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Während der Fahrt reden Maya und ich nicht wirklich viel, da sie stark darauf konzentriert zu sein scheint, keinen Kratzer in den Wagen zu machen. Zusätzlich ist es schon halb 3 und wir beide dementsprechend müde. Als wir an dem großen Apartmentgebäude ankommen, lotse ich Maya in die Tiefgarage. Das Aussteigen fällt mir zwar etwas schwer, doch ich schaffe es mit einem leichten Stöhnen aus dem Wagen. Noch wirken die Schmerzmittel ein wenig, allerdings möchte ich nicht wissen, wie es in einigen Stunden seien wird. "Wo sind wir?", fragt mich Maya, als ich in Richtung Treppenaufgang gehe, wo sich auch der Fahrstuhl befindet. "Unterkunft für die Nacht.", sage ich nur und halte ihr die Tür zum Treppenhaus auf. Ich sehe Maya's leicht genervten Blick, da ich ihr mal wieder keine konkrete Antwort gebe, doch ich bin aktuell wirklich nicht in der Stimmung, um ihr diesen Ort genauer zu erklären. Nachdem wir in den Aufzug getreten sind, hole ich mein Handy raus und gebe den Pin in das Zahlenpad ein. Sofort leuchtet auch mein Handy auf und ich bestätige den berechtigten Zugang. Der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung und ich lehne mich an die Wand und schaue Maya einfach nur an. Sie sieht müde aus, doch ansonsten ist ihr Blick neutral. Auch sie schaut mich an, ihre braunen Augen sind direkt auf meine gerichtet. "Reden oder schlafen?", frage ich sie, kurz bevor wir die oberste Etage erreichen. "Reden.", sagt sie nur monoton und ich nicke. Nachdem sich die Aufzugtüre öffnet, gehe ich direkt in Richtung Küche um die Kaffeemaschine zu starten. Wenn wir reden wollen, brauche ich etwas, was mich wach hält. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie die blonde junge Frau im Raum steht und sich umschaut. Tritt man aus dem Fahrstuhl raus, befindet man sich in einem kleinen Flur, in welchen auch die Treppe mündet. Danach betritt man einen großen offenen Raum, in dem sich die Küche, das Esszimmer und das Wohnzimmer befindet. Von diesem Raum gehen mehrere Türen ab. Darunter 2 Schlafzimmer, ein Fitnessraum, ein Arbeitszimmer und ein Billiardzimmer, welches nebenbei als Bibliothek genutzt wird. Eingerichtet wurde die Wohnung von meiner Mutter und ich mag ihren modernen Stil wirklich gerne. "Kaffee?", frage ich in den Raum, ohne Maya anzusehen, doch da sie nicht antwortet drehe ich mich ihr zu. "Möchtest du auch einen Kaffee?", frage ich erneut, als ich sehe, dass Maya nur mit großen Augen da steht und durch die Wohnung schaut. Sie scheint mich gar nicht mehr wahr zu nehmen, weshalb ich einfach eine Tasse für sie mit aus dem Schrank nehme und sie unter die Maschine stelle. Erst als das Mahlwerk zu arbeiten beginnt, höre ich, wie auch Maya sich wieder bewegt. "Wieso kenne ich diese Wohnung nicht?", fragt sie, während ich ihr immer noch den Rücken zugedreht habe. Nun bin ich die Verwirrte, drehe mich langsam zu ihr und schaue sie fragend an. "Wir haben alle Immobilien in eurem Besitz aufgelistet, diese jedoch nicht.". Nun verstehe ich was sie meint. Natürlich denkt die Polizei, sie wüsste bereits alles über meine Familie, doch vermutlich stehen auf der Liste nicht einmal die Hälfte der Gebäude, die im Familienbesitz sind. Da ich Maya dies allerdings schlecht ins Gesicht sagen kann, zumindest aktuell noch nicht, zucke ich nur mit den Schultern und hole eine neue Milch aus dem Schrank. "Wieso hast du dich nicht bei mir gemeldet?", frage ich nun Maya, während ich mich wieder der Kaffeemaschine zugewandt habe und es kaum erwarten kann, dass sie endlich fertig ist. "Ich ähm..", höre ich Maya vor sich hinstottern. Ich fülle etwas Milch in beide Tassen und drehe mich mit ihnen dann zu ihr um. "Couch oder Balkon?". "Stört es die Nachbarn nicht, wenn wir um die Uhrzeit auf den Balkon treten?". Diese Frage von Maya lässt mich leise lachen und ich blicke in ihre dunklen braunen Augen. "Keine Sorge, wir stören keinen.", sage ich mit einem amüsierten lächeln und gehe dann vor zur Balkontür. Nachdem ich diese geöffnet habe und meine Tasse bereits draußen auf den Tisch gestellt habe, gehe ich erneut rein und hole aus dem Schrank neben der Tür zwei Polster und Decken. Danach machen Maya und ich es uns auf der Couch bequem. Die Nacht ist sternenklar und die kühle frische Luft, tut vermutlich uns beide aktuell ganz gut. Maya hat sich in die Loungeecke gesetzt und sich mit einer Decke zugedeckt. Ich habe mit etwas Abstand zu ihr nun auch platz genommen, sitze allerdings eher seitlich auf der Couch um sie ansehen zu können. "Also?", frage ich erneut und bekomme nur einen verwirrten Blick. Ob sie weiß, wie unglaublich niedlich sie aussieht, wenn sich diese kleinen Falten auf ihrer Stirn und um ihre Augen herum bilden? "Warum hast du dich nicht gemeldet?", frage ich erneut, bevor ich einen Schluck von meinem Kaffee nehme. Ich sitze bequem im Schneidersitz und habe die Decke nur über meine Beine gelegt, da der Pullover den ich trage, gut warm ist. "Ich ähm also..", sie weicht meinem Blick aus und schaut nervös zwischen ihrer Tasse und der Umgebung umher. "Maya?", sie blickt mich nicht an. Ich rutsche näher zu ihr und lege eine Hand auf ihren Oberschenkel. "Redest du mal bitte mit mir.", sage ich etwas eindringlicher. Wieder weichen ihre braunen Augen meinen grünen aus. "Wo warst du letzte Nacht?", frage ich sie und auf diese Frage hin blickt sie mich auch endlich wieder an. "Was meinst du?", fragt sie mich und ich deute mit einem Kopfnicken zu ihr. "Na den Ringen unter deinen Augen nach zu urteilen, warst du nicht in deinem Bett.". Nun kaut sie sich nervös auf der Unterlippe und ich sehe, wie sich ihre Kiefermuskulatur immer wieder anspannt. Sofort schaue ich mir ihr Gesicht und ihren Hals etwas genauer an, doch ich sehe kein frisches Make-Up und erkenne auch nur die Reste der alten Hämatome. "Ich...versprich mir, mir bis zum Ende zu zu hören!". Ich starre sie einen Moment nur an. Langsam macht sie mich nervös, doch ich nicke nur und setze dann ein neutrales Poker-Face auf. "Am Samstag kam ein Anruf, dass es neue Erkenntnisse zu dem Unfall deiner Eltern geben würde. Darauf bin ich ins Büro gefahren und habe mich an die neuen Informationen gesetzt. Der Name Nikolaj Markow sagt dir doch bestimmt noch etwas oder?", ich schaue sie weiter neutral an, nicke allerdings erneut. "Über ihn sind wir auf den Namen 'Anatoli' gestoßen.". Bei der Erwähnung von Anatoli muss ich kurz schlucken, doch mein Poker-face bleibt erhalten. "Über die selbe Scheinfirma, über die Nikolaj einen Flug erhalten hat, sind am gestrigen Tag drei weitere Personen hier angekommen. Also habe ich die Nacht an meinem Schreibtisch verbracht, um die Bilder der Überwachungskameras auszuwerten. Den Tag habe ich mich dann bemüht, den Aufenthaltsort der Personen heraus zu finden, doch es ist mir nur bei einem gelungen. Ich war gerade auf dem Weg, um ihn zu beobachten, als ich von den Schüssen bei dir gehört habe.". Ihre braunen Augen sind die gesamte Zeit auf mich gerichtet, sie wirkt immer noch angespannt. Nachdem sie einen Schluck aus ihrer Tasse genommen hat, stellt sie diese Weg und holt ihr Handy unter der Decke hervor. Ich beobachte sie, wie sie auf diesem einige male etwas anklickt, bis sie mir das Handy zudreht. Da ich meine Hand immer noch auf ihrem Oberschenkel liegen habe und dementsprechend nicht von ihr weg gerutscht bin, spüre ich nun, wie sie leicht beginnt zu zittern. Nicht vor Kälte, sondern so wie es mir scheint vor Nervosität. Mit dem Blick weiter auf sie gerichtet, greife ich mit meiner rechten Hand nach ihrem Handy, während ich mit der linken meinen Kaffee auf der Couchlehne abstelle. Auf dem Display erkenne ich die Bilder der Überwachungskamera. Es sind drei Männer im schwarzen Anzug. Alle gut gebaut, doch ich erkenne sie nicht. "Streich einfach weiter nach rechts.", sagt Maya und ich spüre wie sie mich genau beobachtet. Das nächste Bild ist eine Nahaufnahme von einem der Männer, sein Gesicht kommt mir allerdings nicht bekannt vor. Ein Bild weiter weiten sich sofort meine Augen. Es ist der Mann, der auf mich geschossen hat. Zwar ist das Bild leicht verpixelt, doch seine Augenpartie erkenne ich sofort. Maya ist meine Reaktion natürlich aufgefallen, jedoch kommentiert sie diese nicht und blickt mich nur auffordernd an. "Streich weiter.", fordert sie und ich blicke ihr in die Augen, während ich ein Bild weiter streiche. Und nun sehe ich ein Gesicht vor mir, bei dem ich mir stark ein würgen unterdrücken muss. Er hat sich zwar teilweise von der Kamera weggedreht, doch ich würde ihn überall erkennen. Es ist Anatoli!

Meine Gedanken überschlagen sich. Ich muss meinen Eltern bescheid geben, dass Anatoli in der Stadt ist. Sie müssen sofort aus dem Krankenhaus raus und zum Anwesen. "Von wem konntest du den Aufenthaltsort bestimmen?", frage ich Maya streng, während ich bereits von der Couch aufstehe und mein Handy aus meiner Hosentasche hole. Maya blickt mich nur fragend an. "Maya, wo befinden sich die Herren?", frage ich erneut und sehe wie sie dieses mal bei meinem Ton kurz zusammenzuckt. "Der erste ist in einem Motel, oder er war zumindest heute Abend in einem. Also gestern Abend.", antwortet sie nun schüchtern und weicht dabei meinem Blick aus. Ich kann trotz der Dunkelheit sehen, wie sich eine Träne langsam den Weg über ihre Wange bahnt. Vermutlich habe ich sie gerade erfolgreich an ihren Ex erinnert. Kurz schließe ich meine Augen, bevor ich zurück zur Couch gehe und vor ihr in die Hocke gehe. Mein Handy habe ich bereits wieder in meine Hosentasche geschoben. Mit meinen Händen greife ich nach ihren und drücke sanft zu. "Schaust du mich bitte an?", frage ich ruhig, doch ihre Augen sind nur auf unsere Hände gerichtet. Erneut sehe ich wie Tränen ihr Gesicht herunter laufen. Ich löse meine Hände von ihren und lege sie links und rechts an ihr Gesicht um mit den Daumen ihre Tränen weg zu wischen. Maya schließt dabei ihre Augen und ich spüre weiter, wie sie zittert. "Es tut mir leid!", sage ich nun sanft und bekomme darauf einen überraschten Blick von der blonden Frau mir gegenüber. "Ich hätte nicht so harsch sein dürfen. Bitte verzeih mir.", füge ich an und schenke ihr dann ein sanftes lächeln. Ohne etwas zu sagen, nickt Maya nur, ihre Mundwinkel ziehe sich dabei jedoch etwas nach oben und ein leichtes schmunzeln bildet sich auf ihren Lippen ab. "Danke.", flüstere ich, bevor ich mich wieder aufstelle und ihre Stirn küsse. Am liebsten würde ich ihr meine gesamte Aufmerksamkeit gerade schenken, doch ich muss meine Familie schützen. Aus meiner Hosentasche hole ich erneut mein Handy. Rasch suche ich die Nummer von Damien raus. Dieser geht nach einem Moment auch an sein Telefon, jedoch mit einem undeutlichen Genuschel. Anscheinend habe ich ihn aus dem Schlaf geholt. "Anatoli ist in der Stadt.", dieser Satz reicht um ihn am anderen Ende der Leitung wach zu machen. "Sicher?", fragt er direkt und ich nicke, bis mir einfällt, dass er dies nicht sehen kann. "Ja. Seit gestern. Mum und Dad müssen in Sicherheit gebracht werden. Jetzt.". Nun herrscht Stille am anderen Ende der Leitung und ich vermute, dass Damien dieses mal derjenige ist, der nickt. Wie gut, dass sich dieses Talent in der gesamten Verwandtschaft verteilt. "Und was ist mit dir?", höre ich ihn nach kurzer Zeit fragen. "Ich kann hier aktuell nicht weg.", sage ich nur und blicke dabei zu Maya, die immer noch auf der Couch sitzt, doch sich nun aufrichtet und mich ansieht. Ich habe ihr versprochen, sie zu unterstützen und das werde ich jetzt auch tun. Verstecke ich mich jetzt, ist sie ihrem Ex ausgeliefert und das kann und werde ich nicht zulassen. "Dann pass auf dich auf. Du kennst ja die Regeln.". Als nächstes höre ich ein lautes Tuten und nehme mein Handy von meinem Ohr. Ich kenne die Regeln genau, weshalb ich die Sim-Karte aus meinem Handy entferne und diese zerbreche. Maya, die mittlerweile aufgestanden ist, kommt auf mich zu. Ihre braunen Augen blicken mich an und ich kann die Verwirrung in ihnen erkennen. Erst als sie genau vor mir steht, greift sie nach meiner Hand, in der ich noch die Reste der Karte habe. "Was hat das zu bedeuten?".

Richtig oder falsch?Where stories live. Discover now