luna von der Leine. Ohne Umschweife begann diese durch die Reihen zu laufen und hier und da zu schnüffeln, ehe sie sich unter meinen Tisch setzte. Kurz bellte sie, drückte ihren Kopf an mein Scheinbein und rollte sich dann neben meinen Füßen zusammen. Roby nahm das Ganze gelassen und lachte auf. „Wie es aussieht, sind wir anderen abgeschrieben. Luna hat ihren heutigen Lieblingsmenschen gefunden. Aber das macht auch nichts, denn bevor wir eine Personensuche demonstrieren, erzähle ich euch noch ein bisschen was.“ Roby begann von seiner Arbeit und seinem Training mit Luna und den anderen Hunden zu berichten, während meine Blicke immer wieder zu dem Hund zu meinen Füßen glitten. Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen und es wollte nicht mehr weggehen.

„So, jetzt wollen wir aber mal unsere Personensuche machen. Ich würde sagen, Hannah, du versteckst dich und wie wäre es denn mit dir da hinten?“ Fragend zeigte ich auf mich und Roby nickte lachend. „Ok“, meinte ich zögerlich. „Ich bräuchte nur etwas, woran dein Geruch haftet. Am besten ein Kleidungsstück.“ Ich nickte und zog meinen Sportpulli aus meinem Rucksack. Langsam stand ich auf – Luna folgte mir – und lief nach vorne. Ich übergab dem Hundeführer meinen Pulli und Hannah streckte ihm ihre Jacke entgegen. „Viel Spaß beim Verstecken ihr beiden. Und macht es nicht zu einfach.“ Und schon waren wir aus dem Raum. „Wollen wir vielleicht drüben in den Park gehen? Das ist nicht zu nah, aber auch nicht zu weit weg“, schlug Hannah vor und ich nickte einfach nur. Es war mir wirklich unangenehm, alleine mit der Polizistin zu sein. Vor allem, da sie eine Kollegin von Stephan war. Den Weg aus dem Schulgebäude, über die Straße und in den Park schwieg ich. Hannah erzählte munter vor sich hin. Kleinere und für sie anscheinend urkomische Anekdoten aus dem Polizeidienst – wobei sie Stephan auffällig oft erwähnte. Entweder sie war in ihn verknallt oder sie wollte mich davon überzeugen, dass er ein prima Kerl war.

„Ich denke hier wäre ein super Versteck. Willst du oder soll ich?“ Hannah deutete auf ein paar Büsche. „Du kannst“, murmelte ich. Wer wusste, was da alles schon vonstatten gegangen war. Da bevorzugte ich andere Verstecke. „Ok, dann sehen wir uns später wieder.“ Sie verschwand im Gebüsch und ich lief weiter auf die andere Seite des Parks. Dort – das wusste ich – befand sich ein alter umgefallener Baumstamm inmitten von weiteren Bäumen, sodass der Platz sehr uneinsichtig war. Ich quetschte mich durch zwei Bäume hindurch und machte es mir auf dem liegenden Baumstamm bequem. Schnell wurde mir langweilig und ich verfluchte mich dafür, dass ich mein Zeichenbuch nicht mitgenommen hatte. Aber immerhin hatte ich mein Handy in der Hosentasche. Ich holte es hervor und schaltete es an. Wäre ich wirklich vermisst, würde man bestimmt zuerst das Handy orten. Ich rief eines meiner wenigen Spiele auf: Yatzy. Mehrere Runden spielte ich und ärgerte mich ab und zu über den niedrigen Punktestand, bis ich von weiter her eindeutig die Stimmen meiner Mitschüler und das Bellen eines Hundes hörte. Offenbar hatten sie Hannah gefunden. Also konnte es nicht mehr lange dauern, bis sie auch mich entdecken würden. Deswegen steckte ich mein Handy wieder weg und wartete.

Wenige Minuten später hörte ich es rascheln und Luna erschien bellend in meinem Versteck. Ich stand auf und sie begann mich mehrmals zu umkreisen und ihren Kopf an meine Beine zu drücken. Ich streichelte ihr grinsend über den Kopf und trat aus meinem Versteck, wo schon die anderen warteten. „Großartig!“, rief Roby und lobte Luna ausgiebig, ehe wir zurück zur Schule liefen. Meine Mitschüler plauderten ausgiebig und auch die Polizisten quatschten mit ihren Kollegen oder meiner Lehrerin. Nur Luna blieb nicht brav an der Seite ihres Herrchens sondern lief dicht bei mir, bis wir an der Schule angekommen waren. Dort verabschiedete sich Roby von uns und Luna folgte ihm wie es schien nur sehr widerwillig. Wir anderen liefen zurück ins Klassenzimmer, verabschiedeten uns von den Polizisten und unserer Lehrerin und durften dann gehen. So schnell es ging verließ ich das Schulgebäude, damit Stephan nicht noch einmal auf die Idee kam, mit mir sprechen zu wollen.

Noch am selben Abend kündigte mein Vater an, dass er mit mir am Samstag ins Schwimmbad gehen wollte. Natürlich stimmte ich ohne groß nachzudenken zu. Als ich dann später in meinem Bett lag, kam die panische Erkenntnis. Wie sollte ich meine Schnitte vor der Öffentlichkeit verstecken? Gleich nach diesem Gedanken sprang ich aus meinem Bett und begann in meinem Kleiderschrank zu kramen, fand aber nur einen einfachen Badeanzug. Fluchend warf ich das Teil in die eine Ecke meines Zimmers und schlich in den Keller. Ich war mir sicher, dass wir noch von unserem letzten Strandurlaub ein langärmliges UV-Shirt von mir hatten. Ich kramte eine ganze Weile in irgendwelchen Kartons und Taschen. „Aha!“, rief ich, als ich es endlich fand. Schnell schlug ich mir meine Hand auf den Mund und hoffte, dass mein Vater sich gerade in einer Tiefschlafphase befand. Noch leiser als vorher stahl ich mich wieder zurück in mein Zimmer. Schnell zog ich mir mein Schlafshirt aus und das UV-Shirt an. Es passte perfekt und durch das Schwarz sah man meine Pflaster auch nicht durch. Ich zog mich wieder um und lief ins Bad, wo ich in den Schränken nach wasserfesten Pflastern suchte. Erst als ich auch diese Errungenschaft in mein Zimmer brachte, konnte ich mich beruhigt schlafen legen.

Leute, endlich Ferien. Die letzte Schulwoche war ja mal sowas von anstrengend!

Der neue Freund meiner Mutter (AS FF)Where stories live. Discover now