Kapitel 36.

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Tobi

„Da ist Lily ja noch ein Baby!", ruft Katie entzückt, und deutet auf ein älteres Polaroid gleich über meinem Bettpfosten.
Wir haben den restlichen Vormittag mit Kaffee und Gesprächen auf meinem Bett verbracht und Katie hatte sich nun meine Fotowand vorgenommen.

„Und wo wart ihr hier?", fragt Katie und ich schaue mir das Bild an, auf welches sie deutet.
Darauf erkennt man Milan und mich, wir beide tragen Regenjacken und Rucksäcke und recken grinsend die Daumen in die Höhe. Im Hintergrund erkennt man unscharf das Matterhorn und eine verregnete Berglandschaft.

„Auf einem Wandertrip in Zermatt. Das war letzten Herbst", erkläre ich und Katie nickt lächelnd. Ich beobachte, wie sie sich jedes einzelne Bilder genau ansieht und ergreife schliesslich die Polaroid- Kamera auf meinem Nachttisch. Ohne das sie es merkt, schiesse ich ein Bild von ihr. Katie zickt wegen des Blitzlichtes zusammen und wirft mir einen verärgerten Blick zu. Ich beachte sie noch rund greife nach dem Klebeband, um das Bild an eine der wenigen freien Stellen an die Wand zu kleben.

„So.. jetzt bist du hier auch verewigt."

Katie lacht nun und beobachtet neugierig, wie sich das Bild langsam entwickelt und ihre Silhouette erkennbar wird. Ich mustere ihr schönes Profil, ihre vollen Lippen und das Muttermal gleich neben ihrer Nase. Ich muss an gestern Abend denken und sofort breitet sich wieder Wut in mir aus. Wir haben noch nicht wirklich darüber gesprochen und ich beschliesse, dass es Zeit wird, es anzusprechen. Ich will nicht, dass Katie alles in sich hineinfrisst. Und ich will auch nicht, dass Daniel ungeschoren davon kommt.

„Wir sollten zur Polizei gehen." Die Worte rutschen mir einfach so raus und Katie zieht verwirrt die Augenbrauen zusammen, doch dann scheint sie zu begreifen. Sie nickt betrübt.

„Du musst eine Anzeige machen. Daniel... er darf nicht ungestraft davon kommen", erkläre ich und Katie sieht jetzt wieder verwirrt auf.

„Du... du kennst ihn?", fragt sie schliesslich und jetzt bin ich es, der seufzt. Ich habe Katie gegenüber noch nicht erwähnt, dass ich Daniel kenne. Und welche Rolle er in meinem Leben bis jetzt gespielt hatte. Ich schnaube verächtlich.

„Daniel.. war leider mal mein bester Freund", erkläre ich und Katie sieht mich aus grossen Augen an. Dann scheint sie eins und eins zusammenzuzählen. Ihr Mund öffnet sich erschrocken und sie reisst die Augen auf.

„Dann... war er derjenige, der mit Aurelia...", ich nicke, damit Katie den Satz nicht zu Ende sprechen muss.
Katie schluckt schwer und rutscht dann etwas näher zu mir.

„Dieses Arschloch", murmelt fassungslos und ich nicke zustimmend.

„Ich glaube, dass war er schon immer.. ich hab's nur erst viel zu spät erkannt. Aber es war höchste Zeit, dass ihm endlich mal jemand die Fresse poliert."

Eine Weile sitzen wir nur so da und geniessen unsere Anwesenheit. Ich weiss nicht, wie viel Zeit vergeht, doch irgendwann räuspert sich Katie.

„Sally hat mir von deiner Beziehung mit Aurelia erzählt."

Automatisch versteife ich mich und senke den Blick. Auch wenn ich nun endlich damit abgeschlossen habe, ist Aurelia immer noch nicht mein Lieblingsgesprächsthema.

„Ich wusste nicht, wie... wie toxisch sie war", fügte Katie leise hinzu und ich greife gedankenverloren nach den beiden kaputten Finger an meiner Hand. Katie bemerkt meine Bewegung und greift sanft danach. Sie hebt den Blick erst wieder, als sie weiter spricht.

„Aber du weisst doch, dass du nicht das Problem warst. Sie hatte ein Problem. Ein psychisches Problem. Und das hatte rein gar nichts mit dir zu tun."

Ihre Worte treffen mich mehr, als ich erwartet habe. Ein seltsames Gefühl breitet sich in mir aus. Als wäre ich nun endlich vollständig losgelöst von Aurelia. Als hätte ich nun endlich eingesehen, was damals schief gelaufen war. Und das ich damit abgeschlossen habe. Endgültig. Für immer.

Katies blauen Augen schauen direkt in meine und ich habe das Bedürfnis, darin zu versinken, so tief wie möglich und nie wieder hinauszukommen.

„Danke, Tinker Bell", murmle ich leise, ohne meinen Blick abzuwenden. Dennoch bemerke ich das Lächeln auf Katies Lippen.

„Immer wieder gerne, Peter Pan."

Ein guter Tag zum TanzenWhere stories live. Discover now