Hoheitlicher Besuch

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Im Haushalt der Lucianer herrschte Hochbetrieb. Die Räume wurden geputzt, die Pflanzen im Garten hergerichtet, Dekorationen neu drapiert. Es wurden die köstlichsten Speisen aus aller Welt zubereitet, neue Kleidung zugeschnitten, vorsichtshalber der nahe gelegene Strand von Treibholz und ähnlichem befreit. Die Tiere, die nicht geschlachtet wurden, kamen in ihre Ställe, der Hof wurde gefegt, die Haare der Töchter des Herrn mit den edelsten Ölen behandelt, nur um den Kaiser zu begrüßen. Am Gastmahl selbst durften sie nicht teilnehmen.

Über alle diese Tätigkeiten wachte ein gestresster Gaius Lucius, der sich zusätzlich darum bemühen musste, dass sein Sohn und sein Neffe nicht vollends die Nerven verloren. Die Jungen waren heillos aufgeregt, wussten die Götter, wieso. Vielleicht war es einfach die Nervosität, bald an der Seite des reichsten und mächtigsten Mannes des Reiches Abend zu essen.

Schließlich war der Abend da, die Speisen waren bereit, serviert zu werden, die Lecti* mit neuen Kissen ausgestattet, neue Musikstücke und Gedichte eingeübt. Die Jungen ließen sich von den Sklavinnen die letzten Falten ihrer Tuniken zurecht zupfen, die man bei Gastmahlen trug. Die Kleidung zum Essen war immer sehr viel gelöster und gemütlicher, als die, mit der man auf die Straße ging. Ebenfalls kam man nicht in geschlossenen Schuhen, sondern mit Sandalen, die zum Essen ohnehin ausgezogen wurden.

Bald hörte man die Stimmen der Sklaven, die die kaiserliche Sänfte trugen. Die Jugendlichen und die Sklaven des Haushalts nahmen Haltung an, Lucius trat einige Schritte nach vorne, um seine Hoheit zu begrüßen. Der schwere Stoff der Vorhänge wurde beiseite gezogen, Nero trat auf den Hof. Lucius verbeugte sich tief, die Personen hinter ihm taten es ihm nach. „Es ist uns eine Ehre, sie hier in der Villa ad Mare begrüßen zu dürfen." Der junge Kaiser lachte leise. „Nein, es ist mir eine Ehre", entgegnete er, „Diese Villa ist tatsächlich so schön, wie man erzählt. Ich freue mich, dass ich sie sehen darf." „Ich danke Euch", meinte Lucius etwas leiser und sprach dann weiter: „Wenn Ihr mir in das Triclinium folgen wollt."

Der Kaiser folgte dem Hausherrn, die Dienerschaft und die Jugendlichen bildeten eine Gasse und folgten den beiden dann. Auch die Begleiter des Kaisers traten ins Haus. Im Triclinium wurde Nero der Ehrenplatz zu Teil, gegenüber vom Gastgeber. Die beiden Jugendlichen nahmen neben Lucius Platz, nachdem auch ihnen Hände und Füße gewaschen worden waren. Neben dem Kaiser und seitlich auf dem Lectus lagen weitere Begleiter. Seneca kam neben seiner Majestät zum Liegen, daneben die Frau des Kaisers, Octavia. Auf dem letzten Lectus hatte sich Nero zwei seiner Freigelassenen und einen Sklaven gewünscht.

Schließlich wurden die ersten Gänge serviert, die Vorspeisen. Dazu gehörten appetitanregende oder leichtere Speisen, wie Salate oder Kohl, kleinere Fisch- und Fleischspeisen oder auch Pilze. Ein Glückstreffer, den Lucius überraschender Weise gelandet war, waren Linsen, die kürzlich aus Ägypten importiert worden waren. Sie hatten ihren Preis gekostet und der hatte nicht wenig betragen, aber immerhin schienen sie dem Kaiser zu gefallen.

Nach diesen vier Gängen wurde endlich der Hauptgang aufgetischt, der insgesamt eher in die Länge gezogen wurde. Es gab Kapaunen und die besonders edle Schulter einiger Hasen, doch am meisten Anklang fand das in ganzen Stück servierte Schwein, dessen Bauch man mit allerlei Würsten und Obst gefüllt hatte. Beim Hauptgang kamen sie nun auch endlich zum Thema, warum der Kaiser überhaupt zu Besuch war.

„Zuerst wird man einige Plätze auswählen müssen, wo die Wettbewerbe stattfinden. Diese müssen genügend Zuschauer umfassen können und in der Nähe sollten Unterkünfte für die Künstler sein. Dabei hatte ich bereits an das Theater des Pompeius oder die Saepta Iulia gedacht", verkündete Lucius seine ersten Gedanken. Nero schien sich diese Ideen kurz durch den Kopf gehen zu lassen, bevor er antwortete: „Ich wäre mit diesen beiden Orten einverstanden, doch ich hätte auch gerne einige Wettbewerbe im Freien. Meint Ihr, die Gärten am Mons Vaticanus würden sich eignen?" Lucius fand diese Idee ziemlich gut, in den Gärten hatten einige Manschen Platz und es würde insgesamt ein angenehmeres Klima schaffen. Also stimmte er dem zu, dann wurde besprochen, welche Wettbewerbe wo veranstaltet werden würden. Außerdem welche Ehrengäste man einladen würde, Nero hatte einige Kontakte in Griechenland, und welche Preise es zu gewinnen geben würde. Einige Veranstaltungen drum herum würde man auch noch organisieren müssen, doch diese verschoben sie auf ein anderes Treffen. Sie waren nach diesen ganzen organisatorischen Dingen beim letzten Gang angekommen und langsam war die Konzentration und Motivation dahin geflossen. Auch für die Jugendlichen war es auf Dauer äußerst langweilig geworden, wenn sie nicht gerade vom Kaiser angesprochen worden waren und eine Herzattacke bekamen. Insgesamt war dies am Abend jedoch nur drei Mal vorgekommen.

So aßen alle ihr letztes Stück Kuchen, ihre letzten Nüsse oder Früchte, bevor sich der Kaiser mit seinem Gefolge zum Gehen verabschiedete. Sie verabredeten noch das nächste Treffen, diesmal in Neros Palast, dann trugen die Sklaven ihn in seiner Sänfte wieder heim.

Sobald er außer Sichtweite war, fiel eine gewisse Anspannung von allen ab. Sie war die ganze Zeit irgendwie, wenn auch unbewusst, da gewesen, nun waren alle sehr erleichtert, dass alles geklappt hatte. Lucius atmete tief durch, dann wandte er sich zufrieden zu seinem ganzen Haushalt um, der den Kaiser verabschiedet hatte. „Das war wirklich gute Arbeit von euch allen. Ich danke euch sehr dafür. Die Küche hat wieder einmal mit ihren Köstlichkeiten gezaubert, beeindruckende Leistung. Auch an alle, die zuvor dekoriert haben, noch einmal besten Dank", sprach Lucius zu ihnen allen. Er wusste, andere würden das alles als Selbstverständlichkeit nehmen und hätte alle dafür gestraft, wenn sie schlechte Arbeit gemacht hätten. Doch Lucius wusste sehr genau, was für einen Stress auch seine Sklaven in den letzten Tagen gehabt hatten und meinte, es sein nur gerecht, ihnen dafür entsprechend zu danken.

„Räumt dann bitte noch die Reste auf den Müll. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch auch an den Speisen bedienen, die übrig geblieben sind, es ist noch einiges da." Die Sklaven sahen sie erfreut an, dann bedankten sie sich überschwänglich bei ihrem Herrn. Sie verschwanden beinahe sofort wieder im Haus, sodass nur noch Lucius, Tiberius und Spurius auf dem Hof standen. Nun wandte sich der Hausherr auch den Jungen zu. „Ihr habt das sehr gut gemacht. Ich bin stolz auf euch." Dann breitete er die Arme aus, die Jungen strahlten ihn an. Dann stürzten sie in die Umarmung, dass Lucius beinahe umgefallen war. Doch er schmunzelte nur, er wusste, auch wenn die beiden schon aus dem Alter heraus waren, freuten sie sich sehr über die Geste, die bei anderen Vätern niemals denkbar sein würde.

Lucius' Gedanken drifteten zu seinem eigenen Vater ab, während er sanft über die Haare seines Neffen und seines Sohnes strich. Zu Gaius hatte er nicht mehr so viel Kontakt. Sie sahen sich vielleicht alle zwei Monate mal, wenn sie das Bad besuchten oder sich gegenseitig zum Essen einluden. Allerdings war das alles nur ein Akt der Höflichkeit, wenn es sich nicht so gehören würde, würde Lucius dies niemals machen. Seine Kinder hatten so oder so eine starke Abneigung gegen ihn, Frija legte sich sogar regelmäßig verbal mit ihm an. Später tat es ihr immer leid, weil dann Lucius von seinem Vater ausgeschimpft wurde, der sagte, es sei bei dieser schlechten Erziehung überhaupt kein Wunder, dass er keinen Mann für sie fand. Siofra war eher ruhiger. Sie dachte ein wenig mehr nach, bevor sie etwas sagte, aber wenn ihr jemand ganz bewusst Unrecht tat, konnte sie ebenfalls aggressiv werden.

Lucius löste langsam die Umarmung und meinte schließlich zu den Jungen: „Ich gehe dann jetzt schlafen. Und genau dasselbe solltet ihr auch tun. Heute war ein langer Tag und morgen habt ihr auch wieder Unterricht." Die beiden nickten gehorsam und begaben sich auf ihre Zimmer. Lucius blieb noch eine Weile lang auf dem Hof stehen und blickte hinauf in die Sterne bis auch er sich zur Nachtruhe zurück zog.

Derweil beobachtete Diana genervt ihren Bruder, während sie auf einem Hocker saß und einen ihrer Hunde streichelte. Genervt war sie deswegen, weil Apollo schon die ganze Zeit wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her lief, Sachen herum trug und dabei vor sich hin murmelte. Schließlich wurde es ihr zu bunt und sie unterbrach ihn mit den Worten: „Sag mal, was wird das hier eigentlich?" Apollo drehte sich erschrocken zu ihr herum, anscheinend hatte sie ihn aus einem Gedankengang gerissen. „Ähm, ich spinne einen Traum für Lucius. Ich möchte gerne wieder zu ihm, aber ich will nicht, so wie Onkel Pluto, einfach auftauchen und Lucius verschleppen oder so. Ich will ihn ein bisschen darauf vorbereiten und deswegen der Traum." „Aha." Diana nickte langsam. „Na dann viel Glück." Aus ihrem Ton konnte man allerdings immer noch heraus hören, dass sie die ganze Aufregung ihres Bruders ziemlich bescheuert fand. Nicht, dass sie ihn nicht verstehen konnte, sie meinte einfach nur, dass er sich nicht so anstellen sollte. Aber da würde sie so oder so nichts ausrichten können.

Schließlich verließ sie den Raum, sie hatte spontan beschlossen, auf die Jagd zu gehen. Apollo kümmerte das nicht, er war immer noch gut an der Kugel aus feinen, goldenen Lichtfäden beschäftigt, die er gleich zu Lucius auf die Erde schicken würde.



*Lectus: Liege, auf der man zum Essen lag und auf der in der Regel drei Menschen Platz fanden. Sie wurden um den Tisch herum aufgestellt.

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