Bonnie und Clyde

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22.Oktober, Bishopsgate Polizeiwache
Auf der Polizeiwache herrscht reges Treiben.
Es hat irgendeinen größeren Unfall auf einer der Bundesstraßen außerhalb von London gegeben und immer mehr Beamte treffen ein und bereiten sich auf eine lange Nacht vor. Oder einen langen Morgen.
Der nächste Tag ist schon angebrochen - es muss irgendwann nach vier sein - auch wenn das Morgengrauen noch entfernt ist und ich vermisse mein warmes Bett schmerzlich.

Der Betrunkene in der benachbarten Zelle schlägt abwechselnd seinen Kopf gegen die Gitterstäbe und ruft Das Ende ist nah!.
Befürchte irgendwie, er könnte recht haben. 

,,Wir könnten Lestrade anrufen", schlage ich vor und verschränke die Arme vor der Brust, als ich mich mit dem Rücken gegen die Wand lehne. 

,,Ist auf einer Weiterbildung außerhalb von London", erwidert Sherlock träge.

Ungeduldig schnalze ich mit der Zunge.

,,Ich schätze bei Donovan haben Sie keinen Gefallen mehr gut oder so was?", frage ich leicht verzweifelt.

Sherlocks Augen verengen sich und er wirft mir einen kurzen, aber vernichtenden Blick zu.

,,Also nein."

Die Kälte der Steinwand dringt durch meinen dünnen Pullover und nistet sich langsam in meinen Gliedern ein.

,,Sagen Sie nicht oft genug, dass Ihr Bruder quasi die Regierung ist..."

Wortlos greift Sherlock in die Innentasche seines Jacketts und reicht mir sein Handy.

Vielleicht eine lehrreiche Erfahrung, Bruderherz. Für euch beide.
- MH leuchtet auf dem Display.

,,Verdammt", murmle ich. ,,Hier ist auch auf niemanden Verlass."

,,Sie haben Ihr Handy noch?", frage ich dann, schließlich hat man uns -ziemlich demütigend nebenbei bemerkt- alle persönlichen Gegenstände abgenommen. Was bei meiner Handtasche, in der sich neben meinem eigenen Handy auch drei mittlerweile antike Lippenstifte und mehrere alte Bonbon, die am Taschenboden festkleben, befinden, wohl eher eine Strafe für den Beamten ist.

Sherlock lächelt mich ein wenig hämisch an. ,,Sie etwas nicht?"

,,Sie... wissen Sie ich glaube, ich will gar nicht wissen, wie Sie das herein bekommen haben."

,,Sie sind erstaunlich ruhig", bemerkt Sherlock dann. ,,Und gar nicht Ihr normales hysterisches Selbst."

,,Haha", erwidere ich trocken. ,,Ich probiere da' was aus. Den Weg zu einem neuen, entspannterem Selbst. Also entschließe ich mich Ihren Kommentar als Kompliment zu sehen."

,,Mh." 

,,Sie werden's schon sehen", sage ich nur und setze mich neben ihn auf die Rand der schmalen Bank. ,,Rutschen Sie mal."

Vielleicht ist das Ganze ja keine ruinierte Nacht, sondern so etwas wie der Gipfel der Erleuchtung. Ab jetzt wird mich nichts mehr aus der Ruhe bringen!
Sherlock gibt einen widerwilligen Laut von sich, aber zieht seine Beine leicht zur Seite um mir Platz zu machen.

,,Das Ende ist nah!"

Sherlock sieht mich prüfend an.
,,Sind Sie immer noch ruhig?"

,,Das Ende-"

Ich atme tief durch.

,,Oh, vollkommen ruhig", erwidere ich durch zusammengebissene Zähne. 


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Trotz der Geräusche um mich herum (und der Tatsache, dass wir für mindestens zehn weitere Stunden auf einer Polizeiwache gestrandet sind) werden meine Augen langsam schwer und ich ziehe die Beine an und versuche eine bequemere Position zu finden.
John hat sich noch immer nicht gemeldet.

days at bakerstreetWhere stories live. Discover now