Kapitel 31.

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Katie

„Du siehst Bombe aus in dem Kleid", kommentiert Géraldine mein waldgrünes Spagettiträger-Kleid, als ich mich zu ihr auf die Rückbank setzte.

„Danke, du aber auch. Das Blau steht dir total", gebe ich lächelnd zurück und schnalle mich an.

„Ich freue mich so, dass du wieder einmal die Zeit gefunden hast, mit uns zu kommen. Du warst schon seit Ewigkeiten nicht mehr im Loco", höre ich Léticias Stimme vom Fahrersitz.

Meine beiden Freundinnen hatten es nach zweimonatigem hartnäckigem Fragen nun endlich geschafft, mich aus meinen sicheren vier Wänden zu locken.

Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht daran erinnern, was ich in den letzten zwei Monaten gemacht habe. Ich war wie eine leere Hülle meiner selbst durch die Schulflure gewandert und nicht in der Lage, jegliche Gefühle zu zeigen. Abends hatte ich brav an meinem Schreibtisch für die Abschlussprüfungen gelernt oder mit Nora einen Film geguckt.

Meine Modelmappe hatte ich über Bord geworfen.
Ich werde wohl oder übel ein Zwischenjahr machen müssen.

„Ich freue mich so!", quickt Géraldine neben mir und hakt sich bei mir unter, als wir den Parkplatz überqueren.

Wir werden ohne weitere Probleme in den Club gelassen und sofort umhüllt uns ohrenbetäubende Musik und blinkende Diskolichter.
Ein mir gutbekanntes Kribbeln macht sich in meinem Körper breit und ich bin erleichtert, dass ich das zu fühlen wenigstens noch im Stande bin.

Der Beat ist so laut, dass der Boden unter uns zu beben scheint und beinahe automatisch bewege ich mich im Rhythmus der Musik.

Meine beiden Kolleginnen tanzen ganz in der Nähe und schon nach einigen Minuten fühle ich mich etwas mehr wie ich selbst. Ich bin nicht mehr nur eine kraftlose Hülle. Aber das Gefühl von Bedrücktheit bleibt, wenn auch nur tief in meinem Innern.

~

Géraldine tanzt bereits ziemlich eng umschlungen mit einem grossen, rothaarigen Kerl, weswegen ich mich Léticia zuwende.

Ihre wilde Lockenmähne glänzt im blinkenden Discolicht und ihre Tanzbewegungen sind völlig ausgelassen. Sie wirkt federleicht. Eine Weile tanzen wir zusammen, dann weckt ein hübsches Mädchen mit platinblondem Wolf Cut Léticias Aufmerksamkeit und einige Zeit später tanzen die beiden in wilden Bewegungen miteinander.

Ich schaue mich um und erblicke Géraldine, die inzwischen an der Bar steht und gerade mit dem Ginger- Kerl von vorhin einen Drink holt. Ich winke ihr zu, sie ist aber so beschäftigt mit Flirten, dass keine Zeit für mich übrig bleibt.

Ich habe keinen Lust heute jemanden kennenzulernen. Noch weniger Lust habe ich aber, alleine zu tanzen, weswegen ich beschliesse, ein wenig an die frische Luft zu gehen.

Plötzlich kommt es mir hier stickig vor und die Euphorie, die ich zu Beginn noch verspürt habe, ist wie weggeblasen.

Ich dränge mich durch die Menschenmenge und versuche, möglichst wenig Leute zu berühren.

Als ich endlich den Ausgang erreiche, atme ich so erleichtert auf, dass sich der Typ neben mir verwundert umblickt. Er bietet mir eine Zigarette an, ich lehne aber dankend ab und gehe einige Schritte vom Club weg.

Es muss inzwischen nach halb zwölf sein. Die meisten Leute kommen erst jetzt. Laut gröllend kommt mir eine Gruppe von Männern entgegen und an der Art ihres Ganges sehe ich, dass sie bestimmt einigen Alkohol intus haben.

Automatisch umklammere ich das Handy in meiner Jeanstasche und weiche der Gruppe aus. Ich senke den Blick, als sie vorbeilaufen und atme erleichtert auf, als sie kommentarlos an mir vorbei gehen.

Ich sollte zurück in den Club zu meinen Freundinnen, auch wenn ich dort heute vermutlich das dritte Rad am Wagen war. Oder noch besser, ich bestelle mir ein Taxi für nach Hause, wo ich mich dann in mein warmes, sichere Bett verkriechen kann.

Gerade als ich auf meinem Handy nach der Nummer fürs Taxi suche, löst sich ein Schatten von der Wand vor mir und kommt langsam auf mich zu.

„Hey Katie."

Ein guter Tag zum TanzenWhere stories live. Discover now