Epilog

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Fünfundzwanzig Jahre später

Still setzte ich mich neben ihn und bevorzugte es nicht zu reden. Zumindest im Moment nicht. Wenn er mir seine Gedanken teilen wollte, würde er es tun, weshalb ich ihm genug Zeit schenkte und schwieg. Vielleicht würde er auch nicht mit mir sprechen. Das wusste ich nicht, jedoch wartete ich dennoch. Es wirkte nämlich so, als ob er einen Freund brauchte. Dazu war ich die falsche Person, aber ich konnte in jede Rolle schlüpfen. Dies war besonders und sehr wichtig an mir.

Einen kleinen Blick warf ich ihm trotzdem von der Seite zu. Er spürte es direkt und schnaubte genervt. Ihm war nämlich klar, dass ich nicht so schnell verschwand.

Das ließ mich nun breit lächeln und wieder wegschauen, wobei ich diesmal seine Augen auf mir bemerkte. Wieder blieb ich schweigsam und geduldig. Ich wollte ihn nicht zu etwas zwingen. Eine helfende Hand war ich für ihm lediglich nur, doch er musste sie zuerst annehmen.

"Ist etwas?", unterbrach er schließlich diese Stille zwischen uns, worauf ich bloß schmunzelte.

"Ich denke schon, jedoch willst du nicht wirklich darüber reden. Zumindest habe ich das Gefühl", antwortete ich.

"Nein, alles gut", versicherte er mir.

"Wer ist sie?", traute ich mich dennoch zu fragen, was ihn zum Schweigen brachte und er zu Boden starrte.

Meine Augen blieben wachsam auf ihm liegen, denn ich beobachtete seine Reaktion auf meine Frage. Noch immer sagte er nichts dazu, aber wirkte angespannt. In ihm musste ein Sturm ausgebrochen sein, denn sein Gesichtsausdruck spiegelte es mir perfekt dar, bis er seine bernsteinfarbenen Augen schloss und anschließend zu mir blickte. Plötzlich zeigte sich eine große Verzweiflung an ihm und das ließ mein Lächeln etwas fallen, denn es machte mich traurig.

"Du kennst sie nicht", begann er zu erzählen und sah stur geradeaus, da es ihm so leichter fiel zu sprechen.

"Seid ihr Freunde?", wollte ich stattdessen wissen.

"Nein", murmelte er leise.

"Kennt sie dich nicht?", verwirrte es mich nun etwas.

"Sie mag mich nicht", gestand er und dabei zogen sich seine Augenbrauen streng zusammen, denn allein es aussprechen gefiel ihm anscheinend nicht.

"Das wundert mich jetzt nicht", entkam mir leider der Kommentar.

"Mom", sagte er und blickte mich empört an.

"Du schaust mir vielleicht ähnlicher, aber bist exakt wie dein Vater und allein ein Blick von ihm lässt jeden ängstlich zurück", erzählte ich Kopf schüttelnd und er nickte letztlich stimmend zu.

"Hattest du auch Angst vor Dad?", interessierte es ihn.

"Nein", war ich ehrlich.

"Seine Wutanfälle machten mich am Anfang ängstlich und unsicher, doch danach verging es, weil ich wusste, dass er mir niemals wehtun würde", erklärte ich meinem Sohn, der mir aufmerksam zuhörte.

"Mag sie mich vielleicht nicht, weil sie Angst vor mir hat?", überlegte er laut.

Erneut sah ich zu ihm. Case war mein ältester und einzigster Sohn. Er war schon einundzwanzig Jahre alt und manchmal realisierte ich noch immer nicht wie schnell sie alle wuchsen. Ich liebte alle meine Kinder gleich und würde keinen mehr als den anderen bevorzugen, doch ich konnte auch nicht leugnen, dass er irgendwie einen anderen Platz bei mir besaß. Die bernsteinfarbenen Augen waren exakt dieselben von meinen, weshalb ich mich manchmal so fühlte, als ob ich in einen Spiegel hineinblickte. Bis auf die schwarzen Haare ähnelte er mir, jedoch konnte ich dasselbe von seinem Charakter nicht behaupten. Case war wie Liam. Eine verschlossene Kiste, die sich kaum öffnen ließ, nur brauchte auch er manchmal ein offenes Ohr. Mich ließ er selten an sich heran, doch damit war ich zufrieden, da er die anderen bloß wegscheuchte. Er mochte es nicht gerne über seine Gefühle zu sprechen. Es fiel ihm sehr schwer, sowie im Augenblick.

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