F Ü N F U N D Z W A N Z I G

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Keiner von uns wagte es den Blick abzuwenden und wir kamen uns immer näher, bis die Tür plötzlich aufgerissen wurde. Wir sprangen auseinander und erblickten Michele. »Oh, störe ich gerade?« Er sah neugierig zwischen uns hin und her.  »Nein, ich wollte sowieso gerade gehen.« Ich ergriff die Initiative und flüchtete aus dem Raum. Ich quetsche mich bei Michele durch, der noch an der Tür stand. Dann rannte ich die Treppe hoch, welche ins Wohnzimmer führte. Dort lehnte ich mich erstmal gegen die Wand und atmete tief aus. Hätten Rafael und ich uns gerade fast geküsst? Was ist da bitte eben passiert? Ich muss mit jemandem reden.

Ohne darüber nachzudenken rannte ich die Treppe hoch und lief den Gang entlang bis ich bei einer Tür ankam und ohne zu Klopfen eintrat.  »Klar, kannst du einfach reinkommen, wäre ich jetzt nackt gewesen hättest du großes Kino gehabt.« Teresa die mit ihrem Rücken zu mir an ihrem Schreibtisch saß, tippte etwas in den Computer. »Tut mir leid, aber ich habe gerade ein ernsthaftes Problem.« An meinem fast panischen Tonfall merkte sie wohl das es wirklich ernst war, weshalb sie sich umdrehte und mich besorgt ansah.  »Was ist passiert?« Nervös lief ich durch den Raum und knetete meine Hände, bis ich mich schließlich auf ihr Bett fallen ließ.  »Rafael und ich haben uns fast geküsst.«  »Ihr habt was?« Mit einem Satz sprang sie neben mich aufs Bett. »Erzähl mir alles, wie, wo..«  »Beruhig dich mal, es ist doch gar nichts passiert. Zum Glück, wohlgemerkt. Wäre dein Freund nicht reingeplatzt, weiß ich nicht wie weit wir tatsächlich gegangen wären.«  »Das ist mal wieder so typisch für ihn. Null romantisch der Mann, und dann noch andere stören. Aber wie kam es überhaupt dazu? Erst hasst ihr euch, dann werdet ihr urplötzlich Freunde und dann puff, knutscht ihr fast miteinander als gäbe es kein Morgen.«  »Ja mit Sicherheit wäre es so abgelaufen.« Ich verdrehte nur die Augen.  »Ich weiß auch nicht genau was da plötzlich war. Wir haben uns umarmt, wie Freunde das eben tun und dann waren wir uns so nah und haben uns gegenseitig angestarrt. Aber nicht so seltsam wie es sich anhört,  im Gegenteil es war irgendwie schön...«  Teresa gab einen Seufzer von sich.  »Wie süß, und ich habe innerlich gehofft das es tatsächlich passiert.« Ich verschluchte mich beinahe an meinem eigenen Speichel.  »Was redest du da? Da passiert gar nichts und es wird auch nichts passieren. Es war ein Ausrutscher der glücklicherweise nicht zum äußersten gekommen ist.«  »Ellie komm schon, wo wäre das Problem? Und ein Kuss ist jetzt auch nicht so schlimm. Wenn du mal überlegst wie viele Küsse du später mal haben wirst, tut es der eine auch nicht mehr zur Sache.«  »Wenn man sich küsst verliebt man sich. Und wenn man sich verliebt hat man ein Problem, jedenfalls dann wenn es der Falsche ist.«  »Du bist doch aber noch so jung, wieso machst du dir darüber Gedanken? Lass es einfach laufen, Trennungen gehören ebenso dazu wie eine Beziehung. Das ist das Leben. Ich sage nicht das du dich jetzt in eine Beziehung stürzen sollst komme was wolle. Ich meine einfach, wenn es passiert dann passiert es eben.«  »Ich weiß doch, und ich habe ja nichts gegen ihn. Rafael sieht gut aus, habe ich ja auch schon von Anfang an gesagt und wenn man ihn näher kennenlernt merkt man das er sich um andere kümmert und nicht wirklich ein Egoist ist. Ich will aber einfach kein Risiko eingehen nur weil wir beschlossen haben Freunde zu werden. Freunde kann man einfach wieder entfernen, aber ich kenne mich und ich war zwar noch nie wirklich verliebt aber wenn ich an einer Person emotional so sehr hänge, werde ich innerlich sterben wenn ich verletzt werde.«  »Du kennst meine Meinung, aber du musst tun was du für richtig hältst. Ich würde es auf jeden Fall sehr süß finden.«
Rafael und ich als Paar, diese Vorstellung ist so absurd wie nur irgendwie möglich...

Heute war Freitag und somit Wochenende. Die Tatsache das ich die komplette letzte Woche zuhause war lassen wir mal aus. Seit dem Vorfall mit dem Fast-Kuss sind Rafael und ich uns nicht mehr über den Weg gelaufen, was vielleicht auch besser ist. Zugegeben habe ich keine Ahnung wie ihn im gegenüber treten soll. Gedankenversunken räumte ich das Geschirr auf damit Chiara später weniger Arbeit hatte. Ich verließ die Küche ohne nach vorne zu schauen und prompt lief ich in jemanden. Natürlich war es niemand anderes als Rafael.  »Oh, hey.« Er kratzte sich nervös am Nacken und auch mir war die Situation ein wenig unangenehm.  »Hey, sorry ich habe nicht geradeaus geschaut.«  »Schon gut.« Wir standen im Türrahmen und keiner wagte es sich zu bewegen.  »Also ich muss dann auch los.« Rafael schon sich an mit vorbei und auch ich flüchtete ins Wohnzimmer und schmiss mich auf die Couch. Man ist das peinlich. Was ist nur passiert? Wie haben gerade angefangen uns zu verstehen und diese Aktion hat das irgendwie voll kaputt gemacht. Dabei ist nicht mal wirklich etwas passiert. Und ich bin auch nicht dabei mich in ihn zu verlieben, denke ich. Nur weil man findet das jemand gut aussieht und einen tollen Charakter hat, empfindet man ja nicht direkt Liebe. Glaube ich.

Doch ich konnte meine Gedanken nicht erweitern, da mich jemand an der Wirbelsäule antippte. »Ellie, alles in Ordnung?« Ausnahmsweise bin ich mal nicht erschrocken, so drehte ich mich einfach auf den Rücken und blickte in Marias Gesicht.  »Ja wieso?«  »Naja weil du wie ein Haufen Elend hier rumhängst.« Ich setzte mich auf ehe ich Maria antwortete.  »Nein, schon gut. Ich habe gerade ein kleines Problem mit mir.«  »Achso, nadann. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass Angelo nach dir sucht. Er ist in seinem Büro.« Ich bedankte mich bei ihr und rannte sie Treppe hoch.

»Ellie, meine kleine. Setz dich doch.« Bei Angelo angekommen setzte ich mich auf einen Stuhl genau gegenüber von ihm.  »Du hast mich rufen lassen.«  »Genau, ich wollte dich bezüglich meiner Entscheidung aufklären, die dich ganz besonders betrifft.« Unsicher nickte ich, weil ich nun wirklich gespannt war um was es ging.  »Also, du wirst am Montag wieder zur Schule gehen. Unter ein paar Bedingungen.« Er machte eine Pause.  »Rafael wird dich jeden Tag zur Schule fahren und auch wieder abholen.« Ich sah ihn verwundert an »Wieso Rafael?«  »Weil Luca andere Aufgaben hat und ich dachte dass ihr beiden euch doch mittlerweile gut versteht.«  »Aber was ist mit Giuseppe oder Michele?« Ich klang fast verzweifelt.  »Sie sind ebenfalls beschäftigt. Ellie, bitte stell dich nicht so an. Was habt ihr jetzt schon wieder für ein Problem?«  »Ist ja schon gut. Wir haben kein Problem. Hauptsache ich kann wieder in die Schule. Grazie, Zio.« Ich verabschiedete mich von ihm und verließ den Raum. Toll, jetzt muss ich Rafael das nur irgendwie Mitteilen.

Da er aber erst vor kurzem gegangen ist und ich nicht glaube, dass er schon wieder zurück ist ging ich erstmal in mein Zimmer. Das kann auch noch bis morgen warten. Ich schrieb Olivia direkt, dass ich am Montag wieder kommen würde was sie sehr freute. Wir telefonieren ein wenig und sie erklärte mir ein neues Thema in Physik welches sie während meiner Abwesenheit begonnen hatten. Wir telefonieren in die Nacht hinein, bis ich irgendwann einschlief...

Am nächsten Morgen wollte ich direkt mit Rafael reden. Ich machte mich also auf den Weg in sein Zimmer und, im Gegensatz zu sonst, klopfte ich an. Einige Minuten vergingen und es kam keine Antwort, also klopfte ich erneut und öffnete die Tür ein wenig. Dort traf ich auf einen schlafenden Rafael und ich wollte gerade die Tür wieder schließen als er sich drehte und in meine Richtung sah. »Ellie? Was machst du hier?«

P R O M I S E SWo Geschichten leben. Entdecke jetzt