26. 🏹... show me what's worth fighting for...🏹

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Der Mond steht als riesige, runde Scheibe am nächtlichen Himmel. Er scheint so hell, dass ich die Taschenlampe eigentlich gar nicht brauche, die ich trage. Doch ich halte sie fest umklammert mit meinen kalten, bleichen Händen.

Es ist kalt in dieser sternenklaren Nacht, und das Laub knirscht
unter meinen Schritten, ist teilweise gefroren. Hier unten in diesem Grund bläst glücklicherweise kein Wind, der die ganze Sache noch unerträglicher machen würde. Ich beschleunige meinen Schritt und schlinge den Mantel enger um mich. In dieser vollkommenen Dunkelheit fühlt es sich so an, als wolle sich die Sonne nie wieder blicken lassen, dabei ist es nur noch eine kurze Zeit bis zum Sonnenaufgang. Tell me the story about how the sun loved the moon so much, He dies every night to let her breathe. Die Bäume recken ihre kahlen Zweige wie bittende Hände gen Himmel und verdecken so einen Großteil der Sterne. Der Orion prangt hoch oben am Himmel, scheint geradezu zu leuchten und so auf sich aufmerksam zu machen. Das Wintersternbild schlechthin. Es ist falsch, dass die Sterne tote Lichtquellen aus Helium sind, sie haben eine Seele, sie atmen. Ihr Atem erscheint in Form von Schleierwolken, die eilig über den Himmel ziehen, getrieben vom kalten Wind.

Ich kann eine Eule hören, wie sie ihr fast ausgewachsenes Jungtier ruft. Und ich kann sie auch ausmachen, in einer kahlen Birke sitzend, und ihre Rufe werden vom Echo im um die Jahreszeit lichten Mischwald seltsam verzerrt. Mich fröstelt es. Irgendwo bellt ein Fuchs einen Marder an, der ihm sein Futter streitig machen will. Nahrung ist um diese Zeit knapp und jeder Bewohner des Waldes schnappt sich das, was er kriegen kann. Es ist seine Versicherung zu überleben, mitzuerleben, wie der Wald in ein wunderschönes Maiengrün getaucht wird, wie die Knospen der Bäume aufplatzen und die Luft voller Vogelgezwitscher und dem Duft der Blüten ist.

Ein Kaninchen kreuzt meinen Weg, einer der leisen Nachtschwärmer. Ein Schatten fliegt über mich und unwillkürlich ducke ich mich. Was war das? Ein Käuzchen? Ein Uhu? So schnell und so leise. Bestimmt ist er auf der Jagd. Und dann sehe ich sie. Es ist eine Füchsin, die im trockenen Laub nach Futter sucht. Sie hat ihre Jungen viel zu spät bekommen. Zwei der kleinen Racker trauen sich aus dem Bau und starren mit ihren großen Äuglein staunend in die kalte Nacht. Sie zittern. Schlechtes timing. Einer der beiden schnuppert erstaunt an den gefroren Blättern, dann springt er zu seiner Mutter. So jung, so lebensmutig. Eine Verschwendung. Der große Vogel setzt zum Sturzflug an und packt den Welpen mit seinen Klauen, während die Mutter immer noch beschäftigt ist. Das dunkle Bündel fiepst entsetzt, jault um Hilfe, doch die Mutter kann nichts mehr machen als dem großen Vogel hinterher zu heulen und zuzusehen, wie er immer kleiner wird. Das Fiepsen verstummt und was bleibt, ist eine schrecklich vielsagende Stille. Die Mutter hat nichts gefunden, ist schon ganz abgemagert. Doch sie kehrt zu ihren Jungen zurück, die im Bau vor Hunger winseln. Sie treibt den verbliebenen Ausreißer wieder in die Höhle, wo sie sich hoffnungslos zusammenrollt und die Augen schließt. Sie wird den Winter wahrscheinlich nicht überleben.

Ich wende mich ab. Der verzweifelte Ruf des Welpen hallt noch immer in meinen Ohren nach. In der Finsternis und in der Kälte wird er doppelt so laut. Ich halte mir die Ohren zu und beginne zu rennen. Achtlos stolpere ich über herausragende Wurzeln und heruntergefallene Äste, schrecke einen Sprung von fünf Rehen auf, der meinen Weg kreuzt. Drei Böcke springen aufgeschreckt beiseite, ein älterer und zwei junge, wahrscheinlich von diesem Jahr. Das wird im Frühjahr einen gewaltigen Krach geben, denke ich.

Langsam komme ich aus der Senke raus, und ein eisiger Ostwind bewegt die Wipfel der Bäume. Ich haste weiter. Mehrere Kaninchen verschwinden eilig im Dunkel zu beiden Seiten, wenn der Lichtkegel meiner Taschenlampe sie ergreift. Dann komme ich ans Ende des Waldes, er dünnt sich aus und schließlich betrete ich ein Plateau, auf dem nichts als hartes Gras wächst. Ein unbarmherziger Wind reißt an mir, will mich umstoßen. Dann sehe ich ihn. Mit seinem grauen Fell fällt er in der Nacht überhaupt nicht auf, ich erkenne ihn lediglich an seiner weiß leuchtenden Fessel. Langsam trottet er auf mich zu. Als er vor mir zum Stehen kommt und mir seinen heißen Atem als Begrüßung ins Gesicht bläst, sehe ich in seinen schwarzen Augen die Müdigkeit. Ja, ich bin auch müde. Aber wir müssen weiter durch die kalte Nacht, sonst erfrieren wir. Sein dichtes Fell ist kalt, als ich es berühre.

Aus dem Augenwinkel sehe ich plötzlich etwas glitzern. Ich wende mich von dem Pony ab und gehe bis nach vorn, zu der steil abfallenden Felsenklippe. Der junge Hengst folgt mir. Der Himmel hat sich jetzt golden verfärbt und es ist nocht kälter geworden, als es ohnehin schon war. It's the coldest just before dawn. Ich sehe ein Stück babyblauen Himmels. Dann weiß ich, was das Glitzern war. Die Sonne, nur eine Murmel bedeckt mit feinstem Goldstaub, lugt vorsichtig über den Horizont. Sie tüncht alles um sich herum in einen magischen Goldton und als ich zurückblicke, sehe ich, wie die kahlen Birken angestrahlt werden, und ihre weißen Stämme leuchten. In den Wipfeln sitzen zahlreiche kleine Silhouetten, winzige Vögel, aufgeplustert gegen die Kälte der Nacht, und tanken die neue Wärme, als wäre es ihr Kraftstoff, ihr Antrieb, einen neuen Tag zu überleben. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die Rehe, denen ich begegnet bin, wie sie im goldenen Licht des Morgens äsen, und ich sehe die Kaninchen herumspringen, vor Freude, dass die Sonne wieder da ist. Ich sehe die Eulen, wie sie auf einem dicken Ast sitzen, die Augen schläfrig zukneifen und die wärmenden Strahlen genießen. Die Füchsin erwacht von einem leisen Trippeln vor dem Bau. Eine Maus! Die fängt sie bestimmt.

Ein merkwürdig befreiendes Gefühl nimmt den leeren Platz in meinem Körper ein. Und ich schließe die Augen, lasse mich an die Seite des grauen Hengstes sinken.

Even the darkest night will end, the sun will rise and you can try again.

ALL THAT I AM /empty poetry\Where stories live. Discover now