Die Wettbewerbe III

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Der zweite Tag der Festspiele brach an. Heute war der Ort des Geschehens der Circus Maximus, in dem die Sparte des Ringens und des Laufens heute stattfinden würde. Lucius war früh nach Rom gefahren, um den Auflauf der Athleten zu organisieren und hoffte, dass sie sich allesamt so zivilisiert benehmen würden, wie die Dichter vom Vortag. Auch, wenn er damit nicht unbedingt rechnen würde. Glücklicherweise hatte er im Vorfeld genügend Leute bestellt, die in einem Konflikt in der Lage sein würden, einzugreifen und der Circus Maximus besaß ohnehin sehr viele Wachen. Eigentlich sollte nichts schief gehen.

Bis kurz vor Beginn der Ringkämpfe ging der Plan gut auf. Es gab einige Uneinigkeiten, aber noch keine offenen Konflikte so weit.

Lucius hielt sich heute im Hintergrund auf. Er hatte kein allzu großes Verlange, den Kämpfen selbst zuzusehen, stattdessen sah er lieber persönlich nach der Organisation hinter den Kulissen. Gerade wurden die Kämpfer, die zuerst dran waren, mit Öl eingesalbt. Von oben waren schon die Stimmen der tausenden Menschen zu hören und eine Aufregung lag in der Luft. Es wurde im Halbdunkeln der kleinen Räume unter den Tribünen nicht mehr viel geredet. Lucius merkte, als er etwas abseits im Türrahmen stand, dass jeder nun in sich gekehrt war. Die Kämpfer saßen für sich, in Gedanken versunken, oder besprachen leise flüsternd ihre Taktiken mit ihren Mentoren. Beinahe sprang die Anspannung schon auf Lucius über. Dann endlich war es so weit und die ersten beiden machten sich auf auf das Feld.

Oben brach das Getöse los und Lucius wusste, irgendwo dort oben musste auch seine Familie sitzen. So wie gestern Spurius' Tag war, war heute Tiberius' Tag. Während Spurius eine absolute Vorliebe für Literatur und Rhetorik besaß, liebte Tiberius den Ringkampf. Manchmal hatten Lucius und Antonius darüber gewitzelt, ob sie nicht doch einmal versehentlich ihre Söhne vertauscht hatten. Nun, es hatte eindeutig den Beweis dagegen gegeben, als die beiden aufgewachsen waren. Tiberius glich Antonius in seiner Statur sehr, dasselbe galt für Lucius und Spurius. Außerdem war Spurius' Gesicht dem von Lucius doch sehr ähnlich. Kein exaktes Abbild, wie man es manchmal doch tatsächlich sah, aber unverkennbar ähnlich. Nur an Sommersprossen hatte es bei Spurius etwas abgenommen, die hatte Lucia stattdessen abgekriegt.

Die Ringkämpfe waren spannend, dem Applaus und den Rufen des Publikums von oben nach zu urteilen. Zwei der Athleten wurden verletzt, sonst schien alles relativ sauber von der Bühne zu gehen. Der Gewinner der Kategorie war ein Mann... nun, Lucius überraschte es nicht. Als er ihn zum ersten Mal um die Ecke hatte kommen sehen, hatte er doch tatsächlich kurz gezuckt.

Auch, wenn er es bevorzugt hatte, sich bei den Wettkämpfen unten aufzuhalten, war es erleichternd für Lucius, als er hinauf zu den Publikumsrängen ging. Die Luft war nach einiger Zeit doch sehr stickig und je weiter er nach oben kam, desto mehr wurde ihm dieser Umstand erst bewusst. Das Laufen stand nun an, zuerst in der Altersklasse der Jungen. Der Wechsel der Austragungsplätze war noch voll im Gange, als Lucius schließlich die Tribünen erreichte. Er ließ seinen Blick über die Menge wandern. Eigentlich hatte seine Familie gesagt, sie würde in diesem Block sitzen, der vor ihm lag. Zum Schutz vor dem Sonnenlicht des anbrechenden Nachmittags, hielt sich Lucius eine Hand über die Augen, doch er entdeckte sie trotzdem noch nicht.

Auf einmal nahm ihn ein fremder junger Mann beim Ärmel der Toga. „Hier entlang!" Er zog ihn die Treppen hinunter und Lucius war zu langsam, um die Situation zu registrieren. Er konnte nur schnell wahrnehmen, dass der junge Mann kastanienbraune Haare hatte und einen Reiseumhang über seiner Tunika trug. Als Lucius gerade so weit war, zu protestieren, wies der Fremde in die Reihe, bei der sie jetzt waren, zwinkerte Lucius kurz grinsend zu und verschwand. Es schien niemand ihn bemerkt zu haben. Lucius folgte mit seinem Blick der Richtung, in der er gezeigt hatte. Sein Bruder war da, daneben die Jungen. Als er sich langsam zu ihnen begab, sackte die Erkenntnis ein. Das war wohl Merkur gewesen. Nicht unbedingt die üblichste erste Begegnung, aber warum nicht? Er hatte, um ehrlich zu sein, nicht viel anderes erwartet. Gut, hilfreich war er ja gewesen.

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