Blank Dream

By kaddyabby

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Das Leben ändert sich. Immer wieder, ohne dass du oder ich einen Einfluss darauf haben. Felicitas Leben wird... More

~Eins~
~Zwei~
~Drei~
~Vier~
~Fünf~
~Sechs~
~Sieben~
~Acht~
~Neun~
~Zehn~
~Elf~
~Zwölf~
~Dreizehn~
~Vierzehn~
~Fünfzehn~
~Sechzehn~
~Siebzehn~
~Achtzehn~
~Neunzehn~
~Zwanzig~
~Einundzwanzig~
~Zweiundzwanzig~
~Dreiundzwanzig~
~Vierundzwanzig~
~Fünfundzwanzig~
~Sechsundzwanzig~
~Siebenundzwanzig~
~Achtungzwanzig~
~Neunundzwanig~
~Dreißig~
~Einunddreißig~
~Zweiunddreißig~
~Dreiunddreißig~
~Vierunddreißig~
~Fünfunddreißig~
~Sechsunddreißig~
~Siebenunddreißig~
~Achtunddreißig~
~Vierzig~
~Einundvierzig~
~Zweiundvierzig~
~Dreiundvierzig~
Frage+Antwort (Sorry :D)
~Vierundvierzig~
~Fünfundvierzig~
~Sechsundvierzig~
~Siebenundvierzig-Ende~

~Neununddreißig~

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By kaddyabby


Ein Schwall aus roter, warmer Flüssigkeit spritzte ihm entgegen, besudelte seinen nackten Oberkörper. Übersäht mit Kratzern und frischen Wunden neigte er seinen Kopf, blickte auf den Mann unter sich. Ihm fehlte ein Arm. Abgerissen. Ein hämisches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Blonden aus, dessen Hand die Kehle des Sterbenden umschloss. Nur einmal zudrücken, dann wäre es vorbei. Aber es so schnell enden zu lassen, erschien ihm langweilig. Lieber bohrte er seine Faust in den blutigen Stumpf und riss sich seine eigene Haut an dem geborstenen Knochen auf. Der Schmerz, er war nicht länger existent und so machte er weiter. Immer weiter, bis der Mensch unter ihm elendig dem Leben absagte. Seine Augenlider flackerten, dann verdrehte er die Augen und seine Brust hob sich zum letzten Mal.

Gians warmer Atem zeichnete sich in dünnen, kaum sichtbaren Schlieren in der Luft ab. Den Blick starr auf den Leichnam unter sich gerichtet, verharrte er so eine Weile. Er wartete, bis auch der letzte Tropfen Blut den Körper verlassen oder an diesem getrocknet war. Der Tod fühlte sich verlockend an, nur dass er sich seinen eigenen wünschte. Wenn sein Leben endete, endeten auch die Schreie in seinem Kopf. Dann müsste er sich selbst nicht länger dabei beobachten, wie er Unschuldige abschlachtete.

Wie in Trance erkannte er weitere Gestalten, sie auf ihn zukamen. Schnell. Sie riefen sich gegenseitig etwas zu, aber seine Ohren nahmen keinerlei Worte mehr wahr. Für ihn hörte es sich nach Gemurmel an. Töne, die in einem Rauschen erstickt wurden.

Plötzlich packte ihn jemand von hinten, riss ihn von dem Toten. Sein Angreifer schlug mit dem Griff einer Pistole mehrfach gegen den Schädel. Gian spürte jedoch nichts. Es erschien ihm so, als gehöre dieser Kopf gar nicht zu ihm. Geist und Körper waren voneinander getrennt. Seine Seele, die Gefühle und Wahrnehmungen eingesperrt hinter einem gläsernen Vorhang, den er nicht passieren konnte.

„Du Volltrottel!", brüllte ein Mann ihm entgegen und trat ihm in den Magen. „Komm endlich zu dir!"

Antonios Gesicht wurde deutlicher, schnitt sich den Weg durch den Vorhang hindurch bis zu Gians Innerem. Er begann zu zittern, wollte sich übergeben, aber sein Magen war leer. Seit Tagen hatte er nichts gegessen, nicht geschlafen. Langsam sackte er zusammen. Die Schmerzen seiner vielen Wunden blieben dennoch weg, was ihn verunsicherte. Wieso konnte er nichts spüren? Keine Emotionen, keine körperlichen Schmerzen. Er war ein Monster, gemacht um zu töten.

„Verdammt!", wieder verpasste Antonio ihm einen Faustschlag. Dieses Mal ins Gesicht. „Soll ich dir erst alle Zähne ausschlagen, bis du Vernunft annimmst?"

Gian wurde weiter geschüttelt, seine Sinne trübten sich aber immer wieder. Seine Partner, seine einzige Familie in Gefahr zu bringen, könnte er sich nicht verzeihen. Weshalb erschossen sie ihn nicht einfach hier und jetzt. Seine Leiche würde niemanden stören.

„Wir müssen Felicita finden, verdammt", redete Antonio weiter auf ihn ein und endlich regte sich etwas in Gians Innerem. Etwas, das rausgelassen werden wollte. „Hey Kumpel. Falls du sprechen kannst, sag was."

Der Blonde hob eine Hand, um seinem ehemaligen Boss zu signalisieren, dass er sehr wohl anwesend, wenn auch nicht in der Lage zu sprechen war. Erleichtert und gleichzeitig skeptisch ließ Antonio ihn zu Boden sinken. Die Übrigen hielten ihre Waffen bereit. Ein halbes Dutzend hatte er im Schlepptau.

„Erst mal bringen wir dich in Sicherheit."

„Was ...", Gian musste sich räuspern und hustete einige Male, bevor er die Worte quälend herauspresste. „Was ist mit ihr?"

Antonio mied den Blickkontakt und das war Antwort genug. Gian rappelte sich auf, strauchelte nach vorn und verlor beinahe die Kontrolle über sich. Das Aufstehen war zu viel für ihn. Jede Anstrengung drückte die Rage in ihm hinauf, feuerte den Drang zum Töten an. Auch Antonio erkannte das, obgleich er Gian stützte.

Er konnte nicht aufgeben, solange es noch Menschen gab, die an ihn glaubten. Die hofften, dass er es schaffen würde, selbst wenn er sich bereits aufgegeben hatte. Sein Kopf dröhnte, doch allmählich brachten die bekannten Gesichter vor ihm seine vernunftbewusste Seite zurück. Sicherheit bedeutete das aber noch lange nicht.

„Legt mich in Ketten", bettelte er und hielt seine geschundenen Handgelenke nach vorn. „Beeilung."


Schweiß rann ihren Rücken hinab, erkaltete sofort. Sie schaute sich sporadisch um, wollte sichergehen, dass ihr niemand folgte und tatsächlich konnte sie unbehelligt fliehen. Fliehen wohin? Felicita wusste nicht mehr, wie lange sie gelaufen war, bis ihr die Luft weggeblieben war. Zuerst fühlte sie sich zwischen den hohen Häusern geschützt, doch Erinnerungen an zwielichtige Gestalten belehrten sie eines Besseren und sie suchte den schnellsten Weg aus der Stadt heraus.

Es war ein komisches Gefühl, allein zu sein. Kein schlechtes, wie sie feststellte, denn in dem Haus der Del Monte Familie erging es ihr wesentlich schlechter. Die frische Brise trug ihre Ängste mit sich, die Zweifel und den Kummer. Auch wenn sie nicht wusste, wo sie landen würde, wäre dieser unbekannte Weg vor ihr doch um einiges besser, als alles, was hinter ihr lag.

Sie warf einen letzten Blick über die Schulter, betrachtete die graue Stadt. Diese Ferne und die Einsamkeit wirkten befreiend. So hätte es sein sollen, als sie die Arena verlassen hatte. Zusammen mit Gian. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Körper, verdrückte ihr Herz. Gian gab es nun nicht mehr, damit musste sie sich abfinden. Mit aufeinandergepressten Lippen lief sie weiter ins Unbekannte.

Da sie sich nahe der Schleichwege aufhielt, kamen ihr nur gelegentlich ein oder zwei Autos entgegen. Trotzdem konnte jeder Fremde eine Gefahr darstellen, das war ihr klar. In den nächsten Stunden musste sie außerdem einen Schlafplatz finden, denn hier draußen würde sie erfrieren oder schlimmeres. Sie seufzte und schaute sich um. Ein paar Bauernhäuser standen hier und da, aber würde man sie einlassen? Seitdem die Insassen der Arena geflohen waren, schwand das Vertrauen der Bewohner nicht nur gegenüber der Regierung. Es war verständlich. Sie würde einer Fremden auch nur ungern den Eintritt in ihr Heim erlauben und mit dem Hintergedanken, dass diese Fremde eine Verbrecherin sein könnte, minimierten sich die Chancen auf ein warmes Plätzchen.

Dennoch versuchte sie ihr Glück, ihre Alternative war nämlich keine Option. Ein besonders kleines Haus schien ihr ein gutes Testobjekt zu sein. Erst klopfte sie verhalten an die Tür, doch niemand reagierte. Die Kälte schlich sich allmählich bis in ihre Knochen, also hämmerte sie fester gegen die Holztür und endlich regte sich im Inneren jemand. Eine ältere Dame öffnete und ein Auge schaute durch den Spalt.

„Entschuldigen Sie die Störung", begann Felicita und umarmte sich selbst, damit die Restwärme sie nicht auch noch verließ. „Ich hatte mich gefragt, ob ich eventuell eine Nacht bei Ihnen unterkommen könnte."

„Was macht eine junge Dame so spät alleine hier draußen?"

„Ich ...", die Skepsis in der Stimme der Frau war kaum zu überhören, daher legte Felicita alle Fakten auf den Tisch. „Ich bin von zu Hause weggelaufen."

Das eine, sichtbare Auge der Alten weitete sich und gleichzeitig schloss sie die Tür. Das Herz des Mädchens blieb stehen, da ihr erster Versuch bereits so kläglich scheiterte und die übrigen Häuser mehrere Kilometer voneinander entfernt standen. Doch plötzlich öffnete sich die Tür ganz und die alte Frau bat sie herein.

„Warum hast du dein Zuhause verlassen?", erkundigte sie sich freundlich, während Felicita eintrat. „Hat deine Familie dich nicht gut behandelt?"

„Es war nicht einfach dort."

„Schon gut, du musst mir das nicht erklären. Mein Name ist Marie und deiner Kind?"

„Felicita."

„Ein schöner Name", die Frau beugte sich in das Nebenzimmer. „Pablo, wir haben Besuch. Setzt du einen Tee auf?"

Das ältere Ehepaar nahm das Mädchen bereitwillig auf und hinderte sie daran, ihren Weg fortzusetzen. Eine Woche lang war Felicita jeden Morgen bereit zu gehen, aber Marie sagte immer, sie habe so viel Essen gekocht, dass sie noch nicht gehen könne oder sie Hilfe bei anderen Dingen benötige.

„Eine junge Person bringt so viel mehr Leben in unser Haus", war einer ihrer liebsten Sätze. „Mädchen, wir können dich so dünn und ausgehungert nicht nach draußen lassen. Iss noch etwas und in drei Tagen kannst du weiterziehen, wenn du möchtest."

Auch Pablo, wenngleich er nicht viel erzählte, verhielt sich zuvorkommend und gastfreundlich. So kam es schließlich dazu, dass Felicita bei den beiden blieb. Erst wollte sie nur drei Wochen auf dem Bauernhof wohnen, doch daraus wurde ein Monat, dann zwei und letztlich konnte sie die zwei nicht mehr so einfach verlassen. Sie half bei der Hausarbeit und reparierte eine der landwirtschaftlichen Maschinen mit Pablo. Eine eigenartige Situation. Nach allen neuen Erfahrungen, die sie gemacht hatte, stach diese am meisten heraus.

Obwohl Marie ihr so viel Wärme und Geborgenheit – Werte, die sie gar nicht kannte – entgegenbrachte, hatte Felicita ihr noch nichts von ihrer Vergangenheit erzählt. Ein dicker Kloß hinderte sie am Atmen.

„Alles in Ordnung?", fragte Pablo mit rauchiger Stimme.

„Ja, es ist nichts", erwiderte sie und gab ihm den Schraubenschlüssel an. „Ich habe mich nur verschluckt."

Am Abend setzte sie sich jedoch mit den Beiden zusammen und die Worte flossen nur so aus ihr heraus. Sie erklärte ihnen, dass sie in einem Waisenhaus groß geworden war, danach von ihrem eigenen Vater – der zu diesem Zeitpunkt seine Identität aber noch geheim hielt – in die Arena gesteckt wurde und schließlich in einer Mafiafamilie landete. Anfangs nahmen Pablo und Marie die Informationen sehr gefasst auf, doch als es um die Mafia ging, wurden sie sichtbar unruhiger. Wer konnte es ihnen auch verübeln?

„Suchen sie dich?", hakte Marie mit zitternder Stimme nach.

„Ich weiß es nicht. Mein Vater liegt im Koma, mein Onkel Remi hat mich anscheinend einfach gehen lassen. Keine Ahnung was sie vorhaben, aber ich denke, wenn ich weg wäre, käme das zumindest Remi zu Gute", sie hob den Kopf. „Und ich verstehe es, dass ihr mich nun ungern um euch habt. Ich bin euch zutiefst dankbar für die Hilfe und falls ihr es wollt, gehe ich noch heute."

„Nein, nein", entgegnete die ältere Frau sofort. „Wir werfen dich doch nicht so mir nichts, dir nichts vor die Tür", Pablo nickte zustimmend. „Keiner weiß, dass du hier bist, also sind wir sicher."

„Danke, wirklich."

Dennoch war ihr bewusst, dass diese Sicherheit recht schnell vernichtet werden konnte. Vielleicht sollte sie sich in den kommenden Tagen davonstehlen, damit dem Ehepaar nichts passierte. Es endete doch immer gleich und letztlich kamen diejenigen ums Leben, die es am wenigsten verdienten.

„Du siehst nicht so aus, als wärst du damit einverstanden", stellte Marie besorgt fest.

„Ich ... Ihr seid meinetwegen in Gefahr. Remi und seine Männer machen sich nichts aus dem Leben anderer."

„Wir haben schon viele Jahre hinter uns", mischte sich Pablo ein und legte seine Hand auf Maries Schulter. „Mach dir keine Gedanken um unsere Leben. Wir haben die meiste Zeit bereits hinter uns und irgendwann holt der Tod einen jeden."

Tränen rannen Felicita über die Wangen. Sie verdiente diese Menschen nicht, aber sie wollte diesen Ort, der sich so gut anfühlte, nicht verlassen.

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