Dreizehn

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Ich liege neben Tom und starre ihn an. Er starrt zurück. Was soll ich sagen?
Bitte sag' jetzt nichts.

Okay, das kriege ich hin.
Ich stehe wortlos auf und reiche ihm die Packung Kleenex, die auf meinem Nachttisch steht. Wir säubern uns still und keiner sagt etwas. Und nun? Geht er jetzt? Ich sage ihm sicherlich nicht, dass er gehen soll. Ich bin ja kein Arschloch.

Ich nehme ihm die Tücher ab und entsorge sie in der Küche. Als ich zurück in mein Schlafzimmer komme, sitzt er noch immer auf der Bettkante, nur jetzt in Boxershorts.
Soll ich gehen?

Ich schüttele meinen Kopf, obwohl er seine Frage nicht laut formuliert hat, und ziehe mir meine eigene Boxershorts wieder an. Dann gehe ich ins Badezimmer und krame in meinem Schrank nach einer unbenutzten Zahnbürste, die ich auf den Waschbeckenrand lege. Ich putze meine Zähne und gehe zurück ins Schlafzimmer, wo ich unter meine Bettdecke krabbele.

Er steht unbeholfen herum und kratzt sich am Hinterkopf. Ich sage nichts. Was soll ich auch sagen?

Tom verschwindet im Badezimmer und ich höre den Wasserhahn laufen. Kurz darauf kommt er zurück und steht wieder vor meinem Bett herum. Gott, dieser Mann..
Augenrollend hebe ich die Bettdecke an und er schlüpft neben mich.

Es ist dunkel und still. Er scheint nicht zu denken. Oder dieses Mal hat es wirklich aufgehört. Ich denke darüber nach, wieso ich nicht alle seine Gedanken hören kann, sondern nur die, die offenbar mich betreffen. Und warum habe ich ihm das noch nicht gesagt? Es wäre ihm sicher peinlich. Aber es würde vieles leichter machen.

Ich erwache, weil mir furchtbar warm ist. Ein warmer Körper hat sich um mich gewickelt, ich spüre ein langes Bein über meiner Hüfte und einen Arm über meiner Schulter. Heißer Atem schlägt mir in den Nacken. Oh, richtig. Das Arschloch. Ich sollte aufhören, so von ihm zu denken. Das ist nicht nett.

Vorsichtig drehe ich mich um und betrachte Tom. Er schläft noch und sein Gesicht wirkt in dieser Situation nicht so grimmig wie sonst. Sein Gesicht ist wirklich hübsch. Und der Rest von ihm auch. Wenn er nur nicht immer so schlecht gelaunt wäre. Und wenn er mich nur mögen würde.

Hektisch stehe ich auf, denn es bringt mich nicht weiter, so zu denken. Ich suche mein Handy und sehe, dass ich Nachrichten von Betty habe.

Betty Doherty

Jasper, seid ihr gut
angekommen?

Jaz, Tom ist nicht nach
Hause gekommen. Carl
macht sich Sorgen.

Alles gut, Cookie. Er hat
auf meinem Sofa gepennt.
Es fuhr kein Bus mehr und
für ein Taxi war er zu geizig.

Oh, okay.

Kannst du ihn noch ein
bisschen aufhalten?

Du kriegst den Hals echt nicht
voll, oder?

Du hast was gut bei mir, Jaz!

Lachend lege ich mein Handy auf meinem Küchentisch ab und mache mich an meiner Kaffeemaschine zu schaffen.

"Guten Morgen," murmelt eine verschlafene Stimme plötzlich hinter mir. Ich drehe mich um und muss mich zusammenreißen, ihn nicht anzustarren. Tom lehnt im Türrahmen, nur in seiner Boxershorts und mit zersausten Haaren. Fuck, er ist schön. Schnell wende ich mich wieder dem Kaffee zu.

"Guten Morgen," plappere ich los. "Ich dachte, ich mache schon mal Kaffee. Du magst doch Kaffee? Ich hab sonst auch Tee da."
"Kaffee, danke," antwortet er knapp und lehnt sich an den Küchentisch.
Okay, keine großen Worte. Alles wie immer.

Wortlos stelle ich ihm eine dampfende Tasse vor die Nase und er nickt dankend.
"Ich hab Betty geschrieben, dass du auf meinem Sofa gepennt hast, weil kein Bus mehr kam," erkläre ich, obwohl es eigentlich nicht notwendig wäre. Er sieht überrascht auf. "Warum?" fragt er.
"Carl hat sich Sorgen gemacht, weil du nicht nach Hause gekommen bist."
"Und dann lügst du für mich?"
"Äh.. entschuldige, aber ich kann meine Erklärung auch nochmal revidieren und ihr schreiben, dass ich dir das Hirn rausgevögelt habe und du anschließend in meinem Bett geschlafen hast, wenn dir das lieber ist," zicke ich.

Toms Augen weiten sich vor Entsetzen und seine Wangen färben sich rot.
Bitte nicht!

"Dachte ich mir," pampe ich und gehe ins Badezimmer. "Du weißt ja, wo die Tür ist," rufe ich ihm noch zu.
Fuck, wieso habe ich mir eingebildet, dass er plötzlich netter sein würde? Ich bin so ein Trottel!

Ich steige in meine Dusche und schließe meine Augen, als das warme Wasser über meinen Körper läuft. Hoffentlich geht er jetzt einfach.
Warum bist du so?

Entsetzt drehe ich mich um, denn natürlich steht er da und starrt mich an. Ich beiße meine Zähne zusammen, um ihn nicht anzuschreien. Kann er nicht einfach gehen? Warum lässt er mich nicht in Ruhe?
Du bist schön, Jasper.

Ich rolle mit den Augen und drehe mich von ihm weg. Er soll damit aufhören. Er soll einfach gehen. Doch natürlich funktioniert dieses Gedankenlesen nur in eine Richtung und ich bin ein Feigling, ihm nicht genau das zu sagen. Stattdessen spüre ich einen kühlen Luftzug, als die Duschtür geöffnet wird und er zu mir unter den warmen Wasserstrahl steigt. Nackt.
Das ist so unfair. Ich will nicht, aber wenn er so dasteht, kann ich ihm nicht widerstehen.

Tom drängt sich nah an mich und nimmt mein Kinn in seine Hand, um mich so zu zwingen, ihn anzusehen.
"Danke," flüstert er und ich zerfließe förmlich, als seine Lippen auf meine treffen. Seine heiße Zunge drängt sich in meinen Mund und mein Wunsch, dass er geht, wandelt sich in das genaue Gegenteil. Er soll bleiben. Er soll noch näher kommen. Er soll mich berühren.

Und auch, wenn er meine Gedanken nicht lesen kann, tut er genau das. Seine Hände streichen über meine Haut und sofort erschaudere ich. Zärtlich saugt er an meiner Unterlippe, während seine Finger meine empfindlichen Brustwarzen liebkosen. Ich verteile etwas von meinem Duschgel auf meinen Händen und beginne, seinen schönen Oberkörper damit einzuseifen. Er seufzt leise und hört nicht auf mich zu küssen. Fast schon synchron wandern unsere Hände nach unten und umfassen uns gegenseitig. Uns beiden entgleitet ein Stöhnen und unwillkürlich pressen wir unsere Hüften näher zusammen. Ich öffne meine Hand und umfasse uns beide gleichzeitig, während seine Hand über meiner liegt.

"Oh fuck," keucht er und ich seufze zustimmend. Seine freie Hand streicht immer wieder über meine Hüfte, während wir uns beide zusammen pumpen.
"Ahh," stöhne ich in seinen Mund und seine Zunge umspielt meine. Ich kralle mich in seine feuchten Haare und als sein Daumen über unsere Spitzen streicht, ergieße ich mich zitternd zwischen uns, dicht gefolgt von ihm.
Was machst du nur mit mir?

Das Gleiche könnte ich dich fragen, denke ich still, doch schweige wieder. Stattdessen lasse ich das Wasser die Spuren unseres Höhepunkts wegspülen und schäume ihn weiter ein. Seine Augen sind geschlossen und er lehnt entspannt an den Fliesen, seine Hand noch immer an meiner Hüfte.
Zumindest ist Bettys Strategie mit dem Aufhalten aufgegangen.

Stimmengewirr | ✓Where stories live. Discover now