XXIV

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Jasper

Heute war der erste Tag seit drei Wochen an dem Eve wieder in die Schule ging und ich war sehr aufgeregt. Nicht nur, weil ich mir Sorgen machte wie Eve damit umgehen würde, wieder unter so vielen Menschen zu sein. Mich quälte auch ein anderer Gedanke. Wie würden unsere Freunde reagieren, wenn sie sahen, dass wir jetzt befreundet waren?

Meine Freunde waren bestimmt nicht allzu begeistert davon. Sie hassten Eve, seit sie mir das Herz gebrochen hatte. Sie würden mich für bescheuert erklären, dass ich Eve verziehen hatte. Doch im Moment war mir die Meinung meiner Freunde nicht so wichtig. Ich wollte einfach nur Eve sehen. Mein Handy vibrierte. Ich warf einen Blick auf das Display und erkannte mit einem Lächeln, dass die Nachricht von Eve stammte.

‚Hey, ich kann heute nicht kommen. Komm zu mir, ich brauch dich. Es ist etwas passiert.'

Ich starrte erschrocken mein Handy an. Das Lächeln auf meinem Gesicht verblasste. Fuck. Sprach sie da etwa von C? Ich blickte auf die Uhr. Es war 7:28. Ich war grad auf dem Weg in die Schule. Meine Eltern würden mich umbringen, wenn sie erfuhren, dass ich die Schule schwänzte...Doch andererseits konnte ich sie doch nicht im Stich lassen oder? Nein konnte ich nicht.

‚Bin in 10min bei dir', schrieb ich ihr. Ich stieg aus dem Bus aus und machte mich auf dem Weg zu ihr. Ich beeilte mich. Ich schwitzte vor Aufregung und vor Anstrengung, denn ich lief so schnell ich konnte auf ihr Haust zu. Was war wohl passiert? Ich machte mir große Sorgen um Eve, ich hatte Angst.

Nervös klopfte ich an die Tür. Eve öffnete. Ihre Augen waren vom Heulen gerötet, sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. „Hey.", sagte sie mit erstickter Stimme und umarmte mich und ich hielt sie fest.

„Evie...w-was ist passiert?" Ihr Körper bebte, so sehr heulte sie. Ich tätschelte etwas unbeholfen ihren Rücken.
„C...Es ist wieder was passiert. Komm, ich zeig's dir." Sie zog mich an der Hand mit sich durch ihr Zimmer zu ihrem Badezimmer.

„Okay und was ist...- WOOAH" Ich zuckte zusammen als ich den zersplitterten Spiegel sah. Die Scherben lagen verstreut am Boden. Auf einigen davon stand etwas in roter Schrift.
„Ähm, Eve, hat C den Spiegel zerschlagen? Ich meine wieso? Was genau sollte das bringen?", fragte ich verwirrt.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Der war nicht zerschlagen. Da stand in roter Schrift was drauf." Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ich musste mich zusammen reißen um nicht auch los zu heulen, so weh tat es sie so zu sehen.
„Rote Schrift? Es war aber kein Blut oder? Weil wenn schon dann könnten wir vielleicht herausfinden wessen Blut und dann..-."
„Nein, das war kein Blut."
„Okay, und was stand drauf?"
„Na, Lektion gelernt? Ich liebe dich- C.", antwortete sie zögerlich und ich sah Tränen in ihren Augen glitzern.
„Oha. Okay. Aber was ist danach mit deinem Spiegel passiert?" Eve begann wieder zu weinen und ich legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.
„Ich bin ein bisschen ausgezuckt. Ich war so wütend und erschrocken..." Sie blickte auf den Boden. Sie war so traurig....so verzweifelt. So am Ende.

„Also hast du gegen den Spiegel geschlagen?", unterbrach ich sie mit möglichst ruhiger Stimme, ich war ja selbst kurz davor die Fassung zu verlieren.
„Ja.", antwortete sie kleinlaut, als wäre es ihr peinlich, dabei konnte ich es voll und ganz verstehen.
„Hast du dich verletzt?", fragte ich sie besorgt und sie löste sich aus der Umarmung.
„Naja." Sie hielt ihre Hand hoch um die sie ein Tuch gewickelt hatte. „Es ist nicht so schlimm. Ich hab mich nur geschnitten, aber das geht schon."
„Komm, zeig her." Wir gingen aus dem Badezimmer und setzten uns auf ihr Bett. Sie befreite ihre Hand aus dem Tuch und hielt sie mir hin. Über ihre Handfläche zog sich ein langer tiefer Schnitt. „Oh Shit. Habt ihr irgendwo Verbandszeug und Desinfektionsspray?"
Sie nickte. Wir gingen in das Badezimmer ihrer Eltern, wo sich der Medizinschrank befand. „Bist du allein zu Hause?"
„Mhm...mein Vater hat Nachtdienst und meine Mutter hat einen wichtigen Arzttermin, ich hoffe sie kommt bald zurück. Ich hab ihnen noch nichts erzählt. Weißt du was für eine Angst ich alleine zu Hause hatte? Ich meine er war in der Nacht in meinem Badezimmer!!" Ich hörte die Verzweiflung und die Panik in ihrer Stimme. „Ich dachte es ist vorbei.", fügte sie hinzu und senkte ihren Blick. Ich umarmte sie mitfühlend. So etwas hatte sie nicht verdient.
„So. Hier." Sie hielt mir das Verbandszeug und den Desinfektionsspray entgegen und wir setzten uns auf die Kante der Badewanne, damit ich ihr helfen konnte ihre Wunde zu verarzten. „Tut's noch weh?", fragte ich besorgt als ich fertig war.
„Nein, geht schon." Sie blickte auf und versuchte zu lächeln, doch mir konnte sie nichts vormachen. Sie schloss die Augen und ihr lief eine Träne über die Wange.
„Hey..." Ich wischte sie ihr vorsichtig weg. „Es ist okay. Du kannst ruhig weinen, ich bin für dich da. Ich werde immer für dich da sein."
Sie nickte kaum merkbar. „Ich weiß." Sie legte ihre Hand auf meine, die immer noch auf ihrer Wange lag. Sie schaute mir tief in die Augen. Und plötzlich hatte ich das Gefühl alles zu sehen. Ich hatte das Gefühl als würde ich sie sehen, ihr Inneres, ihre Gedanken, ihre Gefühle....Ich sah den Schmerz und die Angst in ihren Augen. Und ich spürte wie sehr sie mich brauchte. Es fühlte sich so gut an gebraucht zu werden, doch am besten fühlte es sich an, dass sie es war, die mich brauchte. Ich merkte dass wir uns schon eine Weile in die Augen sahen. Und plötzlich hatte ich dieses Gefühl, dieses Verlangen sie zu küssen. Wie in Trance näherte ich mich ihrem Gesicht. Sie blickte auf meine Lippen. Ich spürte, dass sie es auch wollte. Ich fühlte ihren Atem auf meiner Haut. Nur noch ein paar Zentimeter, dann würde ich ihre weichen Lippen auf meinen spüren. Ich vermisste ihre Lippen so sehr, ich wollte sie....Ich schloss meine Augen, um sie zu küssen. Um ihre Lippen wieder auf meinen zu fühlen....Doch es passierte nichts.

Ich öffnete meine Augen. Sie hatte ihren Blick gesenkt und schüttelte leicht den Kopf. „Tut mir leid...Aber ich glaube nicht, dass wir das tun sollten..." Sie ließ ihre Hand sinken und ich zog meine ebenfalls von ihrer Wange weg.
„Nein. Mir tut es leid... Es sind noch nicht mal drei Wochen vergangen, seit dem mit Matt...Es war rücksichtslos von mir. Sorry." Ich lächelte schüchtern und versuchte meine Enttäuschung zu verbergen. Ich hatte gedacht, sie hätte auch noch Gefühle für mich. Und es tat echt weh zu erkennen, dass dem nicht so war.

Obsession - Lost In RealityWhere stories live. Discover now