Gerechtigkeit für Apollo

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Das Bankett wurde bis zum Abend fortgesetzt. Im Verlauf des Nachmittags waren schon einige Gedichte vorgetragen worden, jedoch nicht zum Wettstreit. Dieser war erst für den nächsten Abend vorgesehen. Heute dienten sie eher der Unterhaltung und die Dichter, die bereits auf dem Adressenzettel der Trophäe standen, wollten sicherlich auch ihre Position verdeutlichen. Lucius war positiv beeindruckt gewesen. Er war niemals übermäßig interessiert gewesen, sich Dichtwettstreite anzusehen. Er war immer nur zu denen gegangen, zu denen er ausdrücklich eingeladen worden war, doch auch diese waren niemals übermäßig interessant gewesen. Heute bemerkte jedoch selbst er, dass diese Dichter nicht umsonst die besten des Reiches waren. Und auf einmal wurden ihre Werke sehr viel unterhaltsamer. Es machte Freude, diesen exzellenten Vorträgen zuzuhören, da die rhetorischen Fähigkeiten der Dichter die Bedeutung ihrer Werke viel klarer machten. 

Nachdem der Kaiser Apollo zu sich gerufen hatte, hatte er gefragt: „Und, was für einen Grund hatte man denn nun wirklich, Euch mir vorzustellen? Neben Eurer Erscheinung würde mich ein Talent Eurerseits nicht überraschen." Apollo hatte gelächelt und vorsichtig gemeint: „Ich nehme an, ich bin hier, da ich ebenfalls dichte. Ich nehme jedoch nicht an dem Wettstreit teil." „Nicht? Aber, aber, ich bin mir sicher, Ihr könntet mit den anderen mithalten. Wenn Ihr mögt, können wir Euch sicher noch einschieben, nicht war, Lucius?" „Das kann sicher arrangiert werden, Eure Hoheit." Konnte es eigentlich nicht so einfach, aber wer lehnte schon einen Wunsch des Kaisers ab? „Vielen Dank, das weiß ich sehr zu schätzen, aber dieses Mal gebe ich mich sehr damit zufrieden, nur ein Zuschauer zu sein. Bei den nächsten Spielen vielleicht", hatte Apollo abgelehnt. „Na dann versprecht mir aber, bei den nächsten wirklich dabei zu sein", hatte Nero gefordert. Apollo hatte gelacht. „Nun gut." „Sehr schön", hatte Nero gegrinst und einen Arm um Apollos Taille gelegt, den Lucius am liebsten sofort wieder weggerissen hätte.

Nun, am nächsten Tag, saß Nero in seinem Thronsaal, in den Lucius gerade gerufen worden war. Dann ergriff er das Wort: „Wie ich bereits gestern gesagt habe, war die Eröffnungsfeier ein großer Erfolg. Ich habe viele Komplimente bekommen, vor allem die Idee des Aufenthaltes in kleineren Gruppen, bei denen man dennoch die Möglichkeit hat, sich zu anderen zu gesellen oder die Gruppen zu wechseln, wurde sehr gemocht. Ich bin von Euch überrascht worden und ihr könnt ein hohes Honorar dafür erwarten. Insofern die nächsten Tage genau so verlaufen, natürlich." Ein großzügiges Lob, für das Lucius dankbar den Kopf senkte. „Meinen besten Dank, Eure Hoheit. Die Spiele sollen ganz nach Eurer Zufriedenheit sein." Als Lucius wieder zu dem jungen Kaiser aufsah, schien dieser nachzudenken. Dann, als seine Entscheidung offenbar gefallen war, sprach er: „Ich würde Euch gerne in einer Woche, nachdem die Spiele vorbei sind, einladen, mit mir zu Speisen. Ich gebe ein Fest im kleineren Kreis. Ich werde zur zehnten Stunde in meinem Stammbadehaus einkehren und danach hier die Cena einnehmen. Ich hätte euch gerne bei beidem dabei. Wenn Euch danach ist, hübsche Begleitung ist ebenfalls gerne gesehen."

Lucius hatte zwei Vermutungen, was hinter diesen Worten stecken könnte. Zum einen könnte der Kaiser Hoffnungen haben, dass er Apollo, also „Chrysallìon", mitbringen könnte. Er schien Gefallen an ihm gefunden zu haben, was Lucius nicht unbedingt mochte. Zum anderen könnte der Kaiser rausfinden wollen, ob er aktuell eine Affäre mit jemandem hatte. Gestern hatte Lucius gemerkt, dass Leute über ihn sprachen. Er wusste zwar, dass er als der Senator bekannt war, der seit Jahren keine Frau hatte, doch er hatte noch nicht gewusst, dass Leute darüber Wetten abschlossen, mit wie vielen Huren er wohl wöchentlich schlafen würde. Ihm war es unangenehm gewesen, sehr sogar, und außerdem hoffte er sehr, dass seine Kinder nicht mit etwas dieser Art belastet wurden. Im besten Fall wussten sie gar nicht erst davon.

Dass der Kaiser ebenfalls interessiert daran zu sein schien, überraschte ihn, aber nicht viel zu sehr. „Ich werde gerne kommen. Es ist mir eine Ehre", sprach Lucius. „Schön. Sei einfach zu dieser Zeit in der Therme, du wirst mich dort schon finden." Der Kaiser machte eine Handbewegung und entließ Lucius. Dieser wurde von zwei Sklaven vor die Türe begleitet, auch wenn das eigentlich gar nicht nötig war, den Weg kannte er mittlerweile. Draußen erwartete ihn, wie auch am Morgen schon, schönes Wetter, nur ein paar Schäfchenwolken waren am blauen Himmel verteilt. Als er die Treppen hinunter stieg, sah er am Ende Apollo, der ihm zuwinkte.

Lucius war überrascht, denn Apollo hatte keinen Besuch seinerseits angekündigt. Aber nun, wann tat er das schon. Lucius lief ihm entgegen, begrüßte ihn jedoch nicht mit einen Kuss oder einer Umarmung oder dergleichen, sie waren schließlich in der Öffentlichkeit und der Vorplatz war nicht unbedingt leer. Außerdem hatte Lucius bemerkt, dass sich seit gestern sein Name noch mehr herumgesprochen hatte. Er vermutete, dass der Grund dafür war, dass er bei der Eröffnungsfeier an der Seite des Kaisers geblieben war, wenn auch nur auf dessen Wunsch, und er war einigen weiteren Leuten vorgestellt worden. Auf jeden Fall hörte er mehr Gespräche und Geflüster über sich, wenn er an den Menschen vorbei lief.

Apollo trug schon wieder keine Tarnung als Germane, stattdessen bedeckte ein leichter schlichter Chiton seinen Körper. Vielleicht war es ihm in einer Hose zu warm, trotzdem hätte Lucius es lieber gehabt, denn so wurde er immer etwas nervös. „Ich habe gehört, du bist zum Essen eingeladen?" „Schaust du mir den ganzen Tag zu, oder wie soll ich das verstehen?" „Nein, keine Sorge. Nur den halben." „Ah, ja." Apollo grinste. „Und wie war das mit Begleitung?" Lucius verdrehte die Augen. „Ja, sie ist erwünscht und ja, ich wie auch, dass der Kaiser sich vermutlich wünscht dich wiederzusehen. Aber du willst doch nicht ernsthaft schon wieder mitkommen?", fragte er entgeistert. „Warum nicht? Das könnte lustig werden. Außerdem hat er von ‚hübscher Begleitung' gesprochen, da musst du mich doch einfach mitnehmen, so perfekt wie ich bin", witzelte Apollo mit wackelnden Augenbrauen. Lucius musste lachen, warf aber trotzdem ein: „Ich weiß nicht. Am Ende kriegen wir wegen der Gerüchteküche noch richtige Schwierigkeiten." „Das sollen sie mal versuchen. Du scheinst zu vergessen um wen es sich bei meiner Persönlichkeit handelt, Liebes." Lucius sah sich schnell um, aber nein, niemand hatte sie gehört.

Er seufzte. Er wusste, er konnte diese Diskussion nicht gewinnen. „Nun gut. Aber wir müssen uns noch eine authentische Geschichte ausdenken, nicht dass du wieder wie letztes Mal irgendetwas erzählst, von dem ich keine Ahnung habe." Apollo nickte brav.

Dann verkündete er: „Wir gehen jetzt Stoffe kaufen. Ich finde, du brauchst eine neue Toga für die Festtage." „Ach ja? Jetzt? Ich fand meine zuhause eigentlich immer ausreichend", meinte Lucius. Doch Apollo zog ein empörtes Gesicht. „Ich habe mich extra gestern schön für dich gemacht und du hast die Nerven in deiner normalen Senatorentoga aufzutauchen!" Lucius hob abwehrend die Hände. „Das ist doch ganz üblich so, man zeigt seinen Status durchaus auch auf Festen. Das ist doch egal." „Mir ist es nicht egal", entrüstete sich Apollo. „Das musst du doch nicht persönlich nehmen." „Tu ich aber. Wir müssen schon Gerecht in unserer Beziehung sein, sonst läuft das nicht." „Na schön", Lucius seufzte ein weiteres Mal. „Was hast du dir vorgestellt? Ein wenig Zeit habe ich noch bis zu den Dichtwettstreiten heute Nachmittag." Apollos Gesicht hellte sich auf und er erzählte: „Ich finde, blau steht dir ausgezeichnet. So ein Farbmuster, wie du auf deinem siebzehnten Geburtstag getragen hast." Er begann, über den Platz zu einer schmalen Seitengasse zu laufen. Sie schien parallel zu der größeren Straße zu laufen. Lucius hielt sich einfach an seiner Seite. „Du erwartest, dass ich mich daran erinnere? Ich weiß kaum noch, wie ich damals aussah." Apollo zog eine Schnute. „Das ist schade. Ich weiß es aber noch genau. Damals warst du noch viel süßer als jetzt, Melilla." „Och nein, nicht schon wieder."

Amor vincit omniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt