Kapitel 59

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Vor einer halben Stunde

Liam's Sicht

Als mir Aria nannte, wo er hin ging, konnte ich nicht warten. Ich stand auf und rannte den Flur entlang. Die Wut war größer, denn ich schaute mich um, aber sah ihn nicht. Wegen ihm wollte sich Aria das Leben nehmen und allein dieser Gedanke machte alles in mir schlimmer. Es war zum Durchdrehen. Deshalb blieb ich mitten im Gang stehen und hielt aufmerksamer nach diesem Bastard Ausschau. Meine Hoffnung ging allmählich zu Ende, bis ich eine Person eilig in den Aufzug einsteigen sah. Kurz bevor er das tat, drehte er sich um und blickte mir direkt in die Augen. Caden. Er begann breit zu grinsen, wobei sich etwas in mir regte, was meinen Geduldsfaden endgültig auseinanderriss.

Ohne eine tiefe Überlegung in meinem Kopf bewegten sich meine Füße in seine Richtung, weshalb er schnell in den Aufzug rein ging und die Türen sich schlossen. Ich erreichte ihn nicht mehr. Wütend schlug ich gegen die Tür, durch der er vor meinen Augen verschwand und rannte anschließend zu den Treppen. Mit Schnelligkeit eilte ich die vielen Stufen herunter und passte nebenbei auf, um nicht zu stolpern.

Im Augenblick konnte ich mich auf nichts, außer Caden konzentrieren, denn ich wollte ihn haben und ihn für all das büßen lassen, was er uns tat. Mein Gehirn schaltete sich buchstäblich aus und meine Gefühle siegten über mich, obwohl ich das nicht zu lassen sollte. Es stürzte mich in ein schwarzes Loch hinein. Ich bezweifelte sehr stark, dass ich meine Entscheidung aber bereute. Auch wenn Hass und Wut keine gute Kombination waren und in meiner Lage nicht einmal ansatzweise. Das einzige, was ich nicht kontrollieren konnte und was meine Aria große Angst bereitete. Bei ihrem Namen wurden meine Schritte langsamer, bis ich vollkommen stehen blieb. Meine Hand krallte sich an das Treppengeländer und ich kämpfte innerlich mit mir selbst. Sie verdiente das nicht. Es reichte, dass sie litt und aus diesem Grund versprach ich mir jetzt, ihm nichts zutun, jedoch ihn der Polizei zu übergeben.

Mit diesem Entschluss im Kopf rannte ich die letzten Stufen runter und riss die Eingangstür auf. Wachsam blickte ich mich um, aber konnte ihn nicht finden, was mich nur noch mehr aufregte.

"Liam!", hörte ich stattdessen Ace nach mir rufen, der außerdem gerade auf mich zu lief.

"Warum lässt du Aria allein?", fragte ich verständnislos und wütend zugleich, worauf er für einen Moment lang schwieg und mich lediglich kurz ansah.

"Sie hatte Angst um dich und wollte, dass ich zu dir gehe", erklärte er in einer ruhigen Tonlage.

"Du bist umsonst gekommen. Er ist mir entwischt", erwiderte ich daraufhin.

Somit drehte ich mich von ihm weg und wollte wieder zu Aria gehen, um sie nicht länger alleine zu lassen, aber Ace's plötzliche Frage brachte mich erneut zum Stehen.

"Wie sehr liebst du Aria?", wollte er von mir wissen.

Verwirrt drehte ich mich zu ihm um und verstand nicht, worauf er hinaus wollte. War das nicht schon klar und warum interessierte es ihn überhaupt? Das ging ihn nichts an. Meine Liebe zu ihr ging ihn nichts an. Nichts von Aria und mir ging ihn etwas an.

"Das zwischen Aria und mir geht dich nichts an", warnte ich ihn und ging einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu.

"Eine einfache Frage, Liam. Wie sehr liebst du sie?", wiederholte er sich und provozierte mich regelrecht.

"Ich liebe sie so sehr, dass nicht einmal der Tod meine Liebe zu ihr töten kann. Nichts ist wertvoller oder wichtiger als sie. Sie ist nämlich alles", erklärte ich ihm schließlich, was ihn zum Schweigen brachte.

"Aria ist mein Herz", fasste ich es zusammen.

"Hast du es jetzt verstanden?", regte ich mich auf und Ace begann langsam zu nicken, bis er leicht lächelte.

"Dann mach sie glücklich. Ich kann das nämlich nicht und werde es auch niemals können, denn Aria liebt lediglich dich. Sie hat immer nur dich geliebt und wird das auch für immer tun. Sogar jetzt sitzt sie vermutlich da oben und wartete ängstlich auf dich. Der Gedanke, dass dir etwas passiert, macht sie verrückt. So verdammt verrückt, dass sie mich sogar darum bittet nach dir zusehen und auf dich aufzupassen, damit dir nichts geschieht. So sehr liebt sie dich", meinte er nun.

"Du hast ihr Vertrauen gewonnen", bemerkte ich leise.

"Deins ebenfalls", erinnerte er mich.

"Ich werde Caden finden und dafür sorgen, dass er ins Gefängnis wieder kommt. Das verspreche ich euch beiden. Das ist meine Sache, denn Caden gehört auch in meine Familie. Aria ist bei dir sicherer. Caden weiß nun sowieso über alles Bescheid. Es bringt also nichts, wenn Aria noch länger bei mir bleibt. Du kannst besser auf sie aufpassen und sie glücklich machen", sagte er.

"Aria ist von mir endgültig befreit. Das war sie immer", flüsterte er den letzten Satz zu sich selbst, worüber ich nur die Augenbrauen zusammenzog und verwirrt blieb.

"Wie meinst du das?", hakte ich nach.

"Aria und ich haben nie geheiratet", erklärte Ace mir.

"Was?", verstand ich nicht.

"Die Hochzeit war nicht echt. Es war alles von mir aus geplant. Jeder sollte es nur glauben", antwortete er.

"Keiner, außer mir wusste davon und jetzt du", fügte er hinzu, weshalb ich ihn lediglich anblickte.

"Du hättest mit ihr heiraten können, aber hast es nicht getan. Warum?", konnte ich es nicht nachvollziehen.

"Diesen besonderen Tag wollte ich ihr nicht nehmen", murmelte er ehrlich und sah auf den Boden herunter.

"Ich liebe Aria, jedoch ist meine Liebe nur Gift für sie", lächelte er leicht gequält darüber, wobei diese Worte meine Hand zu einer Faust ballen ließ.

"Schlag mich ruhig. Ich verdiene es", sagte er und sah mich an, wobei ich in der nächsten Minute ihm wirklich eine verpasste.

Der Schlag kam überraschend, weshalb er auch einige Schritte zurück taumelte, aber nicht umfiel. Mit den Handrücken strich er sich über die blutige Lippe, da sie aufgeplatzt war. Für einige Sekunden starrte er nun die rote Stelle an. Als ob er in eine Starre versank, bis Ace den Blick hob und mir direkt in die Augen hinein blickte wie aus einer Trance erwacht. Ich konnte nichts in den Augen erkennen. Keine Emotionen. Es kümmerte ihn irgendwie gar nicht, doch damit irrte ich mich. Letztlich kam er auf mich zu, wobei ich mich schon wehren wollte, jedoch wollte er nicht zu schlagen. Er tat etwas, was mich bewegungslos und vollkommen sprachlos zugleich ließ.

Ace umarmte mich.

Das HerzWhere stories live. Discover now