Meine Nahtoderfahrung No. 1 (the blind banker)

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,,Ich weiß nicht wovon sie reden", antwortet John atemlos.

,,Da gehe ich lieber auf nochmal sicher", sagt sie und nickt einem der Männer zu. Er zieht das Tuch von einer Armbrust und mein Herz setzt einen Schlag aus.
,,Ich brauche einen Freiwilligen aus dem Publikum", meint sie übertrieben vergnügt.
,,Im Westen hat alles seinen Preis. Und der Preis für das Leben Ihrer Freundin: Informationen."

,,Nein!", keuche ich, als zwei der Schmuggler meinen Stuhl anheben und auf die gegenüberliegende Seite tragen. Direkt vor die Armbrust. Ich hasse diesen Abend, ehrlich.

,,Die Haarnadel, wo ist sie?", sagt Shan
und dann noch anderes, aber ich höre nur, wie das Blut in meinen Ohren rauscht und mein Herz pocht.

Shan sticht mit einem Messer in den Sandsack und ich sehe geschockt dabei zu, wie die Körner auf den Boden rieseln und hell auf dem dunklen Untergrund leuchten.
Klassische chinesische Entfesslungsnummer. Die Armbrust hat einen sehr sensiblen Abzug, höre ich Sherlocks Stimme leise in meinem Kopf sagen und ich muss schlucken.

,,Er kann es Ihnen nicht sagen, er ist nicht Sherlock!", sage ich atemlos und die Furcht packt mich an der Kehle.

,,Ich glaube Ihnen nicht!", zischt Shan und sie legt ihre gespielte Freundlichkeit ab, wie ein Kleidungsstück und ihre Stimme ist mit einem Mal schneidend.

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,,Das sollten Sie aber", ruft eine Stimme in einiger Entfernungen und wir halten alle inne.

,,Sherlock Holmes ist nicht im Geringsten wie er!", hallen die Worte von den Steinwänden wieder und Erleichterung zeichnet sich mit einem Mal auf Johns Gesicht ab.
„Wie würden Sie mich beschreiben, John? Einfallsreich? Dynamisch? Unergründlich?"

„Spät dran", meint John trocken.

Ich kann den Blick nicht von der Armbrust vor mir wenden, nicht mal um zu Sherlock, der sich einige Meter hinter mir befinden muss, zu sehen.

,,...könnte sogar abprallen und Sie treffen", sagt Sherlock noch zu Shan.
Sie legt den Kopf leicht zur Seite und scheint seine Worte zu bedenken, bis sie die einfachste Lösung vorzieht.
Sie verschwindet.
Sherlock kniet sich hinter mich und versucht die Fesseln an meinenen Handgelenken zuerst zu lösen.
,,Beeilen Sie sich!"
,,Ich rette Ihnen gerade das Leben, könnten Sie sich bitte aufhören zu beschweren", sagt Sherlock lächelnd.
Sarah sieht mich aus angsterfüllten Augen an und macht ruckartige Kopfbewegungen nach links.
Verwirrt versuche ich ihrem Blick zu folgen und sehe aus dem Augenwinkel einen von Shans Männer, der sich Sherlock nähert.
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,,Sherlock", versuche ich ihn zu warnen, aber es ist schon zu spät und der Schmuggler hat ein Seil um seinen Hals geschlungen und drückt zu. Sherlocks Hände verlassen meine und ich versuche mich verzweifelt von den Fesseln zu lösen.
,,Nein! Sherlock!"
Ein dünner Schweißfilm hat sich auf meiner Stirn gebildet und der Sandsack scheint bereits fast leer zu sein. Mir läuft die Zeit davon.
John versucht näher an die Armbrust heranzukommen.
Wie lange noch? 10 Sekunden? 5?
Mein Herz pocht laut in meiner Brust, als wüsste es, dass ihm nur noch wenige Schläge bleiben werden. Mein ganz eigener Trommelschlag für einen dramatischen, aber äußerst sinnlosen Abgang.
,,Louise", ruft John und er hat die Armbrust beinah erreicht, als er das Gleichgewicht verliert und sein Stuhl zu einer Seite nachgibt.

,,Nein, nein, nein", murmle ich und spanne meine Schultern an.
Meine Hände drücken gegen die rauen Seile, die meine Haut an den Druckstellen aufscheuern, doch sie geben nur kaum merklich nach.

Ich sehe kurz zu dem auf mich gerichteten Pfeil und verlagere mein Gewicht in einem verzweifelten Versuch mit aller Kraft nach rechts.
Ein Keuchen verlässt meine Lippen und schließlich schaffe ich es und die Welt um mich herum dreht sich kurz, bevor ich schmerzhaft mit samt Stuhl umkippe.
Ich presse mich so nah wie möglich an den Boden und kleine, spitze Steine bohren sich in meine rechte Seite, doch ich nehme es nur am Rande wahr.
Die Armbrust löst sich und ich spüre den Windhauch des Pfeiles, als er über mir hinweg rauscht.
Und dann wie jemand ein schmerzerfülltes Geräusch von sich gibt.
,,Sherlock?", frage ich erschrocken.
Mein Kopf pocht, als ich mich so weit es geht nach links umdrehe.

days at bakerstreetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt