Ein zurückgenommenes Geschenk

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Lucius war froh, als er mit Apollo die volle Straße verließ. Heute war es wirklich besonders schlimm gewesen, denn alle Lehrer, die bürgerliche Kinder unterrichteten, waren wohl irgendwie auf die Idee gekommen, gleichzeitig ihre Lektionen zu halten. Auf genau dieser Straße*.

Sie kamen in einer schmalen Gasse an, bei der sie beide nur beinahe nebeneinander her passten. An den Wänden begannen erste Pflanzen vom Dach herunter zu wachsen und es war dunkel. Am Ende der Gasse kam man in einen kleinen Hof. Ein Brunnen war in der Mitte gelegen und ringsum waren wohl die Rückseiten der Insulae. Ein paar Kinder spielten im Schatten mit Würfeln, denen Apollo freundlich zuwinkte. Sie winkten zurück und sahen Lucius interessiert an. Oben an den Fenstern hing Wäsche nach draußen, Essensgeruch strömte heraus und ein Sklave kam gerade heraus, um mit einem Eimer Wasser zu holen. Auch er grüßte und Lucius fragte sich, ob Apollo wohl so gut bekannt war mit jemandem hier.

Er folgte ihm geradeaus, wo eine Türe in das Haus führte. Apollo klopfte und nach einigen Momenten hörte man Schritte und das Zurückschieben eines Holzriegels. Die Türe öffnete sich knarzend, dahinter kam schüchtern der Kopf eines jungen Mannes zum Vorschein. Lucius schätzte ihn so alt wie Tiberius. Möge man noch ein Jahr darauf legen.

„Einen schönen Tag!", begann Apollo. „Ist der Meister da? Ich habe bei ihm etwas in Auftrag gegeben. Er meinte es sei jetzt wohl fertig." Der Junge sah zu Apollo auf, linste kurz nach hinten zu Lucius, sah zurück zu Apollo und sagte schließlich: „Er ist gerade nicht hier, er ist bei Leuten, die ihn zu sich gerufen haben. Auf dem Viminal. Aber wenn Ihr mögt, kann ich Euch auch gerne behilflich sein. Ich bin sein Gehilfe, seit drei Wochen jetzt." Kurz überlegte Apollo, dann meinte er: „Ja, das wird schon gehen. Notfalls komme ich morgen wieder, oder wann auch immer ich Zeit habe." Der Junge nickte, hielt dann die Türe auf, um sie einzulassen. „Komm, Lucius."

Innen war es ein wenig duster, doch der Junge ließ die Türe ein wenig angelehnt, um Sonnenlicht hinein zu lassen. An den Wänden waren viele Regale mit Stoffen verschiedenster Art. In Truhen sammelten sich Bänder und auch ein wenig Schmuck gab es, der fein säuberlich auf einem kleineren Tisch aufgereiht war. Auf einem größeren Tisch lagen einige Maßstäbe und Stoff, Nadel und Garn. Der Junge schien daran bis eben noch gearbeitet zu haben.

„Auf welchen Namen hattet ihr das Stück bestellt?", wurde Apollo gefragt. „Chrysallìon von Delos." Der junge Mann nickte und lief zu der Türe, die links in einen weiteren Raum führte. Soweit Lucius erkennen konnte, waren dort fertige Kleidungsstücke auf einem Tisch aufgereiht, obenauf kleine Schiefertafeln.

Nach einer Weile kam der Gehilfe zurück, in den Armen etwas aus zartrosa Stoff, und goldene Reifen lagen obenauf. „Dieses hier ist es, nicht? Die Färbung  aus Ägypten stammend und die Bänder aus Gold mit Steinen aus dem hohen Norden?" „Ganz genau. Ich danke Euch." Vorsichtig legte der Junge das, von dem Lucius immer noch herauszufinden versuchte, was es eigentlich war, in Apollos Arme. Der Ärmste schien noch nervöser als vorher und Lucius tat es nun doch leid, dass er seine Senatorentoga trug und Apollo dann auch noch etwas so Kostbares abholte. Er musste ja denken, dass sie wer weiß wer waren. Lucius meinte beinahe zu sehen, dass er zitterte. „Möchtet Ihr es im Nebenraum probieren? Oder ist es nicht für Euch?", fragte er die beiden. Lucius sah Apollo an, der meinte: „Das käme uns sehr gelegen, vielen Dank." Der Gehilfe wies auf die Türe auf der rechten Seite. „Dann können die Herrschaften gerne diesen Raum nutzen. Bitte lasst Euch so viel Zeit wie Ihr braucht." Die beiden bedankten sich und Lucius schloss die Türe hinter ihnen beiden.

Apollo legte das Stück, was auch immer es jetzt eigentlich war, auf den kleinen Tisch an der Seite, als Lucius das Wort ergriff: „Sag mal, warum hast du das hier eigentlich bestellt? Könntest du dir nicht selber irgendetwas erschaffen, oder zumindest einen der anderen Götter fragen? Da zahlst du bestimmt nicht so viel und schneller geht es doch auch. Oder?" Apollo wiegte den Kopf hin und her. „An sich stimmt das schon", er schien für einen Moment die richtigen Worte zu suchen. „Es ist nur so, dass es mir auf diese Weise mehr Spaß macht. Der Prozess ist viel interessanter so, erst ausdenken, was man haben möchte, den Stoff auswählen, ausmessen, warten bis es geschneidert wird. Die Vorfreude ist dann eine ganz andere, weißt du?" Lucius nickte langsam. So ganz verstehen konnte er es nicht, aber nun gut. Wenn Apollo seine Freude daran hatte, dann durfte er natürlich gerne tun, was er wollte.

Amor vincit omniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt