Defenseless

By Emaayy

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„Ich kann es ernsthaft nicht fassen, dass du ihn wegen mir geschlagen hast. Wieso hast du das getan Damian?" ... More

Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Teil 7
Teil 8
Teil 9
Teil 10
Teil 11
Teil 12
Teil 13
Teil 14
Teil 15
Teil 16
Teil 18
Teil 19
Teil 20
Teil 21
Teil 22
Teil 23
Teil 24
Teil 25
Teil 26
Teil 27
Teil 28
Teil 29
Teil 30
Teil 31
Teil 32
Teil 33
Teil 34
Teil 35
Teil 36
Teil 37
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Teil 17

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By Emaayy


Teil 17

„Gott, es schmeckt so köstlich." wiederholte ich zum gefühlten 100 mal, während ich mir weitere Spagetti um die Gabel wickelte.

Hätte ich früher von Damian's Kochkünsten bescheid gewusst, hätte ich ihn jeden Tag gezwungen für mich essen zu machen. Er hatte Spagetti Bolognese gemacht, die unfassbar gut schmeckte. Ich hatte schon viele Variationen gegessen, aber sie waren nichts dagegen zu Damian's Rezept.

„Was ist das Geheimnis?" fragte ich, während ich den letzten bissen nahm. Ich hatte länger nicht so viel gegessen. Mein Magen war randvoll und ich hatte angst, ich könnte mich jeden Moment übergeben.

Er wischte sind den Mund mit einer Serviette ab und grinste vor sich hin.

„Als würde ich dir das sagen." erwiderte er spöttisch und räumte unsere Teller in die Küche. Ich stand von der Couch auf und folgte ihm.

„Sag." hakte ich nach, stellte mich vor ihn und zog einen Schmollmund.

Er hatte immernoch die Teller in der Hand und wollte sie gerade in die Spülmaschine räumen, doch ich versperrte ihm den Weg.

„Du kommst nicht an mir vorbei, ehe du mir nicht die Geheimzutat verrätst." stellte ich klar und sah in sein genervtes Gesicht. Er verdrehte die Augen und sah auf mich herab.

„Zieh nicht so einen Schmollmund, sonst muss ich dich küssen." sagte er plötzlich, worauf ich die Luft anhielt und spürte wie jede einzelne Faser in meinem Körper anspannte. Als wäre ich eine Gefrorene Eisskulptur, rührte ich mich nicht vom Fleck. Er legte seine Hände vorsichtig auf meine Schulter und schob mich zur Seite. Damian öffnete die Spülmaschinen und räumte die Teller hinein. Allein bei der Vorstellung er würde mich küssen, bekam ich ein seltsames Gefühl im Magen. Alles in mir verlangte danach seine Lippen auf meinen zu spüren. Das mit Damian nahm eine gefährliche Wendung an. Ich wollte nicht so stark für ihn empfinden und das schlimmste war, es wurde jede Minute mehr und mehr. Es konnte unmöglich sein, dass nur eine Berührung von ihn, mir meinen Verstand raubte und mich in einen undefinierbaren Rausch verfrachtete.

„Soll ich dich zurück zum Wohnheim bringen?" unterbrach er meine Gedanken.

Erst jetzt bemerkte ich, dass er schon die ganze Zeit vor mir stand und mich ansah. Sein Schatten auf mir umhüllte meinen gesamten Körper. Ich sah das Licht nur noch schwach hinter seinem Kopf.

Ich schluckte, da ich vollkommen vergessen hatte, dass es bereits dunkel war und ich zum Wohnheim zurück musste.

„Na gut." seufzte ich schweren Herzens. Wir gingen zurück in Damian's Zimmer, wo ich begann mein Zeug zusammenzupacken. Ich wollte gerade meinen Stift verstauen, als ich inne hielt. Letzte Nacht hatte ich furchtbar geschlafen und nachdem was ich heute alles an Emotionen rausgelassen hatte, bezweifle ich, dass heute Abend meine Albträume mich verschonen. Ganz im Gegenteil, ich denke diese Nacht würde noch schlimmer werden.

„Ähm Damian?" fragte ich, schloss die Augen und presste die Lippen aneinander. Ich wusste, dass er hinter mir stand und sich das Modell ansah.

„Ja?"

Ich drehte mich zu ihm um und trat einen Fuß vor den anderen. Das würde jetzt verdammt schwer werden. Ich räusperte mich künstlich um mir mehr Zeit zu verschaffen, da ich die passenden Wörter noch suchte. Wir schwiegen uns an und er zog fragend eine Augenbraue nach oben.

„Ähm. Ich wollte dich fragen, ob es für dich okay ist, wenn ich heute bei dir übernachte." flüsterte ich und spürte sofort die Hitze, die in mein Gesicht schoss.

Seine Miene erhellte sich augenblicklich und seine weißen Zähnen kamen zum Vorschein.

„Klar." antwortete er und unterdrückte sich sichtlich ein Grinsen.

*

Ich fuhr mit meinem Zeigefinger auf seiner Brust die umrisse seiner Tattoos nach. Mir war nie aufgefallen, dass er auch dort tätowiert war. Damian zuckte leicht zusammen, als ich ihn berührte.

„Deine Finger sind so kalt." murmelte er und zog mich noch enger an sich.

Er legte meine beiden Hände an sein Herz und verstärkte den Griff um meine Taille. Mein Kopf ruhte in seiner Halsbeuge. Meine Augenlider fühlten sich weiterhin schwer und verheult an. Meine inneres war leer und vereist. Kälte, die nichts und niemand erwärmen konnte. Ich wusste nicht was die Zukunft bringen würde, aber ich wusste, dass ich den Menschen, der mir mein Leben zerstört hatte, der mich zerstört hatte, nie aus meinen Gedanken verschwinden würde. Er war immer da, irgendwo in meinem Hinterkopf oder in meinen Träumen, doch nicht wenn ich bei Damian war. Ich würde heute Nacht schlafen ohne einen Albtraum zu haben und das fühlte sich wiederum unglaublich an.

„An was denkst du?" fragte Damian und sah zu mir herab. Ich erwiderte seinen Blick. Meine Augen huschten sofort zu seinen Lippen. Gott das musste aufhören.

„Ich denke daran, dass du das einzige Heilmittel gegen meine Albträume bist und das ist beunruhigend."

„Wieso?"

„Weil meine Träume nun von dir abhängig sind und ich kann ja schlechte jede Nacht bei dir schlafen?"

„Wieso nicht?"

Ich schüttelte grinsend den Kopf. Er zog eine Augenbraue nach oben und sah mich fragend an, als ob seine Frage ernst gemeint wäre. Ich beschloss ihm seinen Spaß zu genissen und spielte mit.

„Ja weil ich eben nicht jede Nacht bei dir schlafen kann." antwortete ich, weil mir ehrlich gesagt nichts anderes im Kopf rumschwebte.

„Das sagtest du bereits."

Ich seufzte genervt auf und vergrub meine Wange erneuert in seiner Halsgrube. Mit meinem Fingernagel fuhr ich sanft die Umrisse seiner Tattoos auf seinem Bizeps nach. Wenn man seine Tätowierte Haut sah realisierte man nicht die Motive die gedruckt waren, man nahm nur wahr, dass die Haut mit Tinte verzieret war mehr nicht. Doch wenn man so nah war, entdeckte man jedesmal was neues. Eine Antike Uhr mit griechischen Zahlen, einen Totenkopf, ein etwas kleineres Rosenmuster und etwas, dass wie ein Zitat aussah. Die Tattoos liefen alle ineinander über wie Puzzleteile.

But without the dark, we'd never see the stars." las ich das Zitat auf seiner Brust und fuhr die einzelnen Buchstaben nach. Damian's Körper entspannte sich, ich hatte davor garnicht bemerkt, dass er angespannt war.

„Wieso hast du dir das tätowieren lassen?" fragte ich und schielte neugierig zu ihm hoch.

„Das Tattoo ist neu. Ich habe es mir letzte Woche stechen lassen. Irgendwie passt dieser Satz in mein Leben." erwiderte er und biss sich auf seine Unterlippe.

Urplötzlich glühten meine Wangen auf und ich wusste nicht wieso mein Körper aufeinmal so reagierte, da nichts weltbewegendes vorgefallen war. Ich war froh, dass es außer dem leichten Mondlicht, welches zarte Helligkeit auf unsere Gesichter warf, keine weiteren Lichtquellen gab.

„Ich mag das Tattoo." sagte ich nach einer Weile und leitete damit die Ruhe ein, die sofort den Raum einnahm.

Schweigen ist niemals still.

Ich hörte meinen uns seinen Herzschlag, die im Einklang waren. Das leise rascheln der Blätter außerhalb des Zimmers. Mein tiefes einatmen, als ich die Situation richtig realisierte. Seine Finger, die durch mein Haar streiften. Seine Arme die beschützerisch um meinen Körper geschlungen waren.

„Danke." unterbrach ich die friedliche Stille.

„Für was?" erwiderte er nach einer Zeit. Seine Stimme war bereits rau und noch tiefer als sonst.

„Das du mir heute zugehört hast und du keine unpassenden Fragen gestellt hast, vorallem, dass du nicht DIE Frage gestellt hast, die mich jeder fragen würde. Danke einfach dafür, dass du du bist."

Seine Haltung versteifte sich und ich durchdachte noch einmal meine Worte, um zu sehen, ob ich etwas falsches gesagt hatte. Dann aufeinmal wurde seine Körperhaltung wieder ruhig. Er drückte mich nur noch enger an sich, sodass wir uns nicht näher sein konnten. Damian zog die Decke, bis zu meinen Schulter. Er drückte mir einen langen, hauchzarten Kuss auf die Stirn.

Entweder hatte ich zu viel Pasta, sodass mein Magen komische Zuckungen hatte, oder ich hatte das Syndrom, das sich „Schmetterlinge im Bauch" nennt, denn genauso fühlte es sich an.

Ich wünschte ich hätte mich immer so fühlen können, doch natürlich musste etwas geschehen, dass mich wieder so fühlen ließ wie in den letzten 12 Jahren.

*

Meine Mundwinkel zuckten nach oben, als ich meine Augen öffnete und Damian erblickte, dessen Augenlider noch geschlossen waren. Es war unmöglich für mich zu glauben, dass Damian tatsächlich dafür sorgen konnte, dass ich keine Albträume hatte. Ich hatte all mögliches Versucht um dieser lastenden Qual zu entkommen, doch weder medizinisches noch psychisches hatte geholfen.

Er lag da und hatte die Arme noch immer fest um mich geschlossen, als wäre ich sein Rettungsring, der ihn vor dem ertrinken beschützte.

Ich löste mich vorsichtig aus seiner Umarmung, doch unsere Körper waren somit einanderer verknotet, dass es schwieriger war als gedacht. Er seufzte plötzlich auf und zog mich enger an seinen nackten Oberkörper.

„Wo willst du hin?" murmelte er, kaum hörbar gegen mein Haar.

„Mir was zu trinken holen." antwortete ich lächelnd und kam mir bei meinem breiten Grinsen völlig bescheuert vor. Er schling seine Arme um meine Taille und ließ sein Kinn auf meinem Kopf ruhen.

„Damian lass mich los, ich habe Durst." sagte ich kichernd und und wollte mich aus seinen Griff erneuert lösen. Er stöhnte genervt in das Kissen hinein und ließ mich los.

„Du kommst aber gleich wieder zurück zu mir ins Bett, okay?"

„Ja." kicherte ich und ließ einen Moment meine Beine über der Bettkante baumeln. Ich wusste nicht wieso, doch ich war diesen morgen besonders glücklich, sodass ich hätte die ganze Welt umarmen können.

„Hast du gut geschlafen oder wieso bist du so fröhlich?" zog mich Damian auf, als könnte er meine Gedanken lesen. Ich blickte über meine Schulter zu ihm. Er hatte seinen Kopf auf seiner Hand abgestützt und musterte mich grinsend. Ich musste seinen Gesichtsausdruck garnicht erwidern, da ich die ganze Zeit schon lächelte. Ich warf ein Kissen, das neben mir lag nach ihm, da mir seine Wirkung auf mich auf die nerven ging. Was machte er nur mit mir?

„Haha sehr witzig bilde dir ja nicht zu viel darauf sein."

Er fang das Kissen mit seiner freien Hand und legte es dann unter seinen Ellenbogen.

„Ich habe magische Fähigkeiten."

Wenn er wüsste, dass er das tatsächlich hatte. Damian hatte keine Ahnung was das wirklich bedeutete, dass ich wegen ihm keine Albträume hatte. Es war so viel mehr, als er dachte.

„Willst du auch was trinken?" fragte ich und lief zur Tür, wo ich nochmal inne hielt und mich zu ihm umdrehte.

„Nein danke." antwortete er gähnend und griff mit einem verschlafen Gesichtsausdruck nach seinem Telefon. Er tippte hastig auf der Tastatur herum und schien nach seiner Miene zu urteilen aufgewühlt zu sein.

„Alles in Ordnung?"

Er hob nach einer kleinen Pause den Blick, als hätte er nicht mitbekommen, dass ich noch im Raum stand.

„Ja ich habe nur etwas vergessen." erwiderte er und seine Gesichtsmuskeln entspannten sich.

Sein heitere Miene war aufgesetzt das merkte ich, doch ich wollte ich nicht darauf ansprechen. Wenn es etwas gibt worüber er mit mir reden wollen würde, dann würde er das tun. Gestern hatte Damian mich schließlich auch nicht gefragt, weshalb mein biologischer Vater mich jahrelang misshandelt hatte

„Hm." erwiderte ich schlicht und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Ich würde später nochmal auf dieses Thema zu sprechen kommen.

Ich schlich den Flur entlang aus Angst Cole zu wecken, der hier schließlich auch wohnte. Als ich das Wohnzimmer betrat hielt ich inne. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken herunter.

Leuchtend grüne Augen musterten mich, als wäre ich das ekelhafteste Geschöpf auf Erden. Melia erhob sich von der Couch und zog eine Augenbraue nach oben.

„Wie ich sehe hat Damian dich schneller um den Finger gewickelt bekommen als gedacht." sagte sie mit einem spöttischen Ton und lachte auf.

„Zwischen uns läuft nichts, wir sind nur Projektpatner und ich bin gestern Abend aus versehen eingeschlafen weil es spät geworden ist." log ich und verschränkte die Arme schützend vor der Brust. Sie kam näher auf mich zu und sah auf mich herab, da sie mich um einige Zentimeter überragte. Ihre kurzen braunen Haare waren gelockt und ihr blick war eine Mischung aus Mitleid und Fröhlichkeit. Was machte sie hier so früh am morgen?

„Lass mich raten, Damian hat dir das Gefühl gegeben du seist etwas besonderes. Er versprach dir wie sehr er dich beschützen würde vor dieser großen bösen Welt. Du denkst Damian würde sich für dich ändern und dir nie wehtun, oder? Für dich wird er ein anderer Mensch werden und nicht mehr der „Bad-Boy" sein. Du bist anders als die anderen Mädchen, dieses Gefühl gibt er dir doch, nicht wahr? Du denkst du dringst zu ihm durch und brichst seine harte Schale."

Sie konnte sich ihr lachen nicht weiter unterdrücken und im nächsten Moment ertönte ihr schallendes Gelächter im Raum.

„Wie war nochmal dein Name? Ever nicht wahr? Ever hör zu, ich habe nichts gegen dich, aber jetzt mal von Mädchen zu Mädchen. Wir alle haben probiert für Damian Castano mehr zu sein als ein One night stand und wir alle haben das Gefühl von ihm bekommen wir seien es. Lass mich raten, er hat dich bekocht oder? Das ist seine Lieblingsnummer um ein Mädchen rumzukriegen. Er wird es so lange versuchen, bis er dir ans Höschen darf und dann wird er dich nach Hause schicken und nie wieder ein Wort mit dir reden. Alle Mädchen die jetzt im zweiten Semester sind und einigermaßen gut aussehen, mussten das ertragen. Wie es aussieht macht er sich jetzt an die Erstsemester ran. Naja ich wollte Damian eigentlich nur einen morgendlichen Besuch abstatten, wie fast jeden morgen, damit wir beide spaß haben, aber wie ich..."

„Es langt Melia."

Damian's Stimme war nicht weit von mir entfernt und klang entschlossen. Er tauchte neben mir auf, doch ich konnte den Blick nicht von Melia's Gesicht abwenden. Sie blickte zwischen Damian und mir hin und her.

„Komm schon Damian, jetzt tu nicht so als würde das nicht stimmen. Ich habe sie nur davor bewahrt sich falsche Hoffnungen zu machen." rechtfertigte sich Melia und stützte ihre Hände an die Hüfte.

„Wenn ich lüge, dann sag es ihr Damian. Sag ihr, dass du nicht so bist und dass du nicht darauf hinaus wolltest." fuhr sie fort und sah ihn fordernd an.

Ich wandte mich zu ihm und blickte zu ihm hoch. Seine Zähne knirschten, als er sie aufeinander presste. Er atmete hörbar aus und erwiderte meinen Blick.

„Bei dir ist es nicht so." flüsterte er und sah mit flehend an, als würde er irgendwas von mir wollen.

„Wow Damian diese Nummer? Das ist echt ziemlich fies, selbst für dich." kommentierte Melia und machte auf ihrem Absatz kehrt. Sie schnappte sich ihre Handtasche vom Sofa und warf ihre kurzen Haare nach hinten.

„Ruf mich wieder an, wenn du das geklärt hast und wieder zu alten morgendlichen Ritualen zurückkommen möchtest:" rief sie noch bevor man im nächsten Moment die Tür in das Schloss fallen hörte.

Mein Blick war die ganze Zeit auf Damian gerichtet, ich suchte nach irgendwas, doch ich wusste nicht was.

„Ever, bei dir ist es nicht so glaub mir und das ist mein verdammter ernst." wiederholte er erneuert und umfasste mein Gesicht mit seinen Händen.

„Ist schon okay Damian, vielleicht sollte ich jetzt lieber gehen." erwiderte ich und nahm seine Hände von meinem Gesicht.

„Heute sollte jeder für sich arbeiten und mehr inhaltliches herausfinden, ich schicke dir meine Informationen dann per E-Mail. Wir können uns ja dann äh...irgendwann wieder treffen." fuhr ich fort und ging zurück ins Schlafzimmer, wo noch meine fertiggepackte Tasche von gestern lag.

Ich hatte in Jenas geschlafen und war das erste mal dankbar dafür. Das ich den Pullover von Damian anhatte ignorierte ich, da ich so schnell wie möglich aus dieser Wohnung verschwinden möchte. Verdammt, die brennende Flüssigkeit in meinen Augen machte sich bemerkbar. Ich würde nicht weinen! Auf gar keinen Fall!

Damian packte mich am Ärmel des grauen Pullover.

„Ever stopp. Du kannst nicht immer aus dieser Wohnung flüchten. Glaubst du etwa, das was Melia gesagt hat? Komm schon, du kennst mich mittlerweile gut genug, dass du weißt, dass ich dir nie so etwas antun würde."

Ich riss mich aus seinem Griff los und schlüpfte einfach in meine Schuhe hinein um jede Verzögerung zu vermeiden.

Ich strich meine Haare hinter das Ohr und sah mit einem gezwungen lächeln zu ihm hinauf.

„Es ist alles okay Damian. Ich sollte bloß besser zurück ins Wohnheim, Tea und ich müssen sowieso noch aufräumen und putzten. Wir sehen uns." verabschiedete ich mich und nahm mein Hand um ihm zu winken während ich die Tür hinter mir schloss. Ich sah ihn nicht mehr an, weshalb ich seinen Blick auch nicht deuten konnte.

Als das befreiende Geräusch der geschlossenen Tür ertönte, hielt ich inne und atmete die Luft aus, die ich eingeatmet hatte. Ich presste die Lippen aufeinander und schloss die Augen. Die Tränen kullerten meine Wangen herunter. Verdammt!

Ich wischte mir mit meinen Handrücken die nässe auf meinen Wangen weg. Zu viel hatte ich schon geweint seit ich in Ohio bin. Ich war doch nie so sensibel gewesen.

Mit einem gespielten lächeln lief ich die Treppen hinunter und lies meinen Tränen freien lauf, da sie sich sowieso nicht vermeiden ließen.

*

Meine Fingernägel bohrten sich in etwas weiches und warmes. Ich blinzelte ein paar mal, ehe ich meine Augen langsam öffnete. Während ich den restlichen Tag daran saß etwas über das Buckingham Palace herauszufinden, was nicht auf Wikipedia stand, war ich wohl eingeschlafen. Ich hatte Damian meine Informationen wie besprochen per E-Mail zugeschickt und er mir seine. Tea blieb aus unerklärlichen Gründen den ganzen Tag weg. Beinahe wollte ich Hilfe rufen, als sie mir eine SMS schrieb, dass sie unterwegs sei. Es war ein ganz normaler langweiliger Tag gewesen.

Ich verzog mein Gesicht und blickte dann auf meine Hand, die mit einer anderen verschränkt war.

Ich zuckte zusammen als ich die große Gestalt neben mir sitzen sah, jedoch ohne meine Hand wegzuziehen.

Damian saß mit dem Rücken an meinem Nachttisch angelehnt und hatte die Augen geschlossen. Sein Kopf ruhte auf dem harten Holz, während sich seine Brust gleichmäßig hob und senkte. Seine langen beine waren auf dem Teppich ausgestreckt. Auf meinem Wecker erkannte ich, dass es erst 23:00 Uhr war.

Ich streckte meine freie Hand nach ihm aus um mich zu vergewissern, dass ich nicht träumte. Meine Finger berührten seinen stoppeligen Bart. Er rührte sich nicht sondern atmete weiter ein und aus.

Was tat er hier? Wir war er hier überhaupt reingekommen? Träumte ich nur?

Ich zwickte mich wie dumm es auch klingen mag selber am Arm und verengte die Augen zu kleinen schlitzen. Tea lag nicht in ihrem Bett, als ich über meine Schulter sah und prüfen wollte, ob sie auf ihrer Matratze schlief. Ich schüttelte den Kopf und blickte fragend auf Damian's friedliches Gesicht.

Seine Gesichtszüge waren so markant und symmetrisch. Er hatte lange dichte Wimpern, auf die jedes Mädchen eifersüchtig wäre. Seine Schultern waren breit gebaut und da er wie es aussah trainieren ging, wurde das um so mehr verstärkt. Er war sehr muskulös was mir jetzt besonders auffiel, da er nur ein schwarzes T-Shirt trug. Seine Tattoos auf seinem linken arm, waren in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Die dunkelbraunen Haare hatten die perfekte länge und ich fragte mich ernsthaft, ob es etwas an ihm gab, was nicht stimmte.

Noch immer fühlte ich mich wie in einem Traum, obwohl ich nie so etwas schönes träumen würde. Es gab nur eine Möglichkeit herauszufinden, ob das alles real war.

Ich rutschte näher an meine Bettkante, ohne unsere verschränkten Finger voneinander zu lösen. Auf Damian's Handrücken erkannte ich fünf kleine Halbmonde, die durch meine Fingernägel verursacht wurden. Gott Damian muss mich für völlig gestört halten, wenn er aufwacht.

„Damian." flüsterte ich und rüttelte ihn an seiner Schulter.

Natürlich reagierte er nicht, deshalb schüttelte ich mit voller kraft nochmal an seiner Schulter.

„Damian wach auf." wiederholte ich etwas lauter. Meine Stimme klang kratzig und irgendwie hilflos.

Er öffnete vorsichtig seine Augenlider und seufzte genervt auf. Seine Augen richteten sich in meine Richtung. Seine weißen Zähne kamen ein klein wenig hervor, als er lächelte.

„Mein Plan war es eigentlich zu verschwinden bevor du aufwachst." murmelte er vor sich hin und fuhr mit der freien Hand durch's Gesicht.

O Gott seine Stimme war so heiß wenn er gerade erst aufgewacht war. Was hatte ich da eben gedacht?!

„Wie bist du hier reingekommen?" fragte ich und war überrascht über meinen ruhigen Ton. Würde nicht jeder normale Mensch völlig ausrasten? Immerhin sitz Damian einfach hier, mitten in der Nacht ohne Ankündigung oder sonst irgendwas.

„Ich habe mir Tea's Schlüssel geklaut. Sie war bei uns und hat wieder mit Cole gelernt, weil der Vollidiot so tut als ob er schlecht in Mathe wäre, obwohl er es eigentlich garnicht ist."

Er grinste vor sich hin, doch bei meiner nächsten Frage wurde sein Blick wieder ernst.

„Wieso bist du hier?"

Er trommelte mit seinen Fingernägeln auf meinem Nachttisch rum und presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Sein Blick wanderte zu unseren verschränkten Händen, die wie es aussah niemand zu treffen versuchte.

Damian umfasste meine beiden Hände mit seinen und sah mir tief in die Augen.

„Weil ich wusste, dass du einen Albtraum haben würdest. Ich konnte nicht mit dem Wissen, dass ich etwas dagegen tun kann einschlafen."

Mein Herz machte einen kurzen Hüpfer und mein ganzer Körper begann zu kribbeln. Er war hier, weil er wusste ich würde schlecht schlafen? Ich legte den Kopf schief und warte eigentlich darauf, dass er wieder anfing zu schmunzeln oder mit zu erklären, dass er nur hier war weil er eine dumme Wette verloren hatte, doch nichts davon kam. Sein Blick war ernst und weiterhin auf mich fokussiert. Ich würde zu gerne wissen was in ihm vorgeht. Was ihn dazu bewegte, sich in mein Zimmer zu schleichen und auf den harten Boden zu schlafen, während ich meine Fingernägel in seine Haut bohrte. Hatte er ein schlechtes gewissen wegen heute Mittag? Oder, ich traute es mich kaum zu denken, verliebte er sich vielleicht wirklich in mich?

Ich rutschte mit meinem gesamten Körper auf die andere Seite des Bettes und klopfte mit der freien Hand auf den leeren Platz neben mir.

„Komm her." flüsterte ich.

Damian folgte meiner Anweisung und legte sich ohne zu zögern neben mich ins Bett, wobei die Matratze unter seinem Gewicht nachgab. Er griff erneuert nach meinen Händen und hielt sie fest an seine Brust gedrückt. Wir sprachen eine lange Zeit lang kein Wort miteinander, sondern sahen uns nur an. Ich glaube ich könnte mich nie satt sehen an seinem Gesicht. Unser Augenkontakt war mir nicht unangenehm, wie es eigentlich sonst der Fall war. Es hatte etwas beruhigendes. Allein seine Wärme auf meiner Haut zu spüren ließ mein dunkles inneres, hell werden.

„Das was Melia heute gesagt hat stimmte bei jedem Mädchen mit dem ich bisher was zu tun hatte, das will ich nicht leugnen, doch bei dir ist es anders und das meine ich ernst. Ich hatte noch nie so ein starkes Bedürfnis in der Nähe eines Menschen zu sein wie bei dir. Alles was ich gesagt habe, meinte ich auch so. Du bist mir wichtig Ever und ich könnte es nicht ertragen dich zu verlieren."

Meine Mundwinkel zuckten automatisch nach oben, ohne dass es sich vermeiden ließe. Seine Worte trafen mitten in mein Herz. Ich spürte erneuert wie sich eine kleine Glasscherbe von meinem kaputten Herzen zusammensetzt.

Bis zum heutigen Tag wollte ich immer alles alleine machen. 19 Jahre lang hatte ich es vermieden mir von anderen helfen zu lassen, doch ich stellte etwas fest, was davor nie der Fall gewesen war.

Ich brauchte Damian mehr als ich mir eingestand.

Er strich mit seinen Fingern meine Haare von meiner Wange weg und gab mir auf die Stellte einen leichten und viel zu kurzen Kuss, der jedoch alles in mir explodieren ließ. Völlig neue Emotionen, die mir davor nicht bekannt waren strömten durch jede einzelne Faser meines Körpers. Mein Herz hatte den drang meine Rippen zu zertrümmern und raus zu hüpfen.

Ich rutschte näher zu ihm und ließ mich in eine warme Umarmung ziehen. Da war wieder der vertraute Geruch, der mir das Gefühl gab, als wäre ich Zuhause. Mit seinen Armen um meinen Körper, fühlte ich mich so geborgen und sicher, dass ich beinahe dachte nichts und niemand könnte mir jemals wieder wehtun. Ich wollte für den Rest meines Lebens so liegen und nie wieder aufwachen. In seinen Armen zu sterben, wäre der beste Ort, um seine letzten Atemzüge einzuatmen.

„Danke, dass du gekommen bist." hauchte ich gegen seine Brust und kuschelte mich in sein T-Shirt. Ich war mir nicht sicher ob er meine Worte gehört hatte, doch das spielte keine Rolle. Dieser Moment fühlte sich so richtig an und veränderte alles.

In dieser Nacht, als Damian Castano mitten in der Nacht auf dem kalten Boden in meinem Zimmer saß und meine Hand hielt damit ich keinen Albtraum hatte, in dieser Nacht verliebte ich mich in ihn.

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