Briefe I

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„Lieber Apollo,

ich hoffe, bei Dir ist nach wie vor alles in Ordnung. Ich habe mich sehr über deinen Brief gefreut.

Ich bin schon fast neidisch, du sitzt da drüben im warmen und wir müssen uns hier Arme und Beine abfrieren. Es hat vor zwei Tagen angefangen, zu schneien. In Rom habe ich das noch nie erlebt, nur in Germanien und den Gegenden, die näher an den Alpen liegen. Auch die Alten haben gesagt, sie hätten bisher nur eine Nacht erlebt, in der es hier geschneit hat. Am Morgen sei es auch schon wieder weg gewesen.

Aber ich will mich nicht beschweren. Wir haben warme Mäntel und es ist ein wundervoller Anblick, die Stadt in weiß gepudert zu sehen und durch den Schnee zu spazieren. Die Hunde erfreuen sich sehr daran und Lucia und Quintus nutzen die Zeit für besonders ausgedehnte Spaziergänge.

Wir haben ihren Umzug lieber auf den Frühling verschoben. Momentan kommt so oder so kein Wagen durch und es wird dann angenehmer sein. Quintus meint aber, er sollte mittlerweile genug Geld für ein Stadthaus haben. Wie der Junge das geschafft hat, weiß ich nicht, er ist unglaublich. Aber ich habe ihm trotzdem noch einmal gesagt, dass er gerne zu mir kommen kann, wenn er etwas benötigt.

Spurius hat sein erstes Gedicht angefangen. Ich wusste nicht, dass er es plant, aber er sagt, er wusste es auch nicht. Seiner Aussage nach hat er einfach auf einmal eine Idee gehabt und sie mal aufgeschrieben. Danach hat er sie einfach fortgesetzt und hier und da ausgebaut. Ich habe den Anfang, unter Protest, schon gelesen. Ich denke, ich habe hier zwar die wenigsten Dichtungskenntnisse, aber es wirkte sehr gut. Allein, sich an die Versmaße halten zu können erscheint mir so schwer, aber er hat es bisher perfekt eingehalten. Ich war beeindruckt und habe mich kurz gefragt, was denn mit meinem Sohn los ist, wo doch sonst seine größte Leidenschaft bloß seine Witze waren, die leider immer so schlecht sind, dass es schon wieder lustig ist.

Aber, um ganz ehrlich zu sein, bin ich sehr stolz auf ihn. Wie könnte ich nicht? Er scheint, so wie es aussieht, etwas gefunden zu haben, was ihn wirklich interessiert und was er tun möchte. Das freut mich sehr und wenn er dem nachgehen wird, dann wäre ich sehr froh darum. Er scheint Potenzial zu haben, jedenfalls scheint es für mich so zu sein. Wenn Du wieder da bist hast Du ja vielleicht auch Lust, einmal darüber zu schauen. Ich wäre gespannt, was Du dazu sagst.

Ich freue mich schon sehr auf deine Rückkehr. Bis dahin werde ich mir wohl die Zeit irgendwie vertreiben müssen. Senatssitzungen sind seltener geworden, die eine Hälfte kommt von außerhalb der Stadt und kann wegen des Schnees nicht kommen. Die andere Hälfte ist vor der eisigen Kälte geflohen und ist nun in Süditalien, Ägypten oder sonst wo an einem warmen Ort. Das erinnert mich irgendwie ein wenig an jemanden...

Aber nun denn, Geduld ist eine Tugend und eigentlich eine der Tugenden derer ich mich immer ein wenig gerühmt habe. Ich denke, ich werde die Zeit schon aushalten. Bis zum Frühling feiern wir einfach Sol in victus mit vielen Opfergaben und großen Feuern, an denen wird uns schon warm. Ich überlege mir etwas Schönes, was ich opfern kann. Vielleicht kannst Du Sol auch meine Grüße später ausrichten? Siehst du ihn eigentlich zwischendurch? Es würde ja irgendwo Sinn machen, wenn bei Dir immer die Sonne scheint und es warm ist? Bekommst du sonst Besuch oder ist es sehr langweilig? Wenn ja, dann sehe ich, dass ich dir häufiger schreibe, auch wenn ich dann nicht versprechen kann, dass ich immer ganz spannende Sachen berichten kann.

Dir genauso viele Küsse zurück. Fühl dich umarmt.

Dein Lucius"


„Lieber Lucius,

es ist ja schon gut, du darfst aufhören, dich über meine Abwesenheit zu beschweren. Ich komme ja wieder. Auch, wenn ich es ziemlich niedlich finde. Vermisst meine Melilla mich etwa schon so sehr? Bei mir ist aber alles unverändert, danke. Schön, dass es Euch allen auch gut zu gehen scheint.

Ich bin, ehrlich gesagt, etwas überrascht, mit Schnee hätte ich genauso wenig gerechnet. Ich muss mal nachfragen, wer sich das hat einfallen lassen.

Ich mache, genau wie Ihr, ziemlich viele Spaziergänge. Es gibt hier viele schöne Wiesen, Felder und Wälder, aber ich glaube, das habe ich auch schon mal erzählt. Es ist eigentlich auch gar nicht ganz so langweilig, schließlich kann man die Natur immer wieder neu entdecken.

Quintus scheint wirklich ein Fall für sich zu sein, nicht? Aber ich finde es wirklich toll, wie er sich so ins Zeug legt für Lucia. Da kann man sich dann sicher sein, dass sie in guten Händen ist und er sich sehr um sie sorgt. Ich denke, er macht seine Arbeit als Ehemann jetzt schon sehr gut, obwohl er sie ja noch gar nicht so lange hat.

Selbstverständlich würde ich später gerne über Spurius' Gedicht lesen! Du könntest es mir auch gerne jetzt schon mit einem Brief senden, wobei ich mir nicht sicher bin, ob er das so toll fände. So wie es sich angehört hat... Aber ich war mir immer sicher, dass aus deinen Kindern einmal etwas wird und siehe da: Schon zwei erfolgreich untergebracht in einem eigenen Leben. Oder wenigstens in einer Berufung? Wenn man es so bezeichnen möchte. Ich weiß nicht, wie Spurius dazu genau steht, woher auch? Wie würdest du es nennen?

Ich freue mich auch schon auf Sol in victus, auch wenn es natürlich nicht mehr mir gewidmet ist. Vielleicht sollte ich wieder anfangen, den Sonnenwagen zu lenken, dann würde das Fest wieder mir gehören? Wobei ich dann wirklich nur nachts Zeit für dich und alles andere hätte. Das wäre dann auch wieder nicht, was ich wollte. Aber so ist es immerhin ein großes Spektakel. Ich freue mich, wenn ich dabei zusehen kann.

Zu deinen anderen Fragen, ich kann Sol sicher Grüße ausrichten. Er kommt jeden Tag vorbei, logisch, und wir unterhalten uns meist eine Weile lang. Er wird sich sicher freuen. Hymen hat sich demnächst auch angekündigt. Ich glaube das liegt aber daran, dass er mehr Interesse an Hyperboreer hat, als an mir selbst. Leider. Die Jugend heutzutage. Echt kein Respekt mehr vor der älteren Generation.

Nun ja, Spaß beiseite, es ist wirklich aushaltbar hier. Ich meine, es gibt noch viele andere Möglichkeiten, sich selbst zu beschäftigen, außer mit Gästen und Briefe schreiben. Ich habe einige Bücher hier, ich zeichne gerne die Umgebung oder Tiere von hier. Letztens habe ich einen wirklich süßen Vogel gesehen, das Bild muss ich dir später zeigen. Sonst hätte ich auch noch meine Leier dabei, meine Kithara, kann so viele Lieder schreibe und singen, so viel ich will, und ein bisschen Übung an den ganzen göttlichen Fähigkeiten würde auch nicht schaden. Ein wenig eingerostet bin ich, das muss ich zugeben. Aber ich habe es schon versucht, Bogenschießen ist immer noch kein Problem, genauso gut wie je zuvor. Aber natürlich freue ich mich auch über jeden Deiner Briefe, nur keine Scheu. Schick gerne mehr.

Noch viel, viel mehr Küsse

Dein Apollo

Amor vincit omniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt