44. 🥀Der Tod🥀

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In den grünenden Gärten unter den hängenden Zweigen der Weiden spielte einst fröhlich ein junges Mädchen. Sie spielte gerne hier draußen unter den großen Bäumen und vergaß über ihr Spiel oft die Zeit. Sie liebte es zu beobachten, wie die Weidenzweige im Wind wehten und wie die Forellen in dem sehr klaren Flüsschen elegant durch das Wasser schossen. Dazu dachte sie sich dann allerhand Geschichten aus, von guten Feen mit prachtvollen Kleidern und mutigen Rittern mit einem gutherzigen Lächeln im Gesicht, um deren Köpfe winzige Helferelfen schwirrten und fröhlich vor sich hin summten, und bösen Königinnen mit einem verschlagenen Lächeln und grausamen Magieren mit einem teuflischen Grinsen auf den Lippen, um deren Beine dunkle Katzen strichen und schwarze Raben durch die Lüfte krächzten. Natürlich konnte das Gute in ihrem Kopf jedes Mal das Böse bezwingen. Die Welt war für sie nur schwarz und weiß, böse oder gut. Das war für sie am einfachsten. Und das war auch nicht schlimm, denn sie war noch zu jung, um anders darüber zu denken.

So begab es sich an einem eher nebligen Tag, dass das Mädchen wieder nach draußen und in die weiten Gärten ging. Sie ging hinunter zu dem Fluss, über dessen Mitte undurchdringlicher Nebel waberte. Das Mädchen setzte sich auf einen Baumstumpf und beobachtete denselben lächelnd. Der Wind rauschte und pfiff vieldeutig durch die tief hängenden Weidenzweige. Manchmal berührten die Blätter die Wasseroberfläche und erzeugte kleine Kreise, die sich langsam ausbreiteten und irgendwann verebbten. Unter der Oberfläche des ruhigen Flüsschens jagten kleine Fischchen entlang, die den Ringen hinterher schossen oder verwirrt nach dem komischen, wabernden Weiß schnappten.
Was sie nicht wusste: Am heutigen Tag war der Tod nach ihr geschickt worden, ihre reine Seele zu holen und auf die andere Seite zu bringen. Er saß in einem Busch am Ufer und starrte sie an. Sie war unbestritten schön, wie sie da so unbekümmert eine Melodie summte. Der Wind trug ihm die Liedfetzen zu.
Sie allerdings blieb sorglos und lachte, als eine Forelle vor ihr aus dem Wasser sprang. Sie tauchte wieder unter und trotz des klaren Wassers verschwand sie. Verwirrt runzelte das Mädchen ihre glatte Stirn und beugte sich vor, sie mit den Augen zu suchen. Immer weiter...

Auf einmal löste sich ihr Halskettchen, fiel ins Wasser und wurde auch sogleich von den Fluten verschluckt. 'Oh nein', rief sie mit ihrer glockenhellen Stimme. Ihre Mutter würde sie umbringen, wenn sie dies erfuhr! Schnell und ohne zu zögern folgte das Mädchen der Kette. Das Wasser war eiskalt.

Der Tod sah dies natürlich. Er wusste, sie würde ertrinken, denn so war es vorausgesagt. Kurzerhand sprang auch er ins Wasser und tauchte ihr nach.

Das Kleid des Mädchens saugte sich voll mit Wasser und wurde so schwer, dass es sie in die Tiefe zog. Doch sie verspürte keine Angst, denn sie sah die Forelle, die zuvor so ausgelassen aus dem Wasser gesprungen war.
Der Tod sah sie, wie sie zufrieden lächelnd in die schwarze Tiefe gezogen wurde. Sie wirkte wie eine Puppe mit einer Haut, die wie Porzellan glänzte und Augen, die wie blaue Sterne sogar in der Dunkelheit hier unten strahlten, ihre Lippen so rot und unschuldig. Sie wirkte so zerbrechlich. Nein, das hatte ihre reine Seele nicht verdient!
Der Tod packte sie am Arm und zog sie zum Licht und weiter ans Ufer. Er legte sie ins weiche Gras und strich ihr eine goldene Haarsträhne aus der Stirn, die durch das Wasser ganz dunkel aussah.

Das Mädchen hustete viel Wasser, als es zu Bewusstsein kam, aber es lebte. Sie hob den Kopf und sah sich um. Wie war das möglich? Sie hatte eine Hand gespürt. Eine Hand? Aber sie war doch allein! Sie drehte ihren Kopf herum, um ihren Retter zu suchen, doch ihre Augen blieben erfolglos. Plötzlich spürte sie einen Druck in ihrer Hand und schaute hinab, während sie sie öffnete. Ihr Kettchen! Sie konnte sich nicht erinnern, es gepackt und so fest umklammert zu haben.

Der Tod aber hatte sich schon lange wieder versteckt und lächelte, während er das Mädchen beobachtete.

Du weißt nie, wer dich beschützt.

Du weißt nie, wie nah der Tod manchmal ist.

ALL THAT I AM /empty poetry\Where stories live. Discover now