45. 💡Into the light💡

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Vor Weihnachten wurde es nochmal so kalt, wie Jana es nie gedacht hätte, nachdem es die letzten drei Tage durchgehend geregnet hatte. Jetzt bei Sonnenaufgang hing der Frost dem Wald noch in den Zweigen und obwohl es durch den fehlenden Schnee draußen nicht wirklich weihnachtlich aussah, lag doch Weihnachtsstimmung in der klirrend kalten Luft.
Jana seufzte, als sie die Haustür hinter sich zu zog und mit ihrem Hund Pumpernickel los stapfte. Pumpernickel war ein gescheckter Terrier und genau genommen nicht ihr Hund, sondern der ihrer kleinen Schwester. Die Eltern hüteten sie, als wäre sie zerbrechlich und so musste sie aufgrund eines Hustens heute im Bett bleiben. So ganz verstand Jana nicht, wie ihre Schwester auf den Namen Pumpernickel gekommen war, aber der aufgeweckte Rüde hatte es ihr angetan und so kümmerte sie sich mit um ihn.
Die Erde auf den Feldern hatte sich dank des Regens gelöst und ein Teil bedeckte jetzt in seiner schlammigen Form die Straßen des Dorfes. Aus Erfahrung wusste Jana aber, dass das im Wald nicht besser werden würde, und so lief sie bewusst am Wald vorbei. Auf den Feldern sah Jana ein paar Hasen, die nach schmackhaften Wurzeln buddelten, und Pumpernickel wedelte freudig seinen kurzen Schwanz, bereit, jeden Moment loszupreschen und die putzigen Wesen zu fangen.
Als Jana in den Weg einer Kleingartenanlage einbog und die Hasen außer Sichtweite waren, beruhigte sich Pumpernickel etwas und schnüffelte interessiert an der Straßenseite. Das Laub auf dem Weg knirschte, wenn Jana darauf trat und die vielen Pfützen waren alle noch gefroren. In den Gärten ringsum herrschte Ruhe, nur vereinzelt zogen Leute die Kälte der Wärme vor und putzten in ihrer Gartenlaube oder richteten den Weihnachtsbaum her. Ja, viele der Leute hatten einen Nadelbaum im Garten, den sie mit Kerzen schmückten und manchmal noch ein paar Kugeln daran hängten. Jana gefielen die vielen, bunten Lichtchen, die die düsteren Tage erleuchteten, obwohl sie fand, dass das übertrieben war. Die Leute grüßten sie freundlich, wenn sie vorüber lief, und sie grüßte zurück. Spätestens, als sie sich die Haare vor ein paar Jahren knallgrün gefärbt hatte, war sie hier in dem Dorf eine Bekanntheit. Aber sie schämte sich nicht. Sie war damals voll in der Pubertät gewesen und wollte um jeden Preis auffallen. Heute war Jana eher unauffällig, nicht besonders hübsch, aber auch nicht sehr hässlich. Ein Mittelding eben. In allem, übrigens.

Als sie den Schlüssel im Schloss drehte, hörte sie schon eilige Schritte auf der Treppe und im nächsten Moment riss ihre Schwester schon die Tür auf.
„Ist Nicky okay?", fragte sie außer Atem.
Jana lachte laut auf. „Was soll ihm schon passiert sein auf der kurzen Strecke?"
Pumpernickel marschierte fast demonstrativ unbeteiligt an ihnen vorbei, als Jana seine Leine losmachte. Sofort stürzte sich ihre Schwester auf das geliebte Haustier und knuddelte ihn.
"Vorsicht!", rief Jana amüsiert. „Du zerquetschst ihn noch vor lauter Liebe."
Sie nahm Nick, Pumpernickels Spitzname, auf den Arm, verdrehte die Augen in Janas Richtung und ging die Treppe hoch, während Jana ihre Winterjacke auszog und die Leine an das Schlüsselbrett hängte.
Seitdem ihre Schwester in die Pubertät gekommen war, war es schwierig, mit ihr zurechtzukommen. Aber sie liebte sie trotzdem. Wie eine Schwester eben.
Durch die angelehnte Küchentür kroch der Duft frisch gebackener Plätzchen in Janas Nase. Als sie durch den Flur zu ihrem Zimmer gehen wollte, kam sie am Wohnzimmer vorbei, in dem ihr Vater gerade den Weihnachtsbaum hochwuchtete. Jana lächelte schwach und verschwand in ihrem Zimmer. Der Weihnachtsstimmung zuwider war sie irgendwie etwas nachdenklich. Über die weihnachtliche Vorfreude ihrer Eltern konnte sie fast ihre Streitereien vergessen. Aber nur fast. Seufzend schmiss sie sich auf ihr Bett.
Wenigstens fingen bald die Ferien an, das tröstete Jana zumindest ein bisschen. In den letzten Jahren waren die Spannungen zwischen Janas Eltern immer deutlicher geworden, aber alle verschlossen einstimmig die Augen vor dem Unaussprechlichen. Immerhin ging es um sie, Janas Schwester. Sie wurde immer von allen behütet, als wäre sie ein zerbrechliches Wesen. Klar, das sah Jana als Schwester nicht viel anders und sie war das ja auch schon gewohnt, aber trotzdem nervte es manchmal.
Eigentlich hatte sich Jana Weihnachten schöner vorgestellt. Das war im Übrigen jedes Jahr so, aber dieses Jahr fiel ihr das besonders auf, als sie auf ihrem Bett lag und die trübe Winterlandschaft durch ihr Zimmerfenster beobachtete. Und der fehlende Schnee tat sein Übriges, dass die weihnachtliche Vorfreude auf sich warten ließ. Nur der Weihnachtsmarkt würde dies wieder wettmachen können, aber um diese Zeit war er immer viel zu überfüllt.
Jana verzog das Gesicht. Sie vermied möglichst soziale Interaktion, wo es ging. Und auf das Gedränge auf dem Weihnachtsmarkt konnte sie gut verzichten.

ALL THAT I AM /empty poetry\Where stories live. Discover now