LXXVIII

39 12 3
                                    

Eve

Ich riss die Tür auf und lief, so schnell ich konnte, durch den langen Flur, der aus dem Krankenhaus führte. Im Vorbeilaufen rempelte ich einige Leute an, die mir wütende Beschimpfungen nach riefen, doch ich überhörte sie. Lauf! Lauf! War das einzige, was ich dachte. Ich stieß die Eingangstür des Krankenhauses auf und lief auf die Straße. Ich hatte die Orientierung verloren und lief einfach nach rechts. So schnell ich konnte. Ich war noch nie in meinem Leben so schnell gelaufen. Ich wusste nicht ob er mir noch folgte, vielleicht war er ja von irgendeinem Krankenpfleger aufgehalten worden. Doch ich konnte nicht aufhören zu laufen. Ich konnte nicht zurück blicken. Ich traute mich nicht. Was, wenn er mir so dicht auf den Fersen war, dass er genau diese Sekunde, in der ich mich umdrehen würde, nutzen würde um mich umzubringen? Also lief und lief ich. Ich hatte schon Angst, dass ich durch Überanstrengung das Bewusstsein verlieren würde, doch eines wusste ich mit Sicherheit und zwar, dass ich solange ich noch bei Bewusstsein war, nicht aufgeben würde. Ich würde nicht aufhören zu laufen. Ich würde nicht aufhören um mein Leben zu kämpfen. Diesmal nicht. Ich wusste nicht wo ich war, doch ich musste mich weit außerhalb der Stadt befinden, denn die Häuser wurden immer weniger. Und als ich weiter lief, kam ich zu einer Brücke. Vor der Brücke hörte der Gehsteig auf, doch ich lief trotzdem weiter, da nicht besonders viele Autos auf der Brücke vorbei fuhren und ich so problemlos auf der Straße laufen konnte. Plötzlich raste ein Auto an mir vorbei und der beißende Geruch von Abgasen stieg mir in die Nase. Ich begann zu Husten. Ich hustete so sehr, dass ich beinahe stolperte. Nach Atem ringend blieb ich stehen. Ich riskierte einen Blick nach hinten, doch zu meinem Glück konnte ich ihn weit und breit nicht erkennen. Erleichtert blieb ich stehen und atmete tief durch. Ich hatte mich noch nie so sehr verausgabt. Ich ließ mich nieder und setzte mich ganz auf den Rand der Brücke um nicht auf der Fahrbahn zu sitzen. Ich ließ meine Beine baumeln. Ich atmete tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Nach einigen Minuten ging es einigermaßen und ich blickte mich um. Ich erinnerte mich an diese Brücke. Hier war ich früher öfter mit meiner Familie vorbei gefahren, wenn wir unsere Großeltern besucht hatten. Unter der Brücke befand sich ein breiter Fluss. Normalerweise hätte ich vermutlich Angst vor der Höhe und dem Fluss gehabt, ich hatte nämlich Höhenangst. Doch jetzt machte mir das keine besonders große Angst. Ich war so erleichtert, dass ich Jasper entkommen war, dass ich nicht mal wirklich darüber nachdachte, Angst vor der Höhe zu haben. Ich schloss die Augen. Wenn grad keine Autos vorbei fuhren, konnte ich den Fluss unter mir vorbei rauschen hören. Ich schloss die Augen und spürte die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Doch es fiel mir schwer sie zu genießen. Ich dachte über Jasper nach. Konnte es wirklich wahr sein, dass seine beiden Persönlichkeiten miteinander verschmolzen waren? Und wieso wollte er mich auf einmal umbringen? Er hätte mich die ganze Zeit umbringen können. Zum Beispiel im Keller. Doch damals hatte er mich ja unbedingt zum Essen bringen wollen. Er hatte gewollt, dass ich überlebe. Hatte ich ihn durch meine Worte und mein Lachen bei Dr. Yang so wütend gemacht, dass er mich deswegen umbringen wollte? Nur deshalb? Ich konnte es einfach nicht verstehen. Mir war klar, dass es ein Fehler gewesen war, aber die Frage hatte mich einfach so sehr überrascht. Ich gab mir ja selbst die Schuld. Durch mich hatte sich seine Persönlichkeit gespalten. Aber auch wenn er eigentlich nichts dafür konnte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich jemals wieder mit ihm zusammen sein könnte. Es war einfach zu viel geschehen. Es war unmöglich. Und jetzt war ja sowieso alles vorbei. Ich war mir ziemlich sicher, dass er jetzt endgültig den Verstand verloren hatte. Und ich wusste nicht so recht, was ich tun sollte. Wie ich nach Hause kommen sollte. Ich hatte mein Handy noch in der Praxis und ich hatte zu große Angst zurück zu gehen. Was wenn ich Jasper begegnete? Verzweifelt stütze ich meinen Kopf in die Hände und weinte.
„Na? Bereust du es jetzt, dass du mein Herz gebrochen hast? Jetzt wo ich dich nicht mehr brauche?" Ich schrie und sprang auf. Wie um alles in der Welt hatte er mich gefunden?
„J-Jasper." Die Tränen liefen mir übers Gesicht. „W-wie.."
„Eve. Ist doch egal wie...oder?" Er lächelte mich überheblich an und trat näher. „Das Einzige, was zählt ist, dass ich jetzt hier bin, findest du nicht auch? Ich bin hier um das alles zu beenden." Er packte mich am Arm und zerrte mich an den Rand der Brücke. Ich schrie auf. „N-nein Jasper, hör auf. Hör auf! So bist du nicht!" Doch er lachte nur. „Eve. Ich glaub du kennst mich gar nicht richtig. Ich hab mich ja selbst grad erst kennen gelernt."
„Jasper Nein! Das stimmt nicht. Ich kenne dich. Ich weiß, wer du bist. Aber das jetzt, das bist nicht du! Okay? Du liebst mich!" Er schüttelte den Kopf und schnaubte verächtlich. „Doch Jasper. Du liebst mich. Und ich liebe dich! Dich Jasper. Den Jasper, der mich liebt und mich beschützen will. Und ich weiß, dass ich diesem Jasper das Herz gebrochen habe und es tut mir leid. Es tut mir leid! Ich weiß, dass es meine Schuld ist. Jasper bitte tu es nicht. Bring mich nicht um. Du wirst es bereuen. Du bist nicht du selbst. Vielleicht wachst du morgen früh auf und dann merkst du was du getan hast. Das verspreche ich dir. Weil ich weiß, dass dieser Jasper, dieser Jasper der mich liebt immer noch irgendwo tief in dir drinnen steckt. Und das weißt du auch!" Ich war mir nicht sicher ob es half was ich sagte, doch er hörte mir zumindest zu und zerrte mich nicht weiter zum Abgrund. Also redete ich weiter. Ich versuchte Zeit zu schinden. Keine Ahnung, was mir das brachte, vielleicht hoffte ich ja auf ein Wunder. Aber wahrscheinlich war ein Wunder, im Moment, das Einzige was mich noch retten konnte. „Jasper. Bitte denk nach. Denk an mich, denk an dich. Denk an alles was wir gemeinsam hatten, wie sehr wir uns geliebt haben. Und denk an den Schmerz. Denk an den Schmerz den du gespürt hast als ich mit dir Schluss gemacht habe."
„Hör auf...", murmelte Jasper leise und verzog schmerzverzerrt das Gesicht.
„Fühlst du den Schmerz?" Er antwortete nicht, doch ich merkte, dass es so war. Sein Griff lockerte sich. Also redete ich weiter. Ich war mir nicht sicher, was ich redete, aber ich redete einfach weiter. „Okay gut Jasper. Du fühlst den Schmerz. Ich weiß es. Und weißt du was das bedeutet? Das bedeutet, dass du noch etwas für mich empfindest. Ich verstehe deine Wut Jasper. Was ich gesagt hab, war gemein und verletzend, es tut mir leid. Aber bitte.....Jasper bitte, lass es uns noch einmal versuchen. Lass uns nach Hause fahren und es noch einmal versuchen. Bitte." Ich blickte ihm so tief in die Augen wie ich konnte und legte ihm meine freie Hand auf die Wange. Ich sah wie sich Tränen in seinen Augen bildeten und er ließ meine Hand los. Doch anstatt die Situation zu nutzen, um weg zu laufen blieb ich stehen und redete weiter auf ihn ein. Ich wusste, dass es keinen Sinn gehabt hätte los zu laufen, das hätte ihn nur wütend gemacht und er hätte mich bestimmt eingeholt. Also blieb ich stehen, mit meiner Hand auf seiner Wange.
„Ich liebe dich Jasper. Und ich weiß, dass du genauso fühlst." Er antwortete nicht und ich sah wie sehr er gerade mit sich kämpfte.
„I-ich...", doch seine Tränen unterbrachen seine Worte. Ich schloss meine Arme um seinen Körper und umarmte ihn. Zögerlich erwiderte er die Umarmung. Seine Haut war warm und er roch so vertraut. Nach Jasper. Ich schloss die Augen und versuchte für einen kurzen Moment zu vergessen was passiert war und einfach nur an ihn und mich zu denken. Ohne Caleb. Sein Körper zitterte, er heulte. Ich betete zu Gott, dass das bedeutete, dass er wieder er selbst war.
„Jasper..." Ich löste mich aus der Umarmung und strich ihm mit dem Daumen die Tränen aus dem Gesicht. „Ganz ruhig." Ich redete weiter auf ihn ein. „Eve..", unterbrach er mich schließlich. „Es...es tut mir leid. Bitte...Bitte verzeih mir."
„Es muss dir nicht leid tun Jasper. Du warst nicht du selbst.", sagte ich vorsichtig.
„I-ich....Eve...Ich liebe dich."
„Ich weiß." Ich seufzte erleichtert auf. „Ich liebe dich auch." Ich wusste nicht, ob ich wirklich meinte was ich sagte, oder ob ich es nur tat um ihn zu beruhigen. Ich hatte so große Angst. Ich strich ihm über den Rücken und nahm ihn in den Arm und merkte, dass auch er sich langsam beruhigte. Ich weiß nicht wie lange wir so da standen, es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
„Eve?", sagte er nach einer Weile und trat zurück. Ich sah ihn fragend an. „Bekomme ich einen letzten Kuss? Einen allerletzten?"
„W-wieso einen l-letzten K-.?"
„Küss mich einfach." Er zog mich zu sich und presste mir seine Lippen auf den Mund. Ich schloss die Augen und vergaß alles. Ich spürte seine Verzweiflung und seine Liebe, aber vor allem spürte ich Jasper. Den richtigen Jasper. Nicht den Jungen, der mich im Keller gezwungen hatte ihn zu küssen. Es fühlte sich richtig an. Vorsichtig lösten sich seine Lippen wieder von meinen. „Es tut mir leid was ich dir alles angetan habe.", sagte er und ging langsam rückwärts. „Ich weiß, ich habe alles kaputt gemacht. Es tut mir leid....Aber bitte vergiss mich nicht." Zentimeter für Zentimeter bewegte er sich rückwärts, auf den Rand der Brücke zu.
„P-pass auf Jasper." Ich ging auf ihn zu, doch er hörte nicht auf mich.
„Vergiss Caleb. Vergiss alles was er dir angetan hat, aber bitte vergiss mich nicht." Tränen liefen seine Wangen hinab. Seine Fersen standen jetzt fast schon im Leeren und da wusste ich was er vorhatte. „Jasper...NEIN!"
„Vergiss mich nicht.", wiederholte er ein letztes Mal und blickte mir direkt in die Augen. Und ich erkannte wieder die Augen des Jungens in den ich mich verliebt hatte. Und dann ließ er sich fallen.

So leute...das wars❤ ich hoffe euch hat das Buch und danke fürs lesen :) love youuuuu ❤❤

Ps: schaut bitte mal bei 'Back to ALASKA' von _hanni__ vorbei. Das iset echt gut :) danke❤

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Jun 18, 2016 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Obsession - Lost In RealityWhere stories live. Discover now