Oxymoron (the hounds of baskerville)

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Ich atme tief ein.
Obwohl ich nicht angetrunken bin, hat sich eine Wärme in meinem Brustkorb ausgebreitet und färbt meine Wangen röter.
Ich hebe die Hand um mit den Knöcheln gegen das Holz zu klopfen. Ich muss nur wenige Augenblicke warten, bis die Haustür aufgeschwungen wird.

,,Hallo", sage ich ein wenig schüchtern und streiche mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr.

,,Hallo", erwidert Henry Knight überrascht.

Er sieht schlecht aus. Dunkle Ringe zeichnen sich unter seinen Augen ab. Seine Lippen sind trocken und die Haut leicht aufgeplatzt.
,,Es tut mir leid - Ich hoffe, ich störe Sie nicht. Ich dachte, ich sehe mal nach Ihnen?"
,,Oh. Das ist sehr nett", sagt Henry und es klingt ehrlich. Lestrade und Sherlock sind noch im Gasthaus, John ist irgendwo anders hin verschwunden und ich hatte das Gefühl, dass wir alle dabei Henry vergessen haben. ,,Entschuldigung, kommen Sie herein."
,,Danke."

,,Was haben die anderen gesagt? Hat John etwas über meinen Zu- zustand gesagt, hat er Sie geschickt?", fragt Henry, nachdem ich auf dem Sofa Platz genommen habe.
Unsicherheit.
Ich nehme einen Schluck von dem Glas Wasser, das Henry mir angeboten hat.

Fensterfronten ziehen sich vom teueren Holzboden bis zu den hohen Decken, aber durch die Beleuchtung kann man nur die Spiegelung im Glas sehen.

Ich beschließe nicht zu lügen. ,,John sagte, Sie seien manisch", sage ich ehrlich.

Henry stößt ein kurzes, freudloses Lachen aus. ,,Natürlich. Ich bin verrückt, oder?"

Ich zucke mit den Schultern und stelle mein Glas ab. ,,Was sagt denn Ihre Therapeutin?"

,,Kind- Kindsheitstrauma, Angstörung. Nicht-nicht verrückt, also. Bis jetzt zumindest", sagt Henry und lächelt ein wenig.

,,Dann nicht verrückt, also", wiederhole ich lächelnd.

Henry schluckt. ,,Warum sagt Sherlock dann, dass er nichts gesehen hat? Ich verstehe das nicht."

,,Ich weiß es nicht. Vielleicht hat er wirklich nichts gesehen. Vielleicht hat er etwas gesehen für das er keine Erklärung hat."

,,Aber dann- warum-?"

Ich lächle schmallippig. ,,Sherlock ist es nicht gewohnt, keine Erklärungen zu haben."

,,Geht es ihm gut?"

Offenbart wahrscheinlich gerade unschuldigen Hotelgäste gegenseitig ihre schlimmsten Geheimnisse.

,,Er... ist nicht gerade jemand, der viel darüber spricht, wie es ihm geht", sage ich vorsichtig, weil ich nicht zu viel Persönliches über Sherlock Preis geben will. Es würde sich zu sehr nach Verrat anfühlen, auch wenn Henry nur aus ehrlicher Anteilnahme zu fragen scheint.

,,Den Eindruck hatte ich auch schon."

,,Kann ich Sie etwas fragen?" Henry nickt nur. ,,Warum sind Sie nach Baskerville zurück gekommen?"

,,Ich kann nicht ewig weglaufen, oder? Meine Therapeutin meint, ich müsse mich meinen Dämonen stellen. Aber-" Er bricht ab.

,,Aber?", frage ich sanft nach.

,,Aber es ist auch wegen meinem Dad. Ich habe nie erfahren, was wirklich mit ihm passiert ist. Niemand hat ihm je geglaubt, wenn er über Baskerville geredet hat. Er war immer nur der Spinner, der in allem und jedem Verschwörungen gesehen hat. Er hat mehr als das verdient. Ich - ich kann in letzter Zeit an nichts anderes mehr denken, als die Nacht, in der - in der-." Henry beendet den Satz nicht. ,,Ich muss das tun."

Sie wollen seinem Tod Bedeutung geben.

,,Denken Sie jetzt, ich sei manisch?", fragt Henry niedergeschlagen.

days at bakerstreetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt