A C H T U N D V I E R Z I G

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»Also schön, du willst es so. Ich erzähle es dir, aber du musst mit versprechen mir eine Chance zu geben. Zu verstehen, warum ich das getan habe. In Ordnung?«

»Rafael, jetzt rück endlich mit der Sprache raus. Ich werde bei dir bleiben wieso will das nicht in deinen Kopf gehen?« brachte ich schon beinahe genervt hervor.
Er schmiss seine Zigarette auf den Boden, zerdrückte sie mit dem Schuh und setzte sich seufzend. »Na schön, wo fange ich an?«  »Na am besten am Anfang.« unterbrach ich ihn ungeduldig.  »Wenn du willst dass ich es dir erzähle dann unterbrich mich bitte nicht. Du willst es doch hören oder nicht?« ich nicke stumm als Zeichen dass ich nun kein Ton mehr von mir geben werde.

»Gut, also es begann kurz nachdem ich ein Teil von all dem hier wurde. Du weißt mein Vater ist Polizist und da wir der Schweigepflicht unterliegen durfte ich zwar sowieso niemandem etwas erzählen, nur musste ich bei ihm eben besonders vorsichtig sein. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon seit einigen Monaten eine Freundin, ihr Name war Carly. Wir waren Nachbarn und unsere Eltern waren dementsprechend gut befreundet, weshalb sie auch wollten dass wir uns besser kennenlernen. Ich wollte es nicht, da sie mich nicht interessiert hatte. Auch als wir zusammen waren habe ich nie Gefühle für sie entwickelt, aber ich wusste dass ich ihr seit längerem gefiel. Meinen Eltern zu Liebe und aufgrund des schlechten Gewissen dass ich wegen dieser Sache hatte, habe ich dem Arrangement zugestimmt. Damals habe ich noch bei meinen Eltern gelebt, damit sie keinen Verdacht schöpfen. Dennoch musste ich meine Aufträge erledigen und vor allem meine Mutter bemerkte dass ich immer später nach Hause kam und oft mit Wunden und blauen Flecken übersät war. Angelo hatte mich immer unterstützt und auch einen Abteilungswechsel vorgeschlagen, doch ich war stur und wollte unbedingt beim Drogenhandel bleiben. Irgendwann wurde es mir zu viel; meine Eltern wurden immer misstrauischer, Carly rückte mir auch immer mehr auf die Pelle und die Schule in Verbindung mit meiner neuen Aufgabe war einfach nicht mehr zu regeln. Ich war 17 und dumm, also begann ich statt den Drogenhandel zu organisieren, selbst welche zu nehmen. Ich verlor immer mehr die Kontrolle über mich selber, brach die Schule hab und distanzierte mich immer mehr von meiner Familie und von Carly, die das als Anlass nahm und noch mehr klammerte.
Meine Eltern hatten nach einiger Zeit kein Verständnis mehr für mein Verhalten und schmissen mich raus, ich zog dann eine Zeit lang bei Carly ein. Hierher wollte ich nicht, da ich wusste dass Angelo enttäuscht von mir war. Und ich weiß nicht ob es daran lang, dass ich schon zu lange dabei war oder weil Angelo mich in gewisser Weise mochte, aber er brachte mich zu meinem Glück nicht um. Obwohl ich es verdient hatte, immerhin hatte ich tausende von Dollar vernichtet.
Eines Tages teilte Carly mir mit, dass sie schwanger sei. Anfangs habe ich ihr nicht geglaubt; klar hatten wir Sex, ich bin ja auch kein Heiliger, aber durch das ständige High-sein wusste ich nicht mehr wann wir verhüteten.« entschuldigend sah er mich an und zündete sich noch eine Zigarette an. Diese Info war nichts neues für mich, da ich es mir schon gedachte hatte.  »Nachdem sie mir den positiven Test zeigte, drehte ich komplett durch. Für ein Kind war ich logischerweise in meiner Verfassung alles andere als bereit. Ich machte Schluss mit ihr, zog hier ein und verlor mich selbst mehr und mehr an den Drogen. Angelo hatte mich gewarnt. Drohte mir, wenn ich mein Leben nicht wieder auf die Reihe bekomme, es Konsequenzen geben wird. Ich wollte nicht auf ihn hören, arbeitete weiter und brachte unschuldige Menschen um. Die ganze Nacht feierte ich, kam morgens betrunken nach Hause und lebte in den Tag hinein. Carly suchte den Kontakt zu mir, verfolgte mich und passte mich an den ungünstigsten Situationen ab.
Einige Monate vergingen, Carly war bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Schwangerschaft und wollte immer noch an unserer Beziehung festhalten. Ich weiß bis heute nicht wie sie das geschafft hat, aber sie stand eines Tages einfach in einer Lagerhalle am Stadtrand um mich sehen zu wollen. Das war der größte Fehler den sie machen konnte, denn wir waren gerade dabei einen Deal mit der Cosa Nostra abzuschließen, du weißt sie kommen einmal im Jahr nach Amerika um zu überprüfen wie die Geschäfte laufen. Und du weißt auch wie sie es hassen wenn man während den Geschäften gestört wird.«
Ich nickte. Die Cosa Nostra war unser Vorgesetzer, der Anführer - Clan aller italienischen Mafia Familien. Geführt vom Heiligen Vater, den niemand, wirklich niemand bisher zu Gesicht bekommen hat. Außer seine Familie natürlich. Und wer gegen seine Regeln verstößt, der ist dran.
»Der Sohn des Heiligen Vaters, Paolo, kam in seiner Vertretung und dieser ist genau wie sein Vater, einfach grauenvoll. Ich habe versucht Carly rechtzeitig wegzuschaffen, doch sie bestand darauf zu bleiben. Ich habe Paolo um Vergebung gebeten und die Möglichkeit sie zu besänftigen, doch er ließ es nicht zu. Er tötete sie vor meinen Augen, zusammen mit meinem ungeborenen Kind. Darauf brach ein Teil von mir in tausend Stücke. Ich hatte das Kind zwar immer geleugnet, aber dennoch war es mein Kind. Wenn ich mal nüchtern war, und das war ich leider nicht oft, hat sich ein kleiner Teil von mir sogar darauf gefreut. Und die Chance das Baby kennenzulernen hatte er mir genommen. Und das was ich danach tat, war der größte Fehler meines Lebens.«
Er zündete sich erneut eine Zigarette an. Wenn das so weitergeht ist die Packung gleich leer.
»Ich schoss auf Paolo und tötete ihn, drei Kugeln trafen ihn; eine in den Kopf und zwei ins Herz. Auf mich wurde ein Kopfgeld ausgesetzt. 10 Millionen Dollar bekam derjenige der mich tötete. Ich wurde sofort von Angelo in den Keller verfrachtet. Verbrachte dort Monate ohne wirklichen Kontakt zur Außenwelt. Was denkst du warum dort unten jetzt ein Boxsack und ein Schießübungsplatz stehen? Aber ich bin Angelo dafür noch immer unendlich dankbar, immerhin hat er mein Leben gerettet. Er hat alles versucht, die Cosa Nostra zu besänftigen. Sie schlugen einen Handel vor. Das Doppelte des Kopfgeldes und sie würden mich am Leben lassen. Und Angelo tat es, er zahlte 20 Millionen für mein Leben. Dafür musste ich ihm versprechen mir Hilfe zu holen. Er schickte mich dafür kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag nach Kanada, wo ich zu Madrazo geschickt wurde. Damals lebten sie noch in Kanada bevor sie nach Washington gezogen sind damit Matteo dort studieren konnte. Jedenfalls lernte ich dort auch Leila kennen, ich weiß du kannst sie nicht besonders gut leiden aber sie half mir von den Drogen wegzukommen, wieder ins Leben zu finden und den Fokus auf die richtigen Dinge zu setzen. Und bevor du fragst, nein wir waren nie zusammen, allein aus dem Grund dass in meiner damaligen Situation eine Beziehung alles nur schlimmer gemacht hätte.
Naja und irgendwann wollte ich zurück, ich vermisste Las Vegas, meine Freunde und den Clan. Michele war mein bester Freund hier und ich weiß noch wie enttäuscht er von mir war als er mitbekommen hat, dass ich anfing Drogen zu nehmen. Ich genoss die Zeit bei Madrazo und seiner Familie zwar und sie waren auch immer nett zu mir, aber sie behandelten mich eben wie ein Pflegefall. Und nach mehr als einem Jahr war ich kein Pflegefall mehr. Ich bin älter geworden, habe wieder zu mir gefunden und war mehr oder weniger ich selbst. Natürlich würde ich nie wieder derselbe wie vor alldem sein, aber ich war wieder auf dem richtigen Pfad. Also suchte ich den Kontakt zu Angelo und bat um eine Versetzung. Er ließ mich zurück kommen, und naja.. Dann bin ich dir begegnet. Und seitdem geht mein Leben bergauf.«

Beim letzten Satz grinste er leicht, doch kurz darauf senkte er seinen Blick und sah nervös aus. Ich wusste welche Fragen nun kommen würde. Aber eine Antwort darauf wusste ich nicht. Klar, hatte ich Rafael versprochen das ich immer zu im stehen werde, dennoch musste das alles erstmal verarbeiten.
Er hatte ein ungeborenes Kind. Mit 17. Er brachte unschuldige Menschen um und kostete Angelo 20 Millionen Dollar.

»Wie denkst du nun über mich?« Ja, wie dachte ich nun über ihn? Ich seufzte und sah ihn an. »Rafael, das alles ist Vergangenheit. Klar, was du mir da offenbart ist echt heftig aber jeder macht in seinem Leben Fehler. Manche kleine und manche eben etwas größere. Meine Meinung zu dir hat sich in keinster Weise geändert, im Gegenteil. Ich kann nachvollziehen warum du diese Dinge getan hast. Gut, das mit den Drogen verstehe ich begrenzt aber du wusstest dir nicht anders zu helfen und das ist okay. Rafael, du warst doch noch so jung und konntest mit niemanden über deine Verantwortung die du hier bekommen hast reden. Aber weißt du was mich am meisten berührt? Das du die Hilfe, welche dir angeboten wurde, angenommen hast und dich zurück gekämpft hast. Das Rafael, das bewundere ich am meisten. Nicht jeder ist so stark und schafft es, nach allem was du durchmachen musstest, aus diesem Loch herauszufinden. Und jetzt verstehe ich dich sogar noch besser. Ich verstehe nun, warum du so sehr darauf besteht mich zu schützen und versuchst mich aus allem rauszuhalten. Und es tut mir leid, das ich des öfteren zu rational gehandelt habe. Das ich nicht versucht habe mich in dich hineinzuversetzen. Denn du bedeutest mir alles Rafael und ich will das du glücklich bist. Mehr als alles andere auf dieser Welt.«

Ich beugte mich zu ihm vor, legte meine Hand an seine Wange und küsste ihn zärtlich. Er erwiderte den Kuss und Schlag deine Arme um meine Taille um mich auf seinen Schoß zu ziehen. »Ellie, ich- ich...«  »Ich weiß« sagte ich und küsste ihn erneut. Ich weiß das er mich liebt. Und ich weiß das er nicht gerne über seine Gefühle spricht.
Es hat ihn viel Überwindung gekostet mir das alles zu erzählen und das ist schon Liebesbeweis genug. »Womit habe ich dich nur verdient Principessa? Ich verstehe nicht wie du nach allem was ich dir erzählt habe noch hier sitzen kannst und mich nicht verabscheust.« murmelte er zwischen unseren Küssen.  »Weil jeder eine zweite Chance verdient hat. Und weil ich mir nur selbst dabei schaden würde, nenn mich egoistisch aber ich will mich nicht von dir distanzieren. Denn ich liebe dich, Rafael.« wisperte ich mit klopfendem Herzen.

P R O M I S E SWo Geschichten leben. Entdecke jetzt