Ich hätte das nicht tun sollen

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Lucia übergab sich hinter dem Haus. Als sie heute Morgen aufgewacht war, hatte sie sich bereits merkwürdig gefühlt, aber sie hatte nichts gesagt. Sie wollte Quintus' Familie nicht mehr Schwierigkeiten machen, als sie es ohnehin schon tat. Sie gaben sich so viel Mühe, um ihr gerecht zu werden, auch wenn sie immer und immer wieder sagte, dass es nicht nötig sei. Sie wollte sie nicht auch noch dazu zwingen, sich um sie zu kümmern. Lieber wollte sie helfen, so gut sie konnte. Letztens hatte sie gelernt, wie man eine Tunika machte. Sie hatte sonst nur gewusst, wie man webte, die mühsame Arbeit hatte man ihr abgenommen. Aber es hatte sich unglaublich angefühlt, eine Tunika in Händen zu halten und sagen zu können, ich habe sie gemacht.

Ihr Vorhaben, niemandem Schwierigkeiten zu machen, wurde jäh zerstört, als ihre Schwiegermutter sie fand. Sie hasste, was für ein klägliches Bild sie abgeben musste, zwischen Mist und ihrem eigenen Erbrochenen.

„Hier bist du, Schätzchen. Oh Götter, du bist ja weißer, als eine Wand", sagte ihre liebenswerte Schwiegermutter. Sie berührte sie sanft am Arm und strich ihr über die Wange.

„Es geht schon", krächzte Lucia.

„Unsinn. Du kommst wieder mit mir rein. Komm, hier lang."

Sie führte Lucia wieder hinein und sie entschied sich, sich nicht zu wehren. Wenn sie ganz ehrlich war, fühlte sie sich tatsächlich nicht gut.

Ihr wurde befohlen, sich wieder auf ihres und Quintus' Bett zu setzen, wobei sie den Kopf unter der Dachschräge einziehen musste. Es war immer sehr gemütlich. Ihr wurde Wasser gereicht, mit dem sie sich den ekligen Geschmack aus dem Mund spülen konnte. Ihr wurden einige Fragen zu ihrem Wohlbefinden gestellt, dann wurde sie ausführlich abgetastet. Sie wusste nicht genau, was das sollte, aber sie vertraute der Frau. Je mehr sie sie kennengelernt hatte, desto mehr erkannte sie, dass sie wesentlich mehr über das Leben wusste, als Lucia.

Sie sah plötzlich aus zu Lucia, ein merkwürdiger Blick in ihren Augen. „Sag, Schätzchen, ist es möglich, dass du schwanger bist?"


Apollo starrte auf den Apfel in seinen Händen. Dann sah er zu Lucius, dann wieder auf den Apfel, zurück zu Lucius. Ein Grinsen huschte über seine Züge. Lucius hatte sein Gesicht abgewandt, sein Blick irgendwo am Boden. Apollo legte den Apfel sorgsam zur Seite, dann krabbelte er auf die andere Seite des Bettes.

Lucius' Gedanken rasten. Ihm schossen ungefähr tausend durch den Kopf, doch die, die dominierten, waren definitiv: „Oh Götter, was mach ich jetzt?" und „Ich hätte das nicht tun sollen". Alles kam zu einem Halt, als er einen Atem in seinem Nacken spürte und zwei Arme, die sich um seinen Oberkörper schlangen. „Für so geradeheraus hätte ich dich ja gar nicht gehalten. Und was hast du dir so vorgestellt?" Er wurde nach hinten gezogen und auf das Bett gelegt und er starrte wie paralysiert geradeaus, bis sich Apollos Gesicht in sein Blickfeld schob und alles von seinen Haaren im Morgenlicht in Gold getaucht wurde.

Es wäre falsch gewesen, zu behaupten, dass Apollo nicht ehrlich überrascht gewesen wäre. Tatsächlich hätte er Lucius nicht für die Person gehalten, ihm auf einmal einen Apfel zuzuwerfen, das Symbol der Aphrodite.

Aber es wäre auch falsch gewesen, zu behaupten, er habe sich nicht gefreut. Er war bereit dazu gewesen, auf Lucius zu warten, vielleicht auf ewig. Aber wenn er schon derjenige war, der den Wunsch äußerte mit Apollo zu schlafen, dann sei es so. Er nahm die Einladung gerne an.

Doch als er sich herunterbeugen wollte, um Lucius zu küssen, sah er etwas, was ihm nicht gefiel. Lucius sah ihn nicht an. Er schien einfach nur ins Leere zu starren. Und in seinem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck wider, der garantiert nicht hierher gehörte. Das letzte Mal, als er diesen gesehen hatte, war er auf einem Schlachtfeld gewesen. Das war falsch.

Lucius dachte gar nichts mehr. Da war nur noch ein konstantes Schreien, das er nicht wirklich verstand. Nur, dass geschrien wurde. Er sah auch nichts mehr. Alles war einfach nur noch hell und blendete ihn, doch er konnte seine Augen nicht schließen.

Dann plötzlich war alles wieder weg und er schnappte nach Luft. Er wusste nicht, dass er sie angehalten hatte. Er sah das besorgte Gesicht Apollos über sich und fühlte, dass er ihm über die Schulter rieb. Er wollte nicht, dass Apollo besorgt war. Er hatte sich das selbst eingebrockt, jetzt musste er es auch ausbaden. Und er hatte Apollo vermutlich sowieso viel zu lange warten lassen. Er wusste sowieso nicht, warum er, als Erwachsener, ein Problem damit haben sollte, mit einer Person, die er liebte, zu schlafen. Das war lächerlich.

Er schlang seine Arme um Apollos Schultern und küsste ihn. Dabei hoffte er, dass er Apollos Erwartungen gerecht wurde und vor allem, dass Apollo aufhörte, sich Sorgen zu machen. Das war unnötig. Apollo würde wissen, was er tat und er sollte ihm vertrauen können.

Lucius hatte ihn auf einmal wieder angesehen, nachdem Apollo mehrmals seinen Namen gerufen hatte, während er ins Leere gestarrt hatte. Dann hatte er auf einmal angefangen, Apollo zu küssen und es hatte ihm ganz und gar nicht gefallen. Es lag Angst in seinen Augen und seinen gesamten Bewegungen, wie sollte dann irgendeiner von ihnen irgendwas von dem, was sie taten, genießen?

Apollo löste die Hände von seinem Rücken und nahm sie in seine eigenen. Dann löste er sich von Lucius' Lippen und kletterte rückwärts von ihm herunter.

„Apollo, was machst du? Komm zurück."

„Nein."

„Was?"

„Nein."

Apollo setzte sich neben Lucius und zog ihn an seine Seite. „Was hast du denn, Apollo? Habe ich etwas falsch gemacht? Du kannst mir sagen, wenn etwas nicht gut war, ich mach es dann besser."

„Darum geht es nicht, Lucius."

„Was ist es dann? Du wolltest doch, oder?"

„Du hattest Angst."

Lucius versteifte sich neben Apollo. Es verwunderte ihn nicht. Leider.

„Was, warum sollte ich Angst haben?"

„Das weiß ich nicht. Aber es war so und ich werde nicht mit dir schlafen, während du dich vor mir fürchtest. Oder vor etwas anderem." Apollo sah Lucius von der Seite her an. „Kannst du mir sagen, wovor du Angst hattest?"

„Oh, Götter! Oh Götter, oh Götter, oh Götter, oh Götter. Lucius hatte es versaut. Er hatte alles ruiniert. Er hätte einfach da liegen sollen, Apollo hätte den Rest schon gemacht, er war schließlich erfahrener als er. Aber nein, Lucius musste wieder etwas anstellen und alles kaputt machen. Er wurde von stummen Schluchzern geschüttelt.

„Es- es tut mir leid. Es tut mir leid, ich hätte das nicht machen sollen. Ich wollte nichts falsch machen, wirklich nicht, und ich kann verstehen, wenn du mich jetzt nicht mehr willst oder gehen möchtest, das ist in Ordnung. Es tut mir leid, wenn ich deine Zeit vergeudet habe, aber wenn du willst, kann ich sie dir auch zurück zahlen. Mach einfach, was du willst, mir ist es gleich. Vorauf auch immer du Lust hast. Ich hätte das nicht tun sollen, ich- Wir können aber immer noch- Das ist schon in Ordnung."

„Lucius, hier geht es nicht darum, dass ich das mache, worauf ich Lust habe. Es geht hier darum, dass wir uns lieben und geliebt werden, aber du solltest keine Angst haben. Und du musst auch keine Sorge haben, dass du etwas falsch machst. Es gibt hier kein richtig und kein falsch. Und wenn du denkst, dass du noch nicht bereit dazu bist, ist das in Ordnung. Ich möchte, dass du glücklich bist, und wenn es nicht das ist, was dich glücklich macht, dann machen wir es nicht. In Ordnung?"

Apollo und Lucius hatten noch lange geredet. Lucius war einfach erleichtert. Apollo war verständnisvoll und er hörte ihm zu. Er nahm Rücksicht. Eigentlich wusste Lucius das auch und er wusste nicht, was genau über ihn gekommen war. Er wusste auch nicht, was über ihn gekommen war, dass er auf einmal den Apfel geworfen hatte. Nach dem Gespräch mit Apollo dachte er, dass er sich vielleicht selbst unter Druck gesetzt hatte, weil er einem angemessenen Liebhaber des Gottes Apollo entsprechen wollte. Apollo hatte gesagt, das wäre er schon, weil er Lucius sei.

Irgendwann verabschiedete sich Apollo, da er zurück zum Olymp musste. Seine Gebete warteten auf ihn, außerdem meinte er, dass er gerne seine Söhne sehen wolle.

Lucius entschied sich dazu, einen Ausflug in die Stadt zu machen. Denn als er so mit Apollo geredet hatte, war ihm ein Gedanke gekommen, was für ein Wunschdenken er auch sein möge. Götter, ich will diesen Mann heiraten. Und zumindest einen Ring wollte er Apollo schon gerne an den Finger stecken.

Amor vincit omniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt