Kapitel 4

1.8K 78 33
                                    

Liam's Sicht

Ich saß schweigend auf dem Bett und starrte meine blutende Faust an. Erschrockene Schreie und Rufe waren außerhalb des Zimmers zu hören, die ich gar nicht wahrnahm. Keine Kraft steckte in mir, die ich für alle da draußen hatte. Sie machten sich Sorgen und wollten für mich da sein, aber ich brauchte sie nicht. Mitleid sollten sie mir nicht zeigen. Vermutlich dachten sie, dass ich langsam den Verstand verlor, aber so war es nicht. Die Wut und der Hass, der in mir steckte, ließ ich nur raus, denn sonst würde ich wirklich durchdrehen und keine Hilfe würde helfen.

Erschöpft schloss ich meine Augen und vergrub das Gesicht in den Händen. Mein Puls schlug unnormal schnell und daher richtete ich mich erneut auf. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber es funktionierte nicht. Allein schaffte ich es nicht und genau dieses Problem machte mich noch wütender und rasender.

Sie war die einzige Person, die es schaffte mich unter Griff zu bekommen. Allein ein Blick oder eine Berührung von ihr reichte vollkommen aus und die Ruhe kehrte in mir zurück. Auf einmal verschwand alles und in dem Moment existierte nur sie, als ob es keinen, außer sie gäbe. Dieses Mädchen hatte mein Herz und jetzt war sie weg. Einfach weg. Wie konnte ein Mensch ohne ein Herz leben? Das ging doch gar nicht. Man würde sterben. Vielleicht fiel es mir deshalb so schwer zu atmen und vielleicht tat deshalb meine Brust so weh. Mein Herz fehlte.

Meine Aria fehlte.

Meine Augen begannen zu brennen, jedoch wollte ich keine Tränen vergießen. Nicht wegen ihr. Ich schüttelte stur den Kopf und ballte meine Hände zu Fäusten. Sie war selbst gegangen, ohne mir etwas zu sagen. Es war ihre Entscheidung ihn zu heiraten.

"Sie ist weg", nickte ich.

"Sie ist weg", versuchte ich mir einzureden.

"Sie ist weg!", wurde ich lauter.

"Sie ist weg!", brüllte ich zu mir selbst und schlug mir mit den Händen immer wieder gegen den Kopf, damit diese Wahrheit nun rein ging und dort blieb.

"S-Sie ist weg...w-weg...weg!", schrie ich verzweifelt und schmerzhaft, denn es sollte endlich aufhören.

"Liam!", rief jemand.

Im selben Augenblick spürte ich zwei starke Hände, die versuchten meine zu halten, damit ich aufhörte mir auf den Kopf zu schlagen. Ich wehrte mich mit all meiner Kraft, doch die anderen kamen zur Hilfe und versuchten mich alle unter Kontrolle zu halten.

Am Ende wurde ich von jemanden umarmt. Noch immer versuchte ich mich loszureißen, aber dieser blieb sehr hartnäckig. Levin. Er hielt mich in seinen Armen fest und ließ mich nicht los. Ich drückte ihn von mir weg, doch er hielt mich beinahe mit Gewalt in seiner Umarmung gefangen, bis ich es aufgab. Meine Energie war verschwunden, sowie ich selbst.

"Levin?", murmelte ich fraglich.

"Ja?", hakte er nach und hielt mich noch fest.

"Ist sie wirklich weg?", wollte ich wissen, wobei er schwieg und allein das war Antwort genug dafür.

Als ich keine Reaktion von mir gab, ließ er mich los und schaute mich prüfend an. Ich sah nur auf den Boden und saß schwach auf dem Bett. Jayden und Hunter standen in meiner Nähe, doch sagten nichts. Sie waren einfach bei mir, denn sie wussten, dass Worte nichts brachten. Im nächsten Moment spürte ich eine Berührung an meinen Händen und zuckte zusammen. Verwirrt blickte ich in das Gesicht von Katy. Sie setzte sich neben mich, um meine Fäuste zu verarzten, die ich an der Wand blutig aufschlug.

Sie blickte mich nicht an, sondern konzentrierte sich auf ihre Arbeit, was sie freiwillig tat. Deshalb wehrte ich mich nicht. Tiefe Augenringe waren unter ihren Augen zu erkennen und allgemein schaute sie sehr müde aus. Vermutlich dachte sie an ihre Schwester.

Für eine Zeit lebten Levin und ich bei Hunter, da wir derzeit nicht in unserem Haus wohnen konnten. Es würde etwas dauern alles zum Alten zu bringen und ich war gerade sowieso keine Hilfe, denn mein Bein war gebrochen. Die Jungs halfen Levin und ließen ihn nicht allein, jedoch blieb einer von ihnen immer bei mir. Sie hatten nämlich furchtbare Angst, dass ich etwas tat, sowie vorhin. Es war durchaus nervig für mich, denn sie behandelten mich, wie ein Kind.

Als Katy fertig war, stand sie auf und verließ den Raum, ohne etwas zu sagen. Mein Bruder sah ihr bedrückt hinterher, denn er konnte ihr nicht helfen, sowie mir und genau das machte ihn gerade fertig. Irgendwie wollte ich ihn aufmuntern, aber ich hatte keine Ahnung, was die richtigen Worte jetzt wären.

"Wenn du so bist, wie ist dann wohl Aria gerade?", fragte sich plötzlich Jack, der am Türrahmen stand.

"Frag doch deine Cousine", antwortete ich monoton.

Er schüttelte den Kopf und wollte etwas erwidern, doch Levin signalisierte ihn aufzuhören, indem er seine Hand hob. Mir war äußerst bewusst, wie sie für ihn sehr wichtig war und sie deshalb weiterhin beschützte, jedoch gab es nichts mehr, wobei man sie annähernd in Schutz nehmen konnte. Sie war jetzt weg und das für immer. Bei Ace lebte sie nun.

Jack warf uns einen enttäuschten Blick und verließ ebenfalls das Zimmer. Er wirkte wütend und ehrlich gesagt, konnte ich nicht verstehen, warum? Ich war auch voller Wut, aber ich gab keinen eine Schuld. Auf seine Cousine konnte er zornig sein. Eigentlich sollte er mich auch am besten von allen verstehen, wegen Fleur. Sie hatte ihm genauso das Herz aus der Brust gerissen. Es war schon unglaublich, was ein einziger Mensch aus dir machen konnte, denn man dachte, dass man auch geliebt wurde. So war es jedoch nicht, denn jetzt war ich hier ganz allein.

"Wo ist eigentlich Hope?", wollte Levin auf einmal wissen, womit er mich aus meinen Gedanken riss.

Die Aufmerksamkeit wanderte zu Jayden, der etwas nervös die Stirn runzelte und anscheinend nicht mit der Sprache rausrücken wollte. Schließlich schaute er zu mir und ich blickte ihm nur fragend entgegen. Ich zog die Augenbrauen zusammen und hatte den kleinen Verdacht, dass er wegen mir nicht redete.

"Sie wollte jemanden besuchen", antwortete er.

"Wen?", hakte jetzt Hunter leicht verwirrt nach, wobei Jayden angestrengt eine Antwort suchte.

"Ehm...e-ein Hund", erklärte er zögerlich.

"Was für ein Hund?", verstand dieser nicht.

"Ein schöner Hund", meinte er.

"Bist du dumm?", regte er Hunter damit auf.

Sie diskutierten noch eine Weile lang, jedoch war jeden bereits bewusst an wen dieser Besuch ging.

Aria oder genauer gesagt: Aria Allen.

Das HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt