LXXVII

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Jasper

Sie lachte einfach. Wieso lachte sie? In mir zerbrach etwas. Sie hätte einfach nein sagen können. Sie hätte einfach sagen können, dass sie sich nicht vorstellen kann, dass das noch funktioniert. Von mir aus hätte sie auch sagen können, dass sie mich nicht mehr sehen wollte. Sie hätte sogar sagen können, dass sie mich hasste. Aber nein. Sie lachte einfach nur. Das war das schlimmste. Als würde sie mich verspotten. Als wäre es das abwegigste auf der ganzen Welt, dass sie wieder mit mir zusammen kommen konnte. Ich spürte wie sich Tränen in meinen Augen bildeten und ich nach unten blickte. „Was hättest du denn erwartet Jasper?“, fragte Eve und hörte auf zu lachen. Mir wurde heiß. Es war mir peinlich. Es war wirklich eine dumme Frage gewesen. Doch ich hatte angenommen, dass sie irgendetwas Nettes sagen würde. So war die Eve die ich kannte. Sie hätte etwas Nettes sagen können. Sie musste doch gemerkt haben, dass ich das alles gar nicht mit Absicht getan hatte.
„Jasper,“, meldete sich Dr. Yang wieder zu Wort. „Ich schätze du hast Eve etwas überfordert mit deiner Frage. Es ist einfach zu Früh so etwas zu Fragen. So etwas braucht Zeit und-.“, sagte Dr. Yang als sie merkte wie sehr mich ihr Lachen verletzt hatte, doch sie wurde von Eve unterbrochen.
„Überfordert? Nein. Er hat mich nicht überfordert. Aber ist das nicht eine dumme Frage? Nicht, dass er sich entschuldigt, nein. Dass erste was er wissen will ist ob wir wieder zusammen sein können.“
„Ich hab mich entschuldigt.“, antwortete ich leise und starrte meine Hände an. Meine Augen brannten.
„Per Brief. Wow.“ Ich hörte die Bitterkeit in ihrer Stimme.
Ich schüttelte den Kopf. „Also deine Antwort ist Nein?“
Sie lachte wieder. Es war kein wirkliches Lachen. Es war eher ein abfälliges Schnauben. „Nein Jasper. Die Antwort ist nein, okay? Nein!“ Eve verschränkte die Arme. Schlampe!, hörte ich seine Stimme und ich wunderte mich gar nicht erst darüber. Ich musste mich wohl daran gewöhnen. Nein. Nein. Nein. Nein. Wiederholte die Stimme. Ich konnte sie nicht ignorieren. Es ging einfach nicht. Ich konnte es nicht. Sie machte mich wütend. Ich drehte mich zu Eve um. Sie saß immer noch mit verschränkten Armen neben mir und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich sah in ihre Augen. Ich hasste die Art, wie sie mich anschaute. So abfällig. So wie in meinen Träumen. So wie sie Caleb normalerweise ansah.
Sie will dich nicht.
In meinen Augen bildeten sich Tränen. Dr. Yang und Eve saßen einfach nur da und sagten nichts. Doch es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Ich hörte im Hintergrund die Uhr Ticken. Tick, Tack. Tick, Tack. Es ging mir auf die Nerven. Ich spürte wie mir heiß wurde. Immer heißer.
Ich hörte Dr. Yang irgendetwas sagen. Eve antwortete. Doch der Klang ihrer Stimme gefiel mir nicht. Nicht so wie früher. Sie machte mich wütend. Sie gehört dir nicht. Sie will dich nicht.Ich hörte auf die Stimme. Sie hatte Recht. Sie wollte mich nicht. Mein Kopf begann zu hämmern und ich stützte ihn in meine Hände. Okay. Dann wollte sie mich eben nicht, dachte ich mir. Dann eben nicht. Ich hob meinen Kopf und ließ meinen Blick durch das Zimmer gleiten. Ich sah die verschiedenen Kästen. Ein Fenster, einen Schreibtisch mit einen Schreibtischstuhl davor. Die Sonne schien durchs Fenster. Sommer….Ich liebte Sommer. Ich liebte ihn so sehr. Doch ich war hier drinnen. Gefangen. Eingesperrt. Eingesperrt wegen Eve. Ja…Wegen Eve! Sie war Schuld. Sie war an allem Schuld. Ich ließ meinen Blick über den Schreibtisch gleiten und sah etwas in der Sonne glitzern. Es blendete mich. Langsam stand ich auf und ging darauf zu. Als ich näher trat erkannte ich was es war. Es war eine metallene Schere. Ich wog sie in der Hand. Sie fühlte sich schwer an. Ziemlich schwer. Sie war ungewohnt warm für eine Schere aus Metall, doch dann fiel mir wieder ein, dass sie ja die ganze Zeit in der Sonne gelegen hatte. Ich fuhr mit dem Finger über die Schere und fühlte wie Spitz sie war. So wie die Scherbe von letzter Woche. Ich dachte zurück an den Schmerz. Es hatte so furchtbar wehgetan. Warum hatte ich es getan? Warum hatte ich mir die Scherbe in den Bauch gerammt? Wegen Eve….Wegen Eve. Natürlich, wegen wem denn sonst? Ich dachte weiter zurück. Mir fiel der Schmerz ein. Der Schmerz in meiner Schulter. Eve. Das Messer. Auch diesen Schmerz hatte ich Eve zu verdanken. Doch der schlimmste Schmerz von allem, war der in meinem Herzen. Ich betrachtete die Schere und lächelte….Denn der Schmerz war weg. Ich dachte nicht mehr darüber nach, was für ein schrecklicher Mensch ich war. Ich dachte nicht mehr darüber nach, dass Eve mich nicht mehr wollte. Denn ich brauchte sie nicht. Ich brauchte Eve nicht. Und diese Erkenntnis löste ein Glücksgefühl in mir aus.
„Jasper? Leg das lieber weg, okay?“, hörte ich die beunruhigte Stimme von Dr. Yang hinter mir. Sie war aufgestanden und ging langsam auf mich zu. Ich drehte mich um. Ich hielt die Schere vor meinen Körper und lächelte. Ich lächelte weil es sich so gut anfühlte dass dieser Schmerz endlich weg war. Das dieses Verlangen nach ihren Berührungen und ihrer Liebe endlich weg war. Es war alles weg. Denn all diese Gefühle, die Verzweiflung, die Liebe…Alles hatte sich in puren Hass umgewandelt. Ich ging langsam auf Eve zu. Plötzlich stellte sich mir Dr. Yang in den Weg. Ich stieß sie auf die Seite doch sie klammerte sich an meinen Arm und versuchte mir die Schere zu entreißen. Sie redete irgendein psychiatrisches Gelaber auf mich ein, doch es war mir egal. Ich fühlte mich grad nämlich überhaupt nicht verrückt. Ich fühlte mich das erste Mal seit langem wie Ich selbst. Ich zog meine Hand ruckartig zurück und sie stolperte. Ich trat mit meinem Fuß so fest ich konnte gegen ihr Knie und sie fiel auf den Boden. Sie versuchte sich aufzurappeln, doch ich trat gegen ihr Gesicht und sie wurde bewusstlos. So einfach ging das. Das alles war innerhalb von Sekunden passiert und ich bemerkte Eves erschrockenen Blick. Tu es. Ich hörte auf die Stimme und ging langsam auf sie zu. Dr. Yang schrie etwas. Eve stand hektisch auf und wich zurück. „Jasper…“, stammelte sie, „Bitte.“ Ich reagierte nicht, sondern ging weiter. „Oder Caleb?“ Ich lächelte. Sie dachte ich wäre gerade Caleb. Doch das war ich nicht. Ich war auch nicht Jasper. Ich wusste nicht, wer von den beiden ich gerade war, aber das war auch egal, denn ich fühlte mich gut. Besser als sonst. Das erste Mal seit Wochen herrschte wieder Klarheit in meinem Kopf. Plötzlich wusste ich alles. Mir schien alles so klar. Die Erinnerungen an den Keller und an die Morde…Alles war klarer als je zuvor. Ich hatte endlich das Gefühl als wäre ich frei. Frei in meinem Kopf. Ob Jasper oder Caleb…Egal. Wieso sollte ich denn nur einer sein? Mir wurde nämlich klar, dass es egal war. Ich fühlte mich gut. Ich fühlte mich vollkommen. Ganz. Als hätte ich meinen verlorenen Teil wieder gefunden. Als wäre ich einfach nur ich. Also egal ob mein Name Jasper, oder Caleb war, ich war ich. Und ich tat, was ich für richtig hielt.
„Eve, es ist vorbei.“, hörte ich mich selbst sagen. „Es ist vorbei.“ Ich legte eine dramatische Pause ein und trat näher. „Weißt du, ich brauch dich nicht mehr. All das hab ich für dich getan. Ich weiß, dass es falsch war deinen Freund zu töten und deine Freunde, ich gebe zu das war übertrieben. Aber ich hab dich geliebt. Ich hätte alles für dich getan, ich hab ja wie du gesehen hast sogar für dich getötet. Ich wollte einfach nur, dass du mir gehörst. Nur mir. Und ich sehe jetzt ein, dass du das nicht willst. Und das ist okay so. Ich brauch dich nicht mehr.“ Ich trat näher und sie wich zurück. Doch weiter ging es nicht mehr, sie hatte die Wand schon erreicht. „C-Caleb..“, murmelte sie und ich lachte. „Begreifst du es nicht Eve? Ich bin nicht Caleb. Ich bin auch nicht Jasper. Ich wusste im Moment nicht wer ich war. Ich wusste nur, dass ich mich gut fühlte, so wie ich grad bin. Vielleicht sind meine Persönlichkeiten verschmolzen. Vielleicht bin ich ja jetzt mein wahres Ich. Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Im Moment will ich nur eines.“ Ich trat näher und drückte sie gegen die Wand. Ich hielt ihr die Schere an die Kehle. Keine Ahnung wieso sie sich nicht werte. „B-Bitte. D-Das bist nicht du Jasper. Bitte.“ Sie versuchte meine Hand wegzudrücken. Ich lachte. Es war so lächerlich. Ich war ich selbst. Sie hatte keine Ahnung wie sehr ich eigentlich grade ich war. „Hast du vielleicht noch irgendwelche Abschiedswörter, die du mir mitteilen möchtest bevor ich dich umbringe? Sie schluckte. „Ich..ja.“ Gespannt wartete ich auf ihre Worte. Doch plötzlich spürte ich einen furchtbaren Schmerz in meinem Schienbein und ging mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Knie.

Obsession - Lost In RealityWhere stories live. Discover now