Kapitel 18.

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Tobi

„Hier ist es wunderschön", meint Katie und beisst herzhaft in eine der frisch gebackenen Apfeljalousien, die sie mitgebracht hat. Wir sitzen irgendwo im nirgendwo auf einer Picknickdecke und blicken auf den glitzernden See vor uns.
Die Sonne ist inzwischen beinahe untergegangen. Trotzdem ist es immer noch warm.

„Wie hast du den Platz hier denn entdeckt?", fragt Katie und ich versteife mich augenblicklich. Ich habe nicht mit der Frage gerechnet und weiss  nicht, wie ich reagieren soll. Ob ich die Wahrheit sagen soll. Ob ich die Wahrheit sagen will.

Katie muss meinen Gesichtsausdruck falsch gedeutet haben. Auf einmal wirkt sie besorgt.

„Hab ich was Falsches gesagt? Wenn ja, dann tuts mir leid. Das wollte ich nicht", entschuldigt sie sich sofort, doch ich schüttle den Kopf.

„Das ist es nicht", erkläre ich und merke selbst, dass meine Stimme bedrückt klingt. Intuitiv rutscht Katie etwas näher zu mir. Ich weiss nicht, ob sie es bewusst macht, aber ich merke, dass ich ihre volle und ganze Aufmerksamkeit habe. Ihre blauen Augen ruhen ununterbrochen auf mir. Ich seufze laut.

„Aurelia hat mir den Platz gezeigt. Meine ... Ex", murmle ich und bereue den Satz schon, bevor ich ihn überhaupt zu Ende gesprochen habe. Am dritten Date schon von der Ex zu reden ist echt uncool.
Ich benehme mich gerade wie ein Vollidiot. Ich würde es echt verstehen, wenn sich Katie jetzt samt dem Picknickkorb und dem Cabriolet aus dem Staub machen würde.

„Sorry... ich hätte nicht damit anfangen sollen. Vergiss einfach, was ich gesagt habe und- ", meine ich direkt, doch Katie legt ihre Hand auf meinen Unterarm und unterbricht meinen Redefluss.

„Es ist okay. Du kannst mir gerne erzählen, was vorgefallen ist... wenn du willst."

Bedrückt schaue ich zu Boden, merke aber dennoch, wie Katies Blick unentwegt auf mir ruht. Unsicher zupfe ich an einigen Grashalmen herum, ehe ich mich dazu entscheide, weiter zu reden.

„Aurelia und ich haben uns vor fünf Jahren auf einer Party kennengelernt. Ich hab mich echt verliebt und naja... ich war naiv genug, davon auszugehen, dass es ihr genauso geht. Wir waren vier Jahre in einer Beziehung und dann...", ich mache eine Pause. Nicht, weil ich Spannung aufbauen will oder so. Sondern, weil es mir immer noch so verdammt schwer fällt, den Satz über meine Lippen zu bringen.

„Naja ich hab sie mit meinem ehemaligen besten Freund im Bett erwischt."

Es ist eine Weile still und ich blicke schliesslich auf. Katies Gesichtsausdruck ist ernst. Sie sieht weder verärgert noch gelangweilt aus. Scheinbar ist sie nicht wütend, dass ich mit dem Thema angefangen habe.

„Das... tut mir wirklich leid", murmelt sie aufrichtig und schluckt. „Das muss echt verdammt weh tun", fügt sie hinzu und ich nicke abwesend.

„Eigentlich war das nicht mal das Schlimmste", gestehe ich, auch wenn ich jetzt dringend den Mund halten sollte. Ich hatte genug erzählt und will die Stimmung eigentlich nicht noch mehr ins Schwanken bringen, als sie eh schon ist.

„Was hat sie-", beginnt Katie, doch sie wird vom Piepen ihres Handys unterbrochen. Wiederwillig wirft sie einen kurzen Blick drauf und wendet dann ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu. Ich bin in der Zwischenzeit jedoch schon aufgesprungen und reiche Katie die Hand. Ich bereue, dass ich schon so viel gesagt habe und will unser Date ganz sicher nicht mit meiner gescheiterten Beziehung zerstören.

„Lass und jetzt nicht über die Vergangenheit reden, ok?"

Katie nickt und ergreift dann zögernd meine Hand.

„Was hast du vor?", fragt sie verwirrt und ihr Blick wird nur noch verwirrter, als ich nun mein T-Shirt über den Kopf streife und es auf den Boden werfe.

„Wer schneller im Wasser ist!", rufe ich und renne auch schon los, ohne auf eine Reaktion von Katie zu warten.

Ich bremse vor dem kalten Wasser nicht ab, sondern stürze mich direkt hinein. Es ist nicht das erste mal, dass ich in diesem See bade und das Wasser fühlt sich angenehm kühl an. Als würde es all meine negativen Gedanken von vorhin abwaschen und mit sich reissen.
Suchend blicke ich zum Ufer zurück, um Katie ausfindig zu machen, die mich jetzt bestimmt für bescheuert hält. Doch ich kann sie nirgends entdecken.

„HAAAA!"

Im nächsten Moment trifft mich ein halber Tsunami von der Seite und lässt mich torkeln. Nach Luft ringend finde ich mein Gleichgewicht wieder und schaue bestürzt auf Katie, die neben mir aus dem Wasser aufgetaucht ist und sich nun nicht mehr einkriegst vor lachen.

„Gewonnen!", meint sie immer noch lachend und ich brauche einen Moment, um mich von meinem Schock zu erholen.

„Na warte!", meine ich dann und grinse, als Katie kreischend versucht, von mir weg zu paddeln. Ich ergreife sie am Arm, doch Katie taucht unter und schlägt mit ihren Füssen so auf dem Wasser auf, dass dieses mir ins Gesicht spritzt.

Ich wische mir kurz über die Augen, während Katie hinter mir auftaucht. Ich sehe aber, was sie vor hat und drehe mich zu ihr um, ehe sie mich anspringen kann. Wir prallen gegeneinander und Katie klammert sich, etwas ausser Atem, an meinem Arm fest.

„Okay. Time-Out", meint sie lächelnd, lässt meinen Arm aber nicht los.

„Du bist echt hinterhältig", meine ich gespielt schmollend und Katie muss nur noch mehr lachen. Ihre nassen Haare fallen ihr in Strähnen ins Gesicht und wirken nun viel dunkler als sonst.

Wir sind uns ziemlich nahe. So nahe, dass ich die kleinen Wassertropfen erkennen kann, welche über Katies Wange und ihren Hals runter rollen. Katies Blick haftet einen Moment auf meinem Oberkörper, ehe ihr die plötzliche Nähe bewusst wird. Etwas unsicher hebt sie den Blick.

„Du hast da was", meint sie dann leise und hebt ihre Hand, um ein Blatt aus meinem nassen Haaren zu fischen. Mein Blick ruht die ganze Zeit auf ihrem Gesicht, als Katies Hand sanft durch meine Haare fährt und schliesslich meiner Schläfe entlang über meine Wange streicht. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus, bei der ich nur hoffen kann, dass Katie sie nicht bemerkt. Doch Katie scheint es ähnlich zu gehen. Ich spüre, wie ihre Finger leicht zittern, als sie sich zu mir vorbeugt.

Auf einmal sind unsere Gesichter nur noch Milimeter von einander entfernt und ganz automatisch finden unsere Lippen zueinander.

Als wäre es schon immer so gewesen.

Als hätte es immer so sein sollen.

Ein guter Tag zum TanzenWhere stories live. Discover now