Für immer?

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In den Gärten des Mons Vaticanus wehte eine sanfte Brise. Die Bauarbeiten waren abgeschlossen, sodass sich nun hübsche Blumen in neuen Beeten befanden und auf einer größeren Wiese eine Bühne und Ränge für die Zuschauer aus Holz aufgebaut waren. Der beste Platz für den Kaiser und sein Gefolge war sogar mit einem roten Baldachin ausgestattet.

Lucius saß alleine unter einem Baum und las den Brief, der letztens vom Kaiser gekommen war. Sonst war niemand mehr da, die Sklaven waren zu ihren Herren zurück gekehrt, nachdem sie heute Mittag endlich die Arbeit für beendet erklären konnten. Der Sklave, der Lucius mit Pferden abholen sollte, würde erst später kommen, er wusste nicht, dass die Arbeiten relativ früh abgeschlossen sein sollten. Dieser Umstand war durchaus beabsichtigt, denn Apollo hatte Lucius in derselben Nacht einen Traum geschickt und ihm gesagt, dass er ich gerne in den Gärten zur neunten Stunde treffen würde.

So saß Lucius nun, ein wenig nervös, mit dem Brief dort und las zum bestimmt sechsten Mal die Worte, ohne sie auch nur wahr zu nehmen. Er lehnte sich zurück gegen den Baumstamm und stieß die kurz angehaltene Luft aus. Eigentlich hatte er nicht erwartet, so aufgeregt zu sein.

Schließlich schreckte er auf, als plötzlich die Büsche zu seiner Linken wie durch einen starken Windstoß raschelten. Er hörte raschelnde Schritte im Gras und schließlich sah er auf in das Gesicht von Apollo. Die Sonne in seinem Rücken ließ sein Haar erstrahlen, das er sich locker zu einem Knoten gebunden hatte. Dieses Mal trug er nichts griechisches, sondern eine Hose mit dem typischen Muster, wie er es in seiner Rolle als Sklave getan hatte. Dazu bedeckte ein leichtes weißes Hemd seinen Oberkörper.

Lächelnd sprach Apollo: „Hallo, Lucius. Ich habe dich vermisst." Der Gott ließ sich neben Lucius nieder und lehnte sich ganz leicht an ihn. Lucius schlang, wenn auch zögerlich, seine Arme um den anderen. Etwas an seinem Verhalten war nicht ganz richtig, das merkte er ganz deutlich. „Ich habe dich auch vermisst. Sehr sogar... Aber sag mal, ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst nicht so." Lucius strich über das Haar des anderen, während er auf die Antwort wartete. Apollo löste sich aus der Umarmung. Kurz befürchtete Lucius schon, ihn verärgert zu haben, doch dem war nicht so. Stattdessen wurde seine Vermutung in gewisser Weise bestätigt, Apollo legte sich, vollkommen untypisch für ihn, auf seinem Bauch zurecht, nachdem er sich eher vor ihn gesetzt hatte. Etwas irritiert schaute Lucius nun auf den blonden Schopf hinunter, strich aber weiter leicht darüber. Irgendetwas war los, niemals hätte Apollo sich sonst so benommen. Einerseits war es ohnehin unter der Würde eines Gottes, andererseits war er zuvor immer darauf bedacht gewesen, Lucius Sicherheit zu geben, egal wie er selbst sich fühlte. Dabei dachte dieser immer, als bestes Beispiel, wenn auch mit einem Schaudern, an den Moment, in dem er ihn noch mit einem Speer in seiner Lunge getröstet hatte.

„Ich hatte Streit mit meinem Vater", meinte Apollo schließlich. Lucius zog scharf die Luft ein. Das klang gar nicht gut. Wenn Götter sich stritten, war es nie gut. Deshalb fragte er vorsichtig: „Was ist denn passiert?" Apollo drehte seinen Kopf nun, sodass Lucius ihm ins Gesicht sehen konnte, und mit Schrecken sah er die Tränen, die in den blauen Augen schimmerten. „Hey. Hey, was ist denn", wisperte Lucius und zog Apollo etwas näher zu sich. Der schluckte schwer.

„Er will, dass ich dich verlasse. Er meinte, es sei unter meiner Würde. Weil du nur ein Sterblicher bist." Er vergrub sich wieder ein wenig in Lucius' Toga, während dieser erst einmal die Tatsache sacken lassen musste, dass sich nun der Göttervater, der Regent über Alles, persönlich in ihre Beziehung, Affäre, was auch immer sie hatten, eingemischt hatte.

Dann fragte er langsam, obwohl er Angst vor der Antwort hatte: „Und was tust du?" Apollo ruckte nach oben und sah ihm fast schon entsetzt ins Gesicht. „Natürlich nichts! Ich bleibe bei dir! Soll der doch machen, was er will. Ich verstehe ihn ohnehin nicht. Erst verbannt er mich auf die Erde und macht mich sterblich, weil ich so unverantwortlich mit meinen Liebschaften umgehe, und dann bin ich mir ein Mal, das erste Mal, ganz sicher und er ist nicht einverstanden! Was will der!?" Apollo hatte angefangen, aufgeregt zu gestikulieren. Lucius dagegen hatte sich die Hand vor den Mund geschlagen. Meinte er das ernst? Er konnte sich doch nicht einfach für ihn gegen den Göttervater stellen.

Amor vincit omniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt