Pferde, Wagen und Staub

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Der Circus Maximus war festlich geschmückt, in Purpur und Gold. Der heilige Adler zierte die Ehrenloge, abertausende von Menschen säumten die Tribünen, alle hier, um sich das größte Spektakel der Neronia anzusehen. Das Wetter war ideal für die Rennen, der Sand der Arena war trocken, aber einige Wolken spendeten genügend Schatten, um die Sonne aushaltbar zu machen.

Lucius betrachtete die Kulisse eher mit den Sorgen, ob seine Ausgaben sich tatsächlich mit dem Erlös der Spiele rechnen würden. Er würde zwar auch einen Teil des Geldpreises erhalten, wenn die Weißen gewinnen sollten, aber rausreißen würde das es sicher nicht. Letztens hatte seine Familie, besser gesagt, sein Vater, einen Kaufvertrag mit den Weißen abgeschlossen. Ihre Pferde sollten nun vor deren Wagen beim heutigen Rennen teilnehmen und sie hatten den Lucianern einen Anteil des Preisgeldes versprochen. Große Hoffnungen hegte Lucius allerdings nicht. Der beste Wagenlenker der Grünen war für die Partei eingesetzt worden, von ihm sogar. Denn er hätte es ganz gerne, wenn die Grünen gewinnen würden, dem Kaiser würde das sehr viel mehr gefallen. Lucius konnte sich nicht erlauben, hier ganz nach eigenem Ermessen zu handeln.

Die Lucianische Familie saß etwas links von der Kaiserloge. Von hier aus hatte man den besten Blick auf die gesamte Rennbahn, vor allem auf die Ziellinie. Leider hatte Lucius dann nicht so einen guten Blick auf den Kaiser, um einzuschätzen, wie es ihm gefiel, aber nun gut. Er würde es so oder so rechtzeitig und in deutlicher Form erfahren, dessen war er sich sicher. Ob das Urteil nun positiv oder negativ ausfallen möge.

Heute waren sie in voller Besetzung gekommen. Gaius Lucius und Lucia die Ältere saßen in der Mitte, daneben ihre Söhne. Lucius neben seiner Mutter, Antonius neben seinem Vater. Rechts neben Lucius saßen zuerst Lucia, dann Siofra, Frija und Spurius. Links neben Antonius saß seine Frau Lucia und daneben Tiberius. Lucius wusste nicht so genau, ob er froh darüber sein sollte, dass die Truppe durch die Auftrennung nicht ganz so aufgedreht war, oder ob er die leicht angespannte Stimmung unangenehm finden sollte. Leider war doch eher letzteres der Fall.

Spurius reckte sich nach der Kaiserloge. „Ist der Kaiser eigentlich schon angekommen? Habe ich das verpasst, nein oder?" Auch Lucius wandte sich nun um, so gut es von ihren Plätzen aus ging. „Nicht, dass ich wüsste. Ich glaube auch, dass es schwer sein könnte, seinen Empfang zu verpassen. Ich habe hier nicht umsonst so viele Trompetenspieler antanzen lassen." „Aber dort drüben sieht es schon ziemlich stark danach aus, als ob es gleich losgehen würde." Spurius deutete auf die Startboxen, die weit entfernt am anderen Ende des Circus', aber gegenüber von ihnen lagen. Tiberius rief über die Köpfe der restlichen Familie hinweg: „Ist die Kaiserin nicht schon dort? Ich glaube, ich sehe sie von hier aus. Ich kann sie nicht genau erkennen, aber ich sehe Purpur, deshalb denke ich das mal." Gaius Lucius fuhr ihnen dazwischen: „Ihr alle wisst doch sehr genau, wie der Kaiser ist. Ich glaube nicht, dass mich bei diesem Mann noch irgendetwas überraschen würde, wenn man ihn überhaupt einen Mann nennen darf. Also lasst ihn doch einfach Kaiser sein und kommen, wenn er kommen will. Sollen die Rennen ruhig schon beginnen."

Lucius wollte gerade etwas antworten, doch die Fanfaren der Trompeten unterbrachen ihn frühzeitig. Das konnte doch nicht wahr sein, jetzt fanden die rennen, die eigens für den Kaiser veranstaltet wurden, ohne ihn an. Doch Lucius Verzweiflung wurde bald wieder weggeblasen und stattdessen durch neue ersetzt. Das war, als er seine Majestät selbst, als sie in der ersten Kurve waren, auf dem Wagen der Grünen sah. Wundervoll. Einfach nur wundervoll. Dieses Mal musste er, so ungern er es auch tat, seinem Vater zustimmen. Es wunderte ihn beinahe nicht mehr. Der Kaiser hatte garantiert wieder spontan einen ganz tollen Einfall gehabt und der sah nun so aus. Sich als Staatsoberhaupt des größten Reiches der Welt persönlich in ein Wagenrennen zu stürzen. Ganz große Klasse. Es war ja nicht so, als ob es regelmäßig mal Tote gab. Garantiert nicht.

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