Quintus Cantus der Ältere

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Lucius hatte sich eine Woche Ruhe gegönnt. Falls man es Ruhe nennen konnte. Die Möbel aus der Villa am Meer waren wieder in die Stadt gebracht worden, nachdem Apollo fertig war, alle Wände zu bemalen. Und glücklicherweise lief das Einrichten ohne große Probleme, sodass endlich Zeit für die nächsten Vorhaben war. Deshalb waren jetzt Quintus' Eltern eingeladen.

Lucia war schon den ganzen Morgen nervös, ob es ihnen denn gefallen würde, bis dann Spurius gelacht hatte, dass es für Schmiede sicherlich viel zu klein in ihrer Villa wäre. Siofra beruhigte sie, sie kannte sie ja schon und sie waren nicht enttäuscht gewesen. Dann waren sie es von dem Rest bestimmt auch nicht.

Am Nachmittag begab sich die Familie auf den Hof, um Quintus mit seinen Eltern zu erwarten. Sie kamen mit ihrem kleinen Maultierwagen. Wenn Lucius eines nicht erwartet hatte, dann, dass sich seine vagen Vermutungen bestätigen würden. Lucia kam Quintus entgegen gelaufen und begrüßte ihn freudig. Frija merkte von der Seite: „Schon süß, nicht?", während hinter dem Paar Quintus' Vater gerade seiner Frau bim Aussteigen half.

Quintus' Mutter sah sich neugierig und mit einer Spur Bewunderung auf dem Hof um. Sein Vater allerdings würdigte das alles keines Blickes. Stattdessen trat er langsam auf Lucius zu, der den Kopf immer weiter in den Nacken legen musste, je näher er kam. Er überragte sogar seinen Sohn. Der Mann verschränkte die Arme, musterte Lucius von Kopf bis Fuß. Die Blicke lagen auf ihnen und ein jeder schien die Spannung zwischen ihnen zu merken. Es war still. Das erste Wispern ging durch die Reihen der Sklaven, bis Quintus' Vater endlich sagte: „Habe ich es mir doch gedacht. Der Zwerg."

Zu seinem Amüsement sah Lucius die Blicke von Quintus und seiner Mutter hinter ihm. Fantastisch. Er verschränkte auch seine Arme und erwiderte: „Ah, der Riese. Hätte ich mir ebenfalls denken können." Sie sahen sich an und die Leute begannen, Blicke miteinander zu wechseln.

Irgendwann hielten sie beide es nicht mehr aus und prusteten los. „Ihr hättet eure Gesichter sehen sollen", keuchte Quintus. „Ach, komm her, mein Freund", lud er Lucius ein, der ihn lachend umarmte. Die meisten Anwesenden sahen reichlich irritiert aus, was sie gleich wieder zum Lachen brachte. Und als sich alles wieder gefasst hatten, fragte Spurius; „Woher kennt ihr zwei euch denn schon wieder, wenn ich fragen darf?" Es war genau das, was wohl die meisten anderen auch fragen wollten. Quintus und Lucius sahen sich an und Lucius antwortete für sie beide: „Also, ich glaube wir hatten uns mal auf dem Markt getroffen. Das Beschlagen der Pferde hat so lange gedauert und dann haben wir halt Ball gespielt. Ich glaube, wir haben die Hühner vom Nachbarstand ganz schön aufgescheucht, aber das war uns dann halt egal." Quintus' Frau fragte vorsichtshalber nach: „Und wann war das genau?" „Ich glaube, als wir neune waren, acht? So ungefähr", antwortete dieser. „Das ist lang", stellte Spurius fest.

„Stimmt. Und warum sagt mir das keiner? Dass der Junge zu dir gehört, meine ich", meinte Lucius und sah Quintus an. Der Jüngere warf ein: „Warum sagt mir das keiner!?" Der Ältere zuckte nur mit den Schultern. „Ich wollte einfach mal abwarten, wann es irgendwer merkt. Du hast mich schwer enttäuscht, Zwerg." „Ach komm, tu nicht so, als wärest du der einzige Quintus auf der Welt." „Und du tu nicht so, als ob es mein Gesicht so häufig gäbe." „Gibt es glücklicherweise nicht und wenn ich daran erinnern darf, der Junge hat durchaus noch etwas von seiner Mutter abbekommen, die, den Göttern sei Dank, ein hübscheres besitzt." „Entschuldige?" Beide mussten trotzdem lachen.

Die Gäste wurden herein gebeten, Quintus der Ältere betitelte das Haus als „schon ganz schick". Drinnen wurden dann Erfrischungen serviert, Quintus stellte seine Frau vor, Lucius erzählte, dass seine gestorben war. Die Stimmung wurde ernster, es wurde über den Termin und die Gestaltung der Hochzeit gesprochen, es wurde sich über das liebliche Verhalten von Quintus dem Jüngeren und Lucia lustig gemacht. Zumindest von der jüngeren Generation ausgehend.

Später wurde es dem größeren Teil der Gesellschaft doch zu langweilig. Die beiden Jungen gingen in den Stall zu den Pferden, Quintus' Frau verstand sich gut mit den Mädchen und daher zeigten sie ihr nach Lucias Vorschlag den Garten. Quintus meine zu Lucius, sie habe schon immer Blumen gemocht und hätte außerdem gerne noch eine Tochter gehabt. Er vertraute also darauf, dass sie in bester Gesellschaft war.

So waren die alten Freunde alleine und sie schwiegen eine ganze Weile mit ihren Weinbechern in der Hand. „So ein Fusel passt gar nicht zu dir", sagte Quintus. „Ich habe ihn auch lange nicht getrunken. Aber hättest du lieber Wasser gehabt?" „Nein, davon habe ich auch wieder genug. Nur der Lucius, den ich kenne, der hat nicht mal ein Bier ausgehalten, ohne besoffen zu werden. Aber das Schwert hat er besser geführt, als jeder andere, auch wenn es ihm keiner geglaubt hat, wenn ich es mal erzählt habe. Schüchtern ist er dann auch noch geworden. Und jetzt sitzen wir hier, mit Wein, zwei Väter und du in deiner Toga mit dem Purpurstreifen. Hab' dich nie da gesehen." Lucius nahm einen Schluck aus seinem Kelch. „Daran sieht man dann, dass man älter wird." „Das werden wir wohl." Sie schwiegen wieder.

„Wie geht es dir?" „Gut, danke der Nachfrage." „Lügner." Lucius sah Quintus verwundert an. Der sagte: „Du magst älter sein, wir sind nicht mehr in den blühenden Zeiten unserer Jugend. Wir gehören jetzt nun mal zu dem alten Pack, wir sehen nicht mehr wunderschön aus, falls wir das jemals getan haben. Das heißt aber nicht, dass ich nicht weiß, wie es meinem Freund geht." Lucius schaute in seinen Weinkelch und nickte. „Im Großen und Ganzen geht es wirklich. Das ganze Chaos der Feiertage ist endlich vorbei und auch sonst kann ich mich nicht beklagen." „Das will ich doch hoffen, denn das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, hast du beinahe den Verstand verloren. Ich hoffe, du hast dich doch dazu entschieden, ihn zu behalten." Lucius grinste. „Ich glaube nicht sonst würde ich dich nicht in meine Familie lassen." „Es zeigt immerhin, dass du ein gutes Herz hast. Das ist weit wichtiger", sagte Quintus.

„Aber trotzdem, ich sehe doch, dass etwas bei dir nicht ganz so rund läuft. Raus damit", beharrte er. Lucius seufzte. „Ach, na schön. Meiner Mutter geht es nicht gut. Ihr Atem macht Probleme, deshalb muss sie am Meer bleiben. Stadtluft kann sie nicht mehr ab." Quintus runzelte die Stirn und sagte: „War euer Verhältnis nicht immer nur eher mittelmäßig?" „Ja, aber immerhin mittelmäßig. Sie ist mir nicht ganz unwichtig." Als nichts weiter kam hakte Quintus noch einmal nach. „Und?" „Ja, schon gut. Da gibt es auch noch Andriana. Sie ist meine Sklavin, sie hat mein ganzes Leben lang für mich gesorgt. Sie wird immer verwirrter von Tag zu Tag." „Das tut mir leid. Ich kannte sie nicht, oder?" „Nein." Beide tranken noch einen Schluck.

Ein Sklave platzte zur Tür herein. „Mein Herr! Es ist Andriana. Es geht ihr nicht gut. Kommt schnell! Sie ist zusammengebrochen!"

Amor vincit omniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt