Meine Nahtoderfahrung No. 1 (the blind banker)

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18.August, ???
Meine Glieder fühlen sich schwer und kraftlos an, als ich langsam wieder zu mir komme.
Meine rechte Schläfe pocht schmerzhaft.
Es ist dunkel.
Ich weiß nicht wo ich bin.
Klasse.

Mein Blick findet Sarahs, die mir schräg gegenüber an einen Stuhl gefesselt ist und ich bin mit einem Mal hellwach. Ihr Gesicht ist kreideweiß und in ihren Augen kann ich die Angst lesen.
Gar nicht gut.
John sitzt auf dem Stuhl neben mir, aber scheint im Gegensatz zu uns noch bewusstlos zu sein und sein Kinn ruht auf seiner Brust.
Ich versuche reflexartig meine Beine auszustrecken, aber meine Bewegungen werden gehindert und ich stelle fest, dass meine Fußgelenke an die Stuhlbeine gebunden. Meine Arme sind ebenfalls mit dicken Seilen hinter der Lehne fixiert.
John hat eine Wunde an der Schläfe, an der frisches Blut glänzt.
Ich presse die Lippen zusammen und versuche meinen Kopf möglichst weit nach hinten zu lehnen und schaffe es den Knebel los zu werden.
Unsere Entführer sind in schwarz gekleidet und zu viert.
Damit ist das Verhältnis fast ausgewogen. Wenn wir nicht gefesselt und vollkommen wehrlos wären, natürlich.

Wir müssen in einer Art Tunnel zu sein. Die dunklen Wände scheinen jegliches Licht zu schlucken und ich habe das Gefühl in ein schwarzes Loch gefallen zu sein.
John bewegt leicht den Kopf, aber seine Augen sind geschlossen.

,,Ein Buch ist wie ein Zaubergarten, den man in der Tasche trägt", ertönt deine Frauenstimme.

,,Ist das Ihr Ernst", sage ich mit heiserer Stimme.
Einer der Schmuggler schlägt mir mit seiner Waffe gegen den Hinterkopf und ich stöhne schmerzhaft auf, was John aufzuwecken scheint.

,,Chinesisches Sprichwort", sagt die Frau, die wir zuvor bei der Aufführung gesehen haben, und tritt näher zu John. ,,Mr. Holmes."
,,Ich... bin nicht Sherlock Holmes."

,,Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen nicht glaube, was Sie da sagen", sagt sie gespielt vergnügt und hält ein Lederportmonee hoch.
,,Eine Kreditkarte auf den Namen Holmes."
,,Er ist nicht Sherlock!", rufe ich und mein Herz schlägt schnell.
,,Die - habe ich für ihn verwahrt", versucht John sie halbherzig zu überzeugen.
,,Eintrittskarten für das Theater. Bestellt auf den Namen Holmes. Wir haben es aus Ihrem eigenen Mund gehört: Ich bin Sherlock Holmes und ich arbeite allein."
,,Hab' ich das wirklich gesagt."
,,Er ist nicht Sherlock Holmes, Sie haben den Falschen, okay?!"
,,Halten Sie den Mund", mahnt sie mich und richtet den Lauf ihrer Waffe auf John.
,,Ich bin Shan", sagt sie zu ihm.
,,O-kay?"
,,Dreimal haben wir versucht Sie und Ihre Gefährten zu töten, Mr.Holmes. Was verrät es Ihnen, wenn ein Auftragsmörder nicht richtig trifft?", sagt sie und ihr Akzent wird gegen Ende des Satzes stärker.
Sie entsichert die Waffe und ihr Zeigefinger schwebt über dem Abzug.
,,Vielleicht brauchen Sie einen anderen Anreiz", sagt sie und richtet dann die Waffe auf Sarahs Kopf, deren Aufschrei von dem Knebel gedämpft wird.
,,Nein", ruft John panisch.

Sarah laufen Tränen über die Wangen und ihr Blick huscht von mir zu John, aber wir können beide nur zusehen.

Shan drückt ab und ich drehe den Kopf schnell zur Seite, aber es ist ganz still.
Nichts passiert.
Sarah schnappt erleichtert nach Luft und ihre Schultern sacken ein wenig zusammen.
Shan lächelt breit und lässt die Waffe sinken. ,,Es verrät Ihnen, dass er es nicht richtig versucht hat."

Dann wandert ihr Blick zu mir und ich versuche erfolglos zurück zu weichen, als sie näher auf mich zu kommt.

,,Wissen Sie, erst dachte ich Sie seien überflüssig. Wir hatten Mr.Holmes."
Ich habe dezente Angst jeden Augenblick als Mordopfer zu enden, aber ich bin doch etwas beleidigt. Ich meine, wie fühlt man sich, wenn selbst der eigene Kidnapper einem sagt man sei überflüssig?

,,Dann... lassen Sie mich gehen?", frage ich hoffnungsvoll.

Sie lächelt kurz freudlos. ,,Wir wollten Sie eigentlich los werden. Aber nein, vielleicht sind
Sie ja doch noch nützlich."
Ich glaube mir wird ihre Definition von nützlich nicht gefallen.
,,Meine Männer haben Sie schon vorher in Begleitung von Mr.Holmes gesehen. Mal sehen, wie viel ihm an Ihren Leben liegt."
,,Haben Sie sie, Mr.Holmes?", fragt sie ohne den Blick von mir abzuwenden. ,,Die Kostbarkeit?"

days at bakerstreetWhere stories live. Discover now