Trugbilder (the hounds of baskerville)

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04. März, Dartmoor 04:05
Fazit: Dämliche Höllenhunde können mir gestohlen bleiben.

Es ist noch dunkel, als ich das letzte Kleidungsstück in meinen Koffer werfe. Zerstreut laufe ich ins Bad um mich zu vergewissern, dass ich nichts vergessen habe.
Ich habe mein Gepäck nicht zusammengefaltet und der Stapel quillt aus dem Koffer heraus. Hastig schiebe ich meine Bürste in eine der wenigen Lücken an der Seite.

Verdammtes Dartmoor und verdammter Consulting Detective.

Letzte Nacht habe ich noch einige Stunden in geschocktem Zustand verbracht, über meinen Nachbarn nachgedacht, über Henry Knight, über das verdammte Universum, während sich die Wolken vor die Sterne geschoben haben.

Bis mir dann irgendwann Paul eingefallen ist.

Und das schlechte Gewissen hat mich wie ein Schlag in die Magengegend getroffen. Wie konnte ich Stunden brauchen, bis mir der Mann eingefallen ist, mit dem ich eine Beziehung führe?
Hätte das nicht vielleicht, das erste sein sollen, an das ich denke?
Nachdem Sherlock mich...geküsst hat?
Zu schnell, zu überraschend.
Ich habe keine Möglichkeit gehabt zu reagieren und Sherlock zum Teufel zu wünschen.
Nicht meine Schuld.
(Aber das Gefühl von Schuld bleibt, breitet sich wie Gift langsam in meinem ganzen Körper aus.)
Ich werde es Paul sagen müssen. So etwas verschweigt man nicht und wenn man es verschweigt kommt es irgendwann zurück und zerstört eine Beziehung.
Der Gedanke sollte mich beunruhigen, nervös machen. Wird er enttäuscht sein, wird er mir glauben, dass es mir nichts bedeutet hat, dass es nicht von mir ausging?

Ich halte inne und es ist, als würde ein schmerzhaftes Ziehen durch mein Herz gehen. Der Gedanke macht mich nicht nervös, weil... es mir nicht wichtig ist. Ich habe keine Angst, dass er mich verlässt, denn es wäre kein Verlust für mich. Mit einem Mal würde ich mich am liebsten aufs Bett setzen und eine Stunde lang weinen. Oder Stundenlang.

Was stimmt nicht mit mir? Ich hätte mir das schon viel früher eingestehen müssen. Denn ich mag Paul, aber es ist so wie bei jedem Mann vor ihm. Sobald es ernster wird, will ich es beenden.

Ich trete auf den Flur und ziehe die Tür leise hinter mir zu. Mit vorsichtigen Schritten schleiche ich an dem benachbartem Zimmer vorbei, in dem Lestrade schläft, und in Richtung Treppe. Ich will gerade den Koffer anheben und die erste Stufe hinunter steigen, als ein Räuspern mich inne halten lässt. Ertappt drehe ich mich herum und begegne Johns ruhigem Blick. Er trägt ein T-shirt und eine dicke Stoffhose. Seine blonden Haare sind vom Schlaf noch ein wenig verstrubbelt und in einer Hand hält er eine Teetasse.

,,Guten Morgen. Wollten Sie abhauen?", fragt er nonchalant und nippt an seinem Tee.

,,Nein! Natürlich nicht", sage ich verlegen. Wir sehen beide gleichzeitig zu dem Koffer neben mir und Johns Mundwinkel zucken nach oben. ,,Ich schlafwandle!", stammle ich. ,,Das war gelogen. Es ist nicht-. Okay, gut. Ich wollte abhauen."

,,Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen", sagt John aufmunternd.

Erschrocken blicke ich hoch. Weiß er-

,,Wie bitte?", frage ich mit hoher Stimme.

,,Na, was immer Sherlock zu Ihnen gesagt hat." John senkt die Stimme und fügt verschwörerisch hinzu: ,,Ich wäre gestern Abend am liebsten auch wieder alleine nach London zurückgefahren."

Innerlich atme ich erleichtert auf. Wie gut, dass John und Sherlock nicht nachts auf ihrem Hotelzimmer Eis essen und sich gegenseitig ihr Herz ausschütten. (Auch wenn ich viel für den Anblick geben würde.)

,,Hören Sie - Ich weiß, dass Sherlock manchmal verletzend sein."

Sie lenken mich ab. Permanent. Heißer Atem auf meiner Haut, kalte Hände, die mich näher ziehen.

days at bakerstreetWhere stories live. Discover now