Leise wie ein Mäuschen schleiche ich mich in die Bibliothek. Mein „Dad" hatte mir zwar verboten dieses Buch in diesem Alter zu leben, aber mal ganz ehrlich: besser jetzt als nie.
Also ziehe ich das Buch mit dem samtigen dunkelgrünem Umschlag aus dem zweiten Regal links heraus und schlage Seite eins auf.
„Der Zeitstein", murmle ich und lese somit den Namen des ersten Kapitels vor.
Auf der zweiten Seite wird der Zeitstein abgebildet. Darunter stehen die Träger des Zeitsteines. Hunderte Namen in Schriftgrösse zehn und die dazugehörigen Daten.
Über Dads Namen steht „Die Älteste". Die Tragedaten sind allerdings schwer zu lesen.
Komischerweise stehen auch schon die folgenden Besitzer nach Dad auf dieser Seite. Zum Beispiel Grey Palmer. Keine Ahnung wer das sein soll.
Plötzlich klopft etwas an die Scheibe der Bibliothek. Als ich mich umdrehe schwebt dort ein Wesen. Ein relativ mickriges. Vielleicht wieder einer dieser Zauberermitwesen?
Ich hatte Dads „Kollegen" schon öfters für Bösewichte gehalten und das ist auch der Grund, wieso die meisten Dinge, die sie Dad mitteilen wollen nicht bei ihm ankommen.
„Einen Moment", sage ich und laufe die Treppe hoch.
Dort suche ich Dad und finde ihn in seinem Bett. Er schläft noch ruhig, muss aber jetzt aufstehen.
„Dad? Stehst du auf? Da unten wartet jemand auf dich".
„Wer ist denn jemand", murmelt er fragend und reibt sich die Augen.
„Ich weiß nicht, aber ich denke es will zu dir".
„Wie sieht es aus?"
„Mehr so wie ein Geist. Er hat eine rote Brosche an der Brust. Aber an mehr kann ich mich grade nicht erinnern", erkläre ich.
Dann gucke ich zusammen als Dad mich mit großen Augen anstarrt.
„Hast du das Buch geöffnet?"
Ich sehe ihn verwirrt an, nicke dann aber.
Schnell steht er auf, zieht die Vorhänge beiseite und schaut hinaus. Die ganze Stadt ist plötzlich voll mit diesen Viechern.
„Was sind das für welche?"
„Wieso hast du das verdammte Buch aufgemacht", schreit Dad und rennt die Treppe förmlich runter.
Ich eile ihm nach und bleibe in der Bibliothek neben ihm stehen.
„Wo ist es?"
Ich sehe ihn verwirrt an.
„Das Buch des Gautamamas", vervollständigt er genervt.
„Achso. Da drüben auf dem", beginne ich, stocke aber als mein Blick auf den leeren Tisch fällt.
„Tisch", beende ich mit verwirrter Stimme.
Dad schlägt sich an die Stirn und zieht sein Gesicht quasi zusammen.
„Wenn sie das Buch haben, dann sind wir verloren".
„Wer sind denn die?"
„Das sind Zeitgeister. Wenn man das Buch des Gautamamas aufschlägt werden die Geister angelockt und die Viecher vermehren sich, wenn sie das Buch haben".
„Warum haben wir denn dieses Buch überhaupt hier? Wieso hat es denn noch niemand zerstört", rufe ich aufgebracht und ängstlich zurück.
„Man kann das Buch des Gautamamas nicht einfach zerstören. Außerdem habe ich dir verboten dieses Buch ohne mich zu öffnen und zu lesen, oder Christine?"
„Bitte hör auf zu schreien. Das ist keine Lösung".
Er lässt die Schultern aus der angespannten Position wieder locker fallen und sieht kurz zur Seite, bevor er dann wieder mich ansieht.
„Wie können wir sie aufhalten", frage ich dann.
„Zieh dich um. Wir können sie nur mit dem Zeitstein und der Kraft einer Minderjährigen aufhalten".
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Wenig später bekämpfen Dad und ich die finsteren Zeitgeister auf den Straßen von NYC.
Aber plötzlich greift einer der Geister nach mir.
„Christine", ruft Dad.
Schnell will ich meine Kräfte einsetzen und ihn so von mir stoßen, aber der Zeitgeist hält fest. Er ist der größte von allen und als ich genauer hinsehe hält dieser auch das Buch des Gautadingsbums in der angedeuteten Hand.
Wie kann ich ihn auch ohne Kräfte besiegen? Dann fällt mir seine Brosche, der ich sehr nah bin, ins Auge und durch diese fließt rotes Licht. Immer wieder, wenn Dad ein Mandala auf ihn losschickt fasst er herzzerreißend an diese und gibt quälende Geräusche von sich.
Als der Geist nicht genau auf mich achtet, sondern auf Dad losgeht, welcher sich durch ein weiteres Mandala schützt, reiße ich ihm die Brosche ab.
Sofort lässt er das Buch fallen und schreit laut auf. Klingt beinahe wie ein Drache. Auch ich falle zu Boden. Ein lautes Knacken ertönt.
Ich halte mir mein Bein und verkneife mir die Tränen.
„Alles in Ordnung, Christine?"
„Jaja! Kümmere dich darum, dass die Viecher verschwinden".
Dad greift nach dem Buch das neben mir aufgekommen ist und öffnet es wieder. Dann spricht er verwirrende, mystische Worte und plötzlich werden alle Zeitgeister in das Buch aufgesaugt. Auch der riesige, welcher sich noch immer die Stelle hält, an der die Brosche vorher steckte.
„Das sollte es gewesen sein".
„Sehr gut. Wuhuu", gebe ich unmotiviert und mit Schmerz von mir.
„Wo tut es weh", fragt Dad dann und lässt sich neben mir nieder.
„Bein. Links", bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Dad tastet es schnell ab. Dadurch, dass er früher Arzt war, erklärt er mir, dass es ein leichter Bruch sei.
Erleichtert atme ich aus.
„Und was war da los mit meinen Kräften?"
„Sobald die Zeitgeister das Buch des Gautamamas haben, können sie über alle Zauberer wie wir es sind bestimmen. Sicher hat er bestimmt, dass du keine Kräfte mehr hast".
„Und wieso hat er das nicht über dich bestimmt?"
„Weil ich den Zeitstein trage, Christine".
Ich lächle ihm zu und wir gehen wieder nachhause. Unter Dads Arm: Das Buch des Gautamamas.