Daheim?

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„Jedenfalls hast du sechszehn Jahre geschlafen."

„Wie bitte!?", rief Apollo und löste sich von Diana und Hymen. Sie sahen ihn mitleidig an, während er verzweifelt den Kopf in seinen Händen verbarg. Er wischte sich fahrig über das Gesicht und fragte, allerdings mehr sich selbst: „Wie kann das denn sein?" Diana strich ihm leicht über den Arm, um ihn zu beruhigen. Es schien glücklicherweise auch zu klappen. Schließlich fragte Apollo: „Was ist in der Zwischenzeit passiert? Und vor allem, wie geht es Lucius?" Es war Hymen, der antwortete: „Also was passiert ist, können wir dir erzählen. Was Lucius angeht wirst du selber nachgucken müssen. Du weißt ja, wo dein Spiegel ist." „Gut, dann...", Apollo überlegte eine Weile. Er schien immer noch etwas durch den Wind. „Setzten wir uns am besten einmal woanders hin. Und dann erzählt ihr mir, was so los war. Und wann du so groß geworden bist, Hymen." Er stand mit den beiden auf und sie hockten sich auf die Sofas im Raum.

Diana fing an, zu erzählen, was in den letzten Jahren auf dem Olymp so los gewesen war. Sie hatte ihn mit Merkur auf den Olymp zurück gebracht, nachdem sich Lucius endlich von seinem toten Körper losgerissen hatte und sie niemand mehr beobachtete. Jupiter hatte Apollo schließlich wieder unsterblich gemacht, nachdem er eine Auseinandersetzung mit Diana darüber gehabt hatte. Er wollte, dass er wiederbelebt werden würde und dann wieder zurück auf die Erde kam. Sie war der Meinung, dass er mehr als genug damit getan hatte, indem er sich für einen Menschen geopfert hatte. Nach vielen Androhungen von Diana, worin sie ausgesprochen gut war, und einer Abstimmung unter den Olympiern, wurde schließlich der Heilungsprozess eingeleitet. Es war lange Zeit unklar, ob er wieder aufwachen würde und schließlich hatte kaum noch jemand daran geglaubt.

Die Musen hatten sich weiterhin Apollos Aufgaben geteilt, wie es auch schon davor gewesen war. Das einzige, was bei den Menschen aufgefallen war, war, dass die Phytia im Orakel von Delphi keine Prophezeiungen mehr zustande brachte. Allerdings hatten sie einfach nur geglaubt, dass Apollo nicht willens war, ihnen die Zukunft zu zeigen und hatten ihm mehr geopfert, oder sich eben damit abgefunden.

„Na, dann ist es ja wenigstens nicht so wirklich schlimm. Und es gab keinen Krieg zwischendurch", stellte Apollo fest. Diana nickte, wandte dann aber ein: „Einen neuen Kaiser gibt es jetzt trotzdem. Der Alte wurde von seiner Frau vergiftet, damit sie ihren Sohn auf den Thron bringen konnte. Jetzt ist es also Nero." „Nero? Nie von ihm gehört", kommentierte Apollo. „Er hieß auch zuvor anders, er wurde nur vom Kaiser adoptiert. Aber auch schon zur 800 Jahr Feier hat er mehr Applaus als der kaiserliche Sohn bekommen. Er hat damals die Reitergarde der Jugend angeführt." Apollo stöhnte genervt auf. „Stimmt ja, ich habe sogar die Feier verpasst. Aber dass es tatsächlich schon so lange her ist, dass Rom entstanden ist. Der Trojanische Krieg kommt mir noch so vor, als sei er gestern gewesen." Diana zuckte mit den Schultern. Dann meldete sich Hymen: „Ein paar Jahre waren da doch auch noch zwischen. Schließlich ist Aeneas erstmal nach Italien gekommen und dann musste sich Mars noch einmischen." „Da hast du recht", bestätigte Apollo. „Dann freut es mich doch, dass du meinen Gute-Nacht-Geschichten gut zugehört hast." Hymen grinste, während sich sein Vater vom Sofa erhob. Auf Dianas fragenden Blick hin sprach er: „Ich gehe jetzt eben zum Spiegel und gucke, wie es Lucius geht." „Kommst du dann später zum Abendessen? Die anderen sollen schließlich auch wissen, dass du wieder wach bist", fragte Hymen. Apollo nickte und wuschelte ihm kurz durch das Haar. „Ich werde heute sogar neben dir sitzen. Ich glaube nämlich, dass du mir auch noch einiges zu erzählen hast." Hymens Augen leuchteten begeistert auf und er nickte eifrig. Es war selten, dass sein Vater beim großen gemeinsamen Abendessen mit allen anderen Göttern seinen Platz auf einem der zwölf großen Throne für ihn verließ.

Apollo ging also durch die Gänge seines Palastes, bis er zu einem der beiden Innenhöfe kam. Dort befand sich der sogenannte Spiegel, der das Leben auf der Erde zeigte. Gut, eigentlich war es kein Spiegel, sondern ein Teich, in den sogar ein kleiner Wasserfall plätscherte. Wenn Apollo nun die richtigen Steine vom Ufer nahm und sie herein warf, spiegelte der Teich das wider, was sich an einem Ort seiner Wahl abspielte, oder eine bestimmte Person gerade tat. Der Teich wurde nur von allen immer ‚Spiegel' genannt, da er im Endeffekt ja die Wirklichkeit spiegelte und es sich nun mal besser anhörte als ‚magischer Gartenteich'.

Amor vincit omniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt